Wir im Osten

Ostsee-Sommer in der DDR: Zwischen Sandburg und NVA-Flieger

Wer in der DDR einen Platz an der Ostsee ergattert hatte, konnte sich glücklich schätzen. Aber es gab auch die dunkle Seite der Strandidylle.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Im DDR-Museum wird die Sonderausstellung „Die Ostsee“eröffnet. Diese Sandburg aus Ückeritz wurde im Museum nachgebaut. 
Im DDR-Museum wird die Sonderausstellung „Die Ostsee“eröffnet. Diese Sandburg aus Ückeritz wurde im Museum nachgebaut. DDR-Museum

Im Sommer wollten auch in der DDR alle nur eins: an die Ostsee. Daran muss ich denken, als ich aktuelle Bilder von proppenvollen Ostseestränden sehe. Der Urlaub von heute mit Hotel, Airbnb und Ferienhaus hat mit dem von damals jedoch wenig zu tun. Nur die guten alten Ostseewellen und der feine weiße Sand sind die Alten geblieben und locken jedes Jahr wieder.

Erinnern Sie sich: Was für ein Glückstreffer, wenn die Zuweisung für den Urlaub in einem der FDGB-Ferienheime am Meer kam, oder man schon im Vorjahr eine der wenigen privaten Unterkünfte irgendwo zwischen Zinnowitz und Boltenhagen klargemacht hatte. Aus Sachsen oder Thüringen mussten die Urlauber mit voll gepacktem Kofferraum schon nachts losfahren, um dem Stau in Richtung Norden zu entgehen. Trabi an Wartburg schlängelten sich die DDR-Bürger in Richtung Küste. 

Hier eine originale Badehose des Kurators Sören Marotz
Hier eine originale Badehose des Kurators Sören MarotzSabine Gudath

Eine schöne Gelegenheit, noch tiefer in das Gefühl von damals einzutauchen, bietet eine neue Sonderausstellung mit dem Titel „Die Ostsee – Urlaubsziel, Grenzgebiet, Sehnsuchtsort“ im DDR-Museum. Sie beleuchtet die Frage, welche Bedeutung die Ostseeküste für die Bewohner der DDR hatte. Bester Fun Fact:  Ausstellungsleiter Sören Marotz hat sogar extra seine alte Badehose für die Schau gespendet.

FKK an der Ostsee: kleine Freiheit untenrum

Kein Wunder, dass viele Ostseeurlauber gleich ganz auf die rutschende und zwickende Bade-Bekleidung oben und untenrum verzichteten. Selbstverständlich ist die Freikörperkultur, in Deutschland übrigens schon seit den 1920ern praktiziert, ein wichtiger Bestandteil des DDR-Ostseesommers. 

Badespaß an der Ostsee am FKK-Strand in Prerow auf dem Darß.
Badespaß an der Ostsee am FKK-Strand in Prerow auf dem Darß.Harald Lange/imago

Neben einer eigens nachgebauten Sandburg von der Ostsee, die im Jahr 1969 in Ückeritz entstand, Campingzubehör und Panthenol-Spray gegen den Sonnenbrand, zeigt die Ausstellung aber auch die dunkle Seite des Strandurlaubs. 

Die Künstlerin Linda Blüml hat für die Ausstellung im DDR-Museum eine Sandburg nachgebaut. 
Die Künstlerin Linda Blüml hat für die Ausstellung im DDR-Museum eine Sandburg nachgebaut. Sabine Gudath

Ostsee: Traumziel und bewachte Grenzregion

Die Ostseeküste war Nahtstelle des Kalten Krieges zwischen den beiden Militärblöcken. Nachts war das Betreten des Strandes verboten und an manchen Stellen wurde die Küste mit Scheinwerfern abgesucht, um Fluchtversuche zu verhindern. In der Ostsee starben seit dem Mauerbau 135 Menschen bei dem Versuch, die DDR in Richtung Westen zu verlassen. 

Auf Patrouillenflügen donnerten Jagdbomber des Typs Suchoi Su-22 über die Strandidylle. Das DDR-Museum präsentiert dazu einen originalen Pilotenanzug mit Helm sowie das Flugbuch und die Militärkarte aus dem persönlichen Bestand eines Suchoi-Su-22-Piloten der NVA.

Campingartikel für den Urlaub auf dem Zeltplatz an der Ostsee:  Mückenspray, Wanderkarten und eine Petroleumlampe mussten mit. 
Campingartikel für den Urlaub auf dem Zeltplatz an der Ostsee: Mückenspray, Wanderkarten und eine Petroleumlampe mussten mit. Sabine Gudath

Wer also noch nicht in den Urlaub aufgebrochen ist und sich Lust auf eine Auszeit an der Ostsee holen will, dem sei ein Museumsbesuch empfohlen. 

Im DDR-Museum ist die neue Ausstellung „Die Ostsee – Urlaubsziel, Grenzgebiet, Sehnsuchtsort“ zu sehen.  Mit Alltagsobjekten erinnert man dort an das Sommergefühl zwischen FKK, Sandburgenbau und Hiddensee-Wanderung, aