Was für eine Posse!

Bahnhof Johannisthal: Bahn braucht sechs Jahre für Fahrstuhl-Bau!

Der Lift soll für einen zusätzlichen barrierefreien Zugang sorgen, wurde bereits im März 2019 bestellt. Jetzt gibt es niemanden, der ihn einbauen kann.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Der Bahnhof Berlin-Johannisthal: Neben diesem Fahrstuhl sollte noch ein weiterer Lift gebaut werden. Bestellt wurde er 2019. Eingebaut ist er bis heute nicht.
Der Bahnhof Berlin-Johannisthal: Neben diesem Fahrstuhl sollte noch ein weiterer Lift gebaut werden. Bestellt wurde er 2019. Eingebaut ist er bis heute nicht.Bernd Friedel/imago

Viel Bürokratie, jede Menge Planungskram und dann fehlen auch noch die Handwerker: Es ist ein Drama, wie lange in Berlin Bau-Projekte dauern. Ein Beispiel dafür ist der S-Bahnhof Berlin-Johannisthal. Dort braucht die Deutsche Bahn sage und schreibe sechs Jahre, um einen fehlenden Fahrstuhl einzubauen!

Es ist der absolute Irrsinn. Denn der Fahrstuhl, um den es hier geht, wurde im März 2019 bestellt. Da hieß die S-Bahn-Station, an der Züge der Ringbahnlinien sowie der Linien S8, S85 und S9 halten, noch Betriebsbahnhof Berlin-Schöneweide. Inzwischen wurde der Haltepunkt in Berlin-Johannisthal umbenannt und auch umgebaut. Nur der Fahrstuhl fehlt noch immer.

Dieser sollte Fahrgäste mit Handicap oder Mütter mit Kinderwagen barrierefrei vom Bahnsteig zu einer acht Meter höher liegenden Fußgängerbrücke bringen, die zu einem nahen Gewerbe- und Wohngebiet im Johannisthaler Kiez führen. Auf der anderen Seite des Bahnhofes, wo eine Fußgängerbrücke in die entgegengesetzte Richtung übers Adlergestell zum S-Bahn-Werk und einem Wohngebiet in Adlershof führt, gibt es bereits zwei Fahrstühle seit Jahren.  Etwa 650.000 Euro wurden dafür investiert.

Warum es auf der Gegenseite nicht mit einem Lift klappt? Das wollten bereits schon viele Abgeordnete vom Senat wissen. Die erste Anfrage dazu wurde im Dezember 2021 gestellt. Die Antwort: Der Fahrstuhl, der für einen barrierefreien Zugang sorgen soll, sei bestellt, wird 2024 eingebaut.

Weil irgendwie nichts geschah, fragte im Januar 2023 der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft den Senat, ob man wirklich Jahre braucht, um einen Fahrstuhl am Bahnhof Berlin-Johannisthal zu errichten. Die Senatsantwort von damals enthielt eine Stellungnahme der Deutschen Bahn (DB): „Zur Errichtung eines Ingenieurbauwerks wird eine detaillierte Planung benötigt (hierunter fällt auch ein Schachtgerüst eines Aufzuges). Im Regelfall rechnet man mit fünf bis sechs Jahren Umsetzungszeit.“

Fahrstuhlbau in Johannisthal: 2024 sollte schon alles erledigt sein

Die DB erklärte weiter, dass man die Zeit für den Aufzugsbau schon stark reduziert hätte. „Die reine Planung beläuft sich auf lediglich 12 bis 15 Monate. Die Planungszeit wird für sicherheitsrelevante Untersuchungen und Berechnungen, wie zum Beispiel Bodenuntersuchungen, Vermessungsleistung der vorhandenen Bauwerke, detaillierte Planung des Aufzuges und des Aufzugschachtes, inkl. statischen Berechnungen und deren Prüfungen benötigt.“

Außerdem müsse man berücksichtigten, dass „bei der Bauausschreibung die Materialisierung des Stahlgerüstes durch den Auftragnehmer (Bau) zusätzlich Zeit in Anspruch nimmt“. Man versicherte damals, dass die Vorentwurfsplanung planmäßig in Dezember 2022 abgeschlossen wurde. Die Deutsche Bahn kündigte damals an: „Der Bau des Aufzuges kann – nach aktuellem Planungsstand – im zweiten Quartal 2024 beginnen.“

Der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft stellte schon mehrere Anfragen zu dem Fahrstuhl.
Der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft stellte schon mehrere Anfragen zu dem Fahrstuhl.Emmanuele Contini/imago

Was dann geschah? Man ahnt es – nichts! Obwohl es sogar hieß, der fehlende Bahnhofsfahrstuhl würde im dritten Quartal 2024 fertig sein, also jetzt.

