Berlins Innensenatorin fordert ein generelles Böllerverbot, Hunderttausende unterstützen eine Petition der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für ein bundesweites Böllerverbot, doch Bundeskanzler Olaf Scholz bremst die Debatte aus und findet ein Böllerverbot „irgendwie komisch“. Eine Verbotsdebatte kommt dem SPD-Politiker wohl so kurz vor der Bundestagswahl ungelegen.
Schon über 520.000 Unterzeichner für Böllerverbot
Die Diskussion um ein bundesweites Böllerverbot nimmt Fahrt auf. Immer mehr Menschen, die von der Silvester-Böllerei und den damit verbundenen Gewaltexzessen genervt sind, unterzeichnen eine Petition für ein Verbot. Waren es am Freitagnachmittag noch 320.000 Unterzeichner, sind es bis Samstagmorgen um 9.39 Uhr schon 523.207 geworden – im 10-Minuten-Takt kommen 4000 bis 5000 dazu.
Gestartet wurde die Petition vom GdP-Landesbezirk Berlin bereits nach Böllerexzessen vor zwei Jahren, wie ein Sprecher erläutert. „Bis 30. Dezember 2024 hatten wir rund 90.000 Unterschriften.“ Seither sei diese Zahl stark gestiegen, vor allem seit dem 1. Januar.
„Jahr für Jahr geben unsere Einsatzkräfte alles, verzichten auf Kosten ihrer Familien auf Silvester, um für andere da zu sein. Dafür riskieren sie ihr Leib und Leben. Denn Böller werden als Waffen gegen sie eingesetzt“, heißt es in der Petition der Gewerkschaft der Polizei. Die GdP fordert ein deshalb ein umfassendes Böllerverbot im Privatbereich und ein Verkaufsverbot an all jene, die damit nicht beruflich zu tun haben.
„Statt Sodom und Gomorrha auf unseren Straßen bedarf es organisierter Veranstaltungen“, heißt es weiter. „Wir wissen, dass das Böllerverbot nicht das ganze Problem der Gewalt gegen Polizei und Feuerwehr löst. Aber es ist ein wichtiger, erster Schritt für mehr Sicherheit für uns Einsatzkräfte in der Silvesternacht.“
Nach der folgenreichen Knallerei mit Verletzten und Sachschäden in der Silvesternacht appelliert die Gewerkschaft der Polizei an den Berliner Senat, auf Landesebene nun alle Möglichkeiten für ein Böllerverbot auszuschöpfen. „Es gibt keine gesetzlichen Hürden, hier etwas zu machen“, sagt GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Sich zurückzulehnen und auf den Bund zu zeigen, reicht nicht aus.“
Änderungen auf Bundesebene wären sicherlich die beste Lösung, sagt er. „Aber Berlin als Land kann und sollte hier auch tätig werden.“ Jendro erinnerte daran, dass der Senat seit einigen Jahren einzelne Böllerverbotszonen ausweise. Dieses Konzept könne man auf die ganze Stadt ausweiten. Die Landesebene könne auch regeln, welche Geschäfte Pyrotechnik anbieten dürfen. „Es gibt also mehrere Stellschrauben für den Senat, um zu handeln.“

Berlins Innensenatorin Iris Spranger hatte am Neujahrstag für ein generelles Böllerverbot in Deutschland plädiert, sieht dabei aber in erster Linie den Bund in der Pflicht. Gleichzeitig fordert die SPD-Politikerin Änderungen im Sprengstoffrecht, die den Bundesländern erlauben, an festgelegten Orten Ausnahmen von dem Verbot zu gestatten. Sie sprach von „Pyroerlaubniszonen“, in denen das Abbrennen von Feuerwerk gestattet ist.
Bundeskanzler: „Ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch“
Doch ein bundesweites Böllerverbot als Reaktion auf Todesfälle und Schäden in der Silvesternacht wird es vorerst nicht geben. „Die richtige Antwort sind nicht bundesweite Feuerwerks-Verbote, sondern mehr gezielte Handlungsmöglichkeiten vor Ort“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) spricht sich gegen ein Böllerverbot aus. Scholz sagte dem Magazin Stern: „Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird. Aber ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch.“ Innenministerin Faeser ergänzt: „Dabei sollte das Ziel sein: Friedliches Feiern und Feuerwerk zu ermöglichen, aber hochgefährliche Silvester-Exzesse zu verhindern.“
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wiederum ist seit längerem gegen ein Böllerverbot, nun sprang ihm auch CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein bei. „Die Böller-Verbotsdebatte geht in die falsche Richtung“, sagt sie. „Nicht unsere Art zu leben, muss sich ändern, weil Einzelne ihre Gewaltfantasien ausleben wollen. Sondern umgekehrt: Niemand darf andere vorsätzlich in Gefahr bringen.“ Der Besitz von illegalem Sprengstoff wie Kugelbomben und bewusste Angriffe auf Menschen müssten härter bestraft werden.
Die Bundesinnenministerin schlägt vor, den Kommunen mehr Handlungsspielräume für lokale Verbotszonen zu geben. Dafür müsse es aber eine Mehrheit unter den Ländern im Bundesrat geben, die bislang fehle. „Hinsichtlich der Gefährlichkeit gibt es große Unterschiede zwischen dicht bewohnten Städten und dem Land – und innerhalb von Städten zwischen einzelnen Brennpunkten und Stadtteilen, in denen friedlich gefeiert wird. Wenn das vor Ort stärker berücksichtigt werden kann, kann es gezieltere Maßnahmen und Kontrollen geben.“
Gegen „Chaoten und Gewalttäter“ an Silvester brauche es vor allem die notwendige Härte von Polizei und Justiz, erklärt Faeser. Deshalb sei es gut gewesen, dass etwa in Berlin mit 400 Festnahmen durchgegriffen worden sei und jetzt Strafverfahren folgen würden. Allerdings: In Berlin wurden zwar rund 670 Ermittlungsverfahren (Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, tätliche Angriffe auf Polizisten, Körperverletzungen und Brandstiftungen) eingeleitet. In U-Haft sitzt jedoch nur ein Verdächtiger, bereits bestraft wurde, etwa in einem Schnellverfahren, noch niemand, wie B.Z. berichtet. ■