Nur Geld bei Arbeit

Schwerin verdonnert Flüchtlinge und Bürgergeld-Nutzer zur Arbeitspflicht!

Wer eine Tätigkeit ablehnt, dem soll das Geld gekürzt werden. Aber ist diese „Zwangsarbeit“ wirklich fair und überhaupt umsetzbar?

Author - Stefan Doerr
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Auch Bürgergeld-Empfänger sind zur Arbeit verpflichtet, zum Beispiel sollen sie bei der Tafel mit anpacken.
Auch Bürgergeld-Empfänger sind zur Arbeit verpflichtet, zum Beispiel sollen sie bei der Tafel mit anpacken.snapshot-photography/F.Boillot/Imago

Das Bürgergeld ist zu hoch, die Asylbewerberzahlen müssen herunter! Seit Monaten wird in ganz Deutschland heiß darüber debattiert, was Menschen mit staatlicher Unterstützung tatsächlich brauchen und was ihnen zumutbar ist. Eine Stadt will jetzt hart durchgreifen – mit allen umstrittenen Konsequenzen. In Schwerin werden Asylbewerber und auch Bürgergeldbezieher künftig zur Arbeit verpflichtet.

Und das, obwohl der Bürgermeister strikt dagegen ist! Doch die CDU hat im Schulterschluss mit der AfD in der Schweriner Stadtvertretung in der letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel die Arbeitspflicht durchgesetzt und mit Mehrheit beschlossen. Wer sich verweigert, muss mit Geldstrafen rechnen. Arbeitsunwillige riskieren, dass die staatlichen Leistungen gekürzt werden. Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) und auch Arbeitsmarktforscher zweifeln jedoch daran, ob die Arbeitspflicht wirklich sinnvoll ist. Andere sprechen von „Zwangsarbeit“ und „Stimmungsmache“.

Arbeitsangebote sind gesetzlich möglich

Zwar ist die Idee, Menschen zu Arbeit zu verpflichten, die staatliche Leistungen beziehen, nicht grundsätzlich neu. Sogenannte Arbeitsgelegenheiten sind im Asylbewerberleistungsgesetz und für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld im Sozialgesetzbuch vorgesehen. Eine Pflicht, diese gemeinnützigen Tätigkeiten anzunehmen, gab es aber bislang nicht. Und weil es für die Kommunen einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet und es an geeigneten Jobs fehlt, wird die Regelung auch kaum angewendet. Zumindest bisher!

Der Oberbürgermeister von Schwerin, Rico Badenschier (SPD), wurde gegen seinen Willen dazu verdonnert, ein Konzept für eine Arbeitspflicht zu erarbeiten.
Der Oberbürgermeister von Schwerin, Rico Badenschier (SPD), wurde gegen seinen Willen dazu verdonnert, ein Konzept für eine Arbeitspflicht zu erarbeiten.BildFunkMV/Imago

Denn seit die Landkreise Greiz und Saale-Orla in Thüringen Flüchtlinge zur Arbeit heran ziehen, liebäugeln auch andere Gemeinden mit einer Arbeitspflicht. Für eine Entlohnung von 80 Cent pro Stunde leisten Flüchtlinge gemeinnützige Arbeiten, beispielsweise in den Gemeinschaftsunterkünften, beim Grünflächenamt oder Winterdienst.

Der Schweriner Beschluss geht sogar noch darüber hinaus und nimmt ebenso Bürgergeld-Empfänger in die Pflicht, was bundesweit absolut neu ist. CDU-Fraktionschef Gert Rudolf erwartet nach den Erfahrungen aus Thüringen, dass sich auch in Schwerin „die Anzahl an Leistungsberechtigten spürbar reduzieren wird und dadurch Kosten der Landeshauptstadt sinken werden“, wie er gegenüber der Bild-Zeitung sagte.

Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) soll nach dem Beschluss jetzt in Kooperation mit dem Jobcenter und sozialen Trägern Jobs schaffen für „erwerbsfähige Leistungsberechtigte von Bürgergeld insbesondere anerkannte Asylbewerber“ – obwohl er den Beschluss ablehnt. Solche „sogenannten Arbeitsgelegenheiten“ sind für Badenschier „das unwirksamste Instrument der Arbeitsmarktintegration - besonders vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt“, wie er gegenüber dem NDR betonte. Man dürfe nicht vergessen, so der Oberbürgermeister, dass es bereits jetzt schon viele „Aufstocker“ gibt, die arbeiten.

Arbeitspflicht kostet Kommunen viel Geld

Scharfe Kritik übte in der Debatte auch der Verein Pro Asyl. Mit der Arbeitspflicht werde Schutzsuchenden zu Unrecht unterstellt, dass sie nicht arbeiten wollen. „Dabei sind die hausgemachten gesetzlichen Restriktionen und komplizierten Verbote, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende und Geduldete versperren, der Grund dafür, dass viele Geflüchtete nicht arbeiten – nicht eine fehlende Arbeitsbereitschaft bei den Menschen“, so Pro Asyl.

Arbeitsmarktforscher Prof. Herbert Brücker aus Nürnberg sieht durch eine Arbeitspflicht auch eine Kostenlawine auf Kommunen zurollen. Die Menschen in Arbeitsgelegenheiten müssten betreut und beaufsichtigt werden, die Kommunen müssten die Gelder dafür bereitstellen, warnt Brücker. Immens wäre auch der bürokratische Aufwand. In der Verwaltung muss die Zumutbarkeit der Tätigkeiten überprüft, die Teilnahme dokumentiert und eine Ablehnung sanktioniert werden.

„Das ist also auch keine Maßnahme, die besonders günstig wäre“, zieht Brücker Bilanz. „Und wenn die Menschen dann länger Transferleistungen beziehen, dann hat der Staat natürlich einen Nachteil.“ Insgesamt „können wir uns eigentlich nicht leisten, in Zeiten von Arbeitskräftemangel, dass wir Menschen anderweitig beschäftigen.“ Es sei viel besser, wenn die Menschen im ersten Arbeitsmarkt tätig sind, „da, wo wir sie wirklich brauchen.“■