Aufarbeitung Ost

Für Ikea im DDR-Knast geschuftet: So profitierte der Westen von Stasi-Häftlingen

Der schwedische Möbelkonzern Ikea kaufte Möbelteile, hergestellt von politischen Gefangenen. Nun will er zahlen. Andere Konzerne wie Aldi wiegeln weiter ab.

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
Im DDR-Frauengefängnis Hoheneck wurden Textilen für den Verkauf im Westen produziert.
Im DDR-Frauengefängnis Hoheneck wurden Textilen für den Verkauf im Westen produziert.dpa

Metallbeschläge für Möbel, fast komplette Ikea-Bürostühle, Vorprodukte für weitere Möbel des schwedischen Einrichtungsgiganten Ikea, hergestellt von politischen Gefangenen in DDR-Gefängnissen: Dass westliche Firmen in der DDR produzieren ließen, ist nicht neu. Auch Versandunternehmen wie Quelle und Neckermann ließen in DDR-Haftanstalten Bettwäsche nähen oder Fotokameras für das untere Preissegment produzieren. Selbst Aldi kaufte Billig-Strumpfhosen im Osten ein – unter anderem im Frauengefängnis Hoheneck. Neu ist aber, dass sich der schwedische Ikea-Konzern nun auch finanziell seiner Vergangenheit stellen will.

Gefangene in der DDR produzierten für den Kapitalismus

Nachdem der schwedische Möbelkonzern schon länger und nach eigens beauftragter Untersuchung eingeräumt hatte, dass in den 70er- und 80er-Jahren auch politische Gefangene in DDR-Gefängnissen Vorprodukte hergestellt haben, will Ikea nun sechs Millionen Euro in einen geplanten Härtefallfonds für die Opfer der SED-Diktatur einzahlen. Ikea habe der SED-Opferbeauftragten des Bundestages am Dienstag eine entsprechende Absichtserklärung übergeben, teilte das Büro der Beauftragten Evelyn Zupke mit.

„Für mich ist die Zusage von Ikea, den Härtefallfonds zu unterstützen, Ausdruck eines verantwortungsbewussten Umgangs auch mit dunklen Kapiteln der eigenen Firmengeschichte“, erklärte Zupke. „Das, was die Opfer in den DDR-Gefängnissen erleben mussten, können wir nicht ungeschehen machen. Wir können ihnen aber heute mit Respekt begegnen und sie insbesondere in Notlagen unterstützen.“

Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen: Ikea zahlt sechs Millionen in einen SED-Opfer-Fonds. 
Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen: Ikea zahlt sechs Millionen in einen SED-Opfer-Fonds. Sven Hoppe/dpa

Ikea-Deutschland-Chef Walter Kadnar betonte: „Wir bedauern zutiefst, dass auch Produkte für Ikea von politischen Häftlingen in der DDR produziert wurden.“ Ikea habe den Betroffenen sein Wort gegeben, sich an einer Unterstützung zu beteiligen. „Daher begrüßen wir die Umsetzung des Härtefallfonds und freuen uns, unsere Zusage einlösen zu können.“

Der bundesweite Härtefallfonds soll Opfer der SED-Diktatur bei wirtschaftlichen Notlagen unbürokratisch unterstützen. Über die Einrichtung dieses Fonds entscheidet der Bundestag in den nächsten Wochen. Zu den Opfern der SED-Diktatur gehören politische Häftlinge, die in den DDR-Gefängnissen zu Zwangsarbeit verpflichtet wurden.

2012 räumte Ikea nach einer unabhängigen Untersuchung ein, dass in der DDR politische Häftlinge und Strafgefangene unter Zwang Möbel für den Konzern herstellen mussten. Demnach hatte Ikea möglicherweise schon ab 1978, spätestens aber ab 1981, Kenntnisse über einen möglichen Einsatz von politischen Gefangenen in Produktionsstandorten und Zulieferbetrieben der DDR.

Aldi und Otto reden Verantwortung für Profit aus Zwangsarbeit klein

Auch weitere westdeutsche Konzerne profitierten von der Arbeit der Gefangenen in der DDR. Es sei richtig, dass es in der Vergangenheit über DDR-Außenhandelsbetriebe Geschäftsbeziehungen zum VEB Strumpfkombinat Esda Thalheim gab, sagte etwa ein Aldi-Unternehmenssprecher. Dass einzelne Produktionsschritte an das DDR-Frauengefängnis Hoheneck vergeben wurden, sei Aldi Nord aber erst 2013 bekannt geworden. Aufgrund des großen zeitlichen Abstands zu den Vorkommnissen könnten die Details jedoch nicht mehr in dem Umfang aufbereitet werden, der für eine abschließende Bewertung einer Entschädigungslösung nötig wäre.

Auch im Versandhandel Otto kann man keine rechtliche und moralische Verantwortung ausmachen, belegt eine Recherche des MDR: Zwar seien im Cottbuser Gefängnis für den VEB Pentacon Gehäuse von Fotoapparaten gestanzt und entgratet worden. „Offen bleibt jedoch, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang die Zulieferung erfolgte.“

Zudem sei parallel auch im Hauptwerk gestanzt und entgratet worden. „Bei den vom damaligen Otto-Versand vertriebenen Praktica-Modellen besteht daher eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit, dass diese gar keine Teile aus Häftlingsarbeit enthielten.“ Deshalb sehe Otto „bei allem Verständnis für die ehemaligen DDR-Zwangsarbeiter – weder eine rechtliche noch eine ‚ethische‘ Verantwortung“. ■