Warum? Das wollte nun der CDU-Abgeordnete Martin Sattelkau von der Senatsverkehrsverwaltung erfahren. Da sich mittlerweile diverse Unternehmen im Einzugsbereich des Bahnhofes angesiedelt haben und noch weitere folgen werden, erscheint die zeitnahe Inbetriebnahme dieses Fahrstuhles ein Gebot der Fairness gegenüber allen zu sein, die auf diesen angewiesen sind“, sagte er dem KURIER.

Der S-Bahnhof Berlin-Johannisthal, davor das Adlergestell
Der S-Bahnhof Berlin-Johannisthal, davor das AdlergestellBernd Friedel/imago

In diesen Tagen erhielt der CDU-Politiker die Antwort. Die Senatsverwaltung erklärt: Weil Leute und Material fehle, kämen man in der Sache Fahrstuhl nicht voran.

Fahrstuhl für Bahnhof Johannisthal: Bahn fehlen Bauleute und Material

Der genaue Wortlaut: „Die DB AG teilt mit, dass die aktuell schwierige Marktlage im Baugewerbe dazu geführt hat, dass sich die Fertigstellung des dritten Aufzugs am Bahnhof Johannisthal verzögert. Sowohl in der Planung als auch im Bau ist es derzeit sehr herausfordernd, Kapazitäten wie Personal und Materialien zu binden.“

Und weiter: „Es gestaltete sich daher in den letzten Monaten äußerst schwierig, die nötigen Leistungen zu vergeben - Ausschreibungen blieben ergebnislos.“ Mit anderen Worten: Die Deutsche Bahn bekommt keine Handwerker!

Aber die DB habe, „das Projekt stets weiter vorangetrieben und mittlerweile befindet sich das Vorhaben in der Ausführungsplanung.“ Oh, wie schön! Und die Deutsche Bahn lässt über den Senat eine Botschaft mitteilen, die uns auf ein Happy End hoffen lässt: Aktuell gehe man davon aus, „dass eine Fertigstellung in 2025 erfolgen kann“. Dann wären sechs Jahre nach Bestellung des Liftes vergangen!

Berliner Fahrgastverband: „So ein Fahrstuhl ist doch kein Hexenwerk“

„Das ist recht ärgerlich, denn eigentlich sollten schon 2022 alle Berliner Bahnhöfe komplett barrierefrei sein“, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband Igeb. „Es ist kein Hexenwerk, so einen Fahrstuhl einzubauen. Wir sprechen ja hier nicht über ein Endlager für Atommüll.“

 Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband Igeb.
Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband Igeb.Volkmar Otto

Nach Wiesekes Auffassung hätte das Lift-Projekt schon beim Umbau des Bahnhofes ernsthaft in Angriff genommen werden müssen. Und schon da lief nicht alles glatt. 

Damals hatte man offenbar „vergessen“, dass der Bahnhof auch einen Zugang zum Gewerbegebiet nach Johannisthal braucht, wie der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft berichtet. Also wurde die zweite Fußgängerbrücke errichtet. „Hochgradig ärgerlich ist, dass dieser neue Zugang noch immer keinen Fahrstuhl hat, der dringend benötigt wird.“

Denn in dem Gewerbegebiet, zu dem der Zugang führt, befindet sich das Media-Beratungszentrum der Berliner Sparkasse, viele andere Firmen und die Wissenschaftsstadt Adlershof grenzt auch noch an. „Und man muss daran denken, dass auch da Leute arbeiten, die auf einem barrierefreien Bahnhofszugang angewiesen sind“, sagt Düsterhöft.

Außerdem entstehen soll ab 2025  in dem Kiez auch noch ein neues Wohngebiet mit 1.800 Wohnungen für über 5.000 Menschen entstehen. Darunter wird es auch Menschen im Rollstuhl geben, oder Mütter und Väter mit Kinderwagen, die den Bahnhofsfahrstuhl benötigen werden. Düsterhöft zum KURIER: „Ich hoffe, dass der Fahrstuhl nicht erst fertig wird, wenn das Wohngebiet schon steht.“ ■