„Vergessene“ Wählergruppe

Neue Umfrage: Dieser klare Trend wird die Bundestagswahl entscheiden

Nur minimale Verschiebungen in den Meinungsumfragen täuschen über den wichtigsten Trend hinweg – eine neue Prognose zeigt, was die Wahl am 23. Februar entscheiden wird.

Author - Joane Studnik
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Die CDU-Zentrale wirbt mit einem überlebensgroßen Bild des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, davor hängt ein Plakat der AfD-Kandidatin Alice Weidel. Wählerinnen und Wähler finden beide mehrheitlich inkompetent.
Die CDU-Zentrale wirbt mit einem überlebensgroßen Bild des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, davor hängt ein Plakat der AfD-Kandidatin Alice Weidel. Wählerinnen und Wähler finden beide mehrheitlich inkompetent.imago/dts Nachrichtenagentur

Sind Sie auch der Meinungsumfragen überdrüssig? Ein Prozent mehr oder weniger für CDU, AfD, SPD oder Grüne, kommen BSW, Linke und FDP ins Parlament oder nicht: fast täglich gibt es neue Umfragen, und nichts wirklich Neues geht daraus hervor. Minimale Verschiebungen, leichte Verluste für die Union, die AfD verharrt bei etwa 20 Prozent – und die vermeintliche Aufholjagd von Olaf Scholz und seiner dezimierten SPD bleibt aus. CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fühlt sich trotz heftiger Proteste gegen die gemeinsame Abstimmung mit der AfD bereits als Wahlsieger. Aber ein wichtiges Detail fehlt, das alle Vorhersagen zur Makulatur machen könnte.

Sage und schreibe sechs Meinungsumfragen zur Bundestagswahl sind binnen fünf Tagen veröffentlicht worden, die jüngste am Freitag ist die der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF-Polit-Barometers. Wählerinnen und Wähler stehen davor und fragen sich ratlos, was Ihnen das eigentlich sagen soll: Die Zahlen verharren mehr oder weniger da, wo sie vor Wochen standen. Weder Grüne noch SPD haben demnach massiv zugelegt, Union oder AfD aber auch nicht.

Schock-Umfrage: Befragte halten sämtliche Kanzlerkandidaten für inkompetent

Doch die spannenden Details verbergen sich hinter anderen Fragen: So glaubt laut Forschungsgruppe Wahlen zwar eine deutliche Mehrheit, dass die Union Wahlgewinner sein wird, eine knappe Mehrheit gibt sich aber gleichzeitig unsicher, dass das tatsächlich schon feststeht. Bemerkenswert: Das Interesse an der Bundestagswahl ist mit 84 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 (75 Prozent) massiv gewachsen. Von Politikverdrossenheit ist also nichts zu spüren.

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Erschreckend: Eine klare Mehrheit der Wahlberechtigten hält sämtliche Kanzlerkandidaten für inkompetent – den schlechtesten Wert kassiert in der Umfrage AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel mit 82 Prozent – ein Wert, demzufolge selbst ein Teil der Leute, die AfD wählen würden, die eigene Kandidatin für unfähig halten. Am wenigsten inkompetent halten die Befragten Friedrich Merz mit einer Ablehnung von 57 Prozent. Solche extremen Werte haben Meinungsinstitute in Deutschland noch nie gemessen.

Aber der wohl wichtigste Punkt findet sich verborgen in einer Antwort auf eine scheinbar nebensächliche Frage, die es in sich hat: Haben Sie die Absicht, nicht zu wählen? Die Gruppe der Nichtwähler oder Unentschlossenen ist diejenige, die den Politstrategen am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Die Gründe, warum sie nicht zur Wahl gehen wollen oder sich nicht entscheiden können, bleiben häufig diffus und werden in den veröffentlichten Meinungsumfragen ausgeblendet.

Vergessene Wählergruppe kommt zusammen auf den zweiten Platz hinter CDU/CSU

Das ZDF-Politbarometer zeigt jedoch einen bemerkenswerten Trend, der die Bundestagswahl 2025 wohl mit entscheiden wird: Die Anzahl der Nichtwähler ist seit Mitte 2023 massiv zurückgegangen – gleichzeitig ist aber die Zahl der Unentschlossenen in die Höhe geschnellt. Beide Gruppen addieren sich auf aktuell 28 Prozent. Aber davon sind 20 Prozent Stimmberechtigte, die durchaus vorhaben, zur Wahl zu gehen, ihre Wahlentscheidung aber erst in den letzten Tagen vor dem Wahltag oder vielleicht sogar erst in der Wahlkabine treffen.

Wären sie eine Partei, kämen die Unentschlossenen auf den zweiten Platz, während der Prozentanteil aller anderen Parteien schmelzen würde. Tatsächlich aber ist weitestgehend unklar, wie Unentschlossene letztlich wählen werden. Denn die Unentschlossenheit kommt aus völlig unterschiedlichen Gründen zustande: So hadern einige vormalige CDU-Wähler, den Rechtskurs von Friedrich Merz mitzugehen, fremdeln aber auch bislang mit jeder anderen Partei.

Die Grünen haben viele Sympathien bei Jüngeren verloren, denen deren Kompromisse in der Migrationspolitik viel zu weit gehen. Ob sie am Ende doch noch den Grünen die Stimme geben, oder doch der Linken? Andere Jüngere hatten 2021 die FDP gewählt, die sich als Anwalt für Corona-genervte Studierende gebärdete, dann aber diese Wählerschicht enttäuschte.

Viele Erstwählerinnen und -wähler sind unter den Unentschlossenen zu finden. Die Newcomer Volt zielt ihren Wahlkampf auf diese Wählerschicht ab; einige hadern jedoch damit, einer Kleinstpartei die Stimme zu geben, die voraussichtlich überhaupt nicht ins Parlament kommt. Oder doch? Wenige Prozentpunkte der Unentschlossenen könnten eine Partei wie Volt oder die Tierschutzpartei in den Bundestag hieven, ohne dass irgendeine Meinungsumfrage dies vorhergesagt hätte.

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