Experten warnen vor Schwarzmalerei

Wie krank ist die deutsche Wirtschaft wirklich?

Kaum Wachstum, aber auch: Dax auf Rekordniveau, mehr Erwerbstätige denn je, Japan überholt...

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Autoindustrie vor Umbrüchen: Mitarbeiter von BMW im Stammwerk München.
Autoindustrie vor Umbrüchen: Mitarbeiter von BMW im Stammwerk München.Sven Hoppe/dpa

„Kranker Mann Europas“, „dramatisch schlecht“: Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Nach den vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts schrumpfte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal um 0,3 Prozent im Vergleich zum dritten Quartal. Dennoch eilt der deutsche Leitindex Dax von Rekord zu Rekord, die Erwerbstätigkeit ist so hoch wie nie und Deutschland überholt Japan als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wie passt das zusammen? Wie schlecht steht es wirklich?

Die Bundesregierung erwartet für 2024 nur ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. „Dramatisch schlecht“ nannte das Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Wir kommen langsamer aus der Krise als gehofft.“
Doch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt in der Rheinischen Post vor Schwarzmalerei: Das Gerede vom „kranker Mann“ Europas sei fehl am Platz. „Die unsägliche Schwarzmalerei von manchen Wirtschaftsbossen und Politikern ist die größte einheimische Bremse für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr“. Wirtschaft sei zu 80 Prozent Psychologie.

Die Industrie hat in Deutschland mit etwa 30 Prozent an der Bruttowertschöpfung ein vergleichsweise starkes Gewicht. Sie leidet unter den massiv gestiegenen Energiepreisen und unter der schwachen Nachfrage, besonders aus dem Ausland. Gestiegene Zinsen und hohe Kosten bremsen den Bau aus. „Die Jahre, in denen die deutsche Industrie Job- und Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft war, sind vorerst vorbei“, sagt Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (Deutscher Gewerkschaftsbund).

Arbeitsmarkt stabil, Rekorde an der Börse

Trotzdem zeigt sich der Arbeitsmarkt in Europas größter Volkswirtschaft bislang robust, er herrscht Fachkräftemangel. Und die Deutsche Bundesbank sieht derzeit keine Anzeichen, „dass sich die Lage am Arbeitsmarkt durch die schwache Konjunktur spürbar verschlechtern wird“. Die Zahl der erwerbstätigen Menschen erreichte nach den Daten des Statistischen Bundesamtes 2023 mit 45,9 Millionen den höchsten Jahresschnitt seit der Wiedervereinigung. Neun von zehn der zusätzlichen Jobs entstanden im Dienstleistungsbereich, während es im produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe geringere Zuwächse gab.

Unterdessen eilt der Dax von Rekord zu Rekord. Vertreten sind hier die 40 größten börsennotierten Konzerne. Es sei aber nicht das heimische Geschäft, was die Unternehmen an der Börse immer wertvoller mache. Ihre Umsätze und Gewinne erzielten sie zum Großteil im Ausland, erklärt Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets.

Der US-Softwareriese Microsoft sieht in Deutschland mehr Chancen als Risiken und wird bis Ende 2025 knapp 3,3 Milliarden Euro investieren, um sein Rechenzentrum für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz auszubauen. „Wir werden keine Subventionen erhalten und haben auch nicht danach gefragt“, betonte Microsoft-Präsident Brad Smith.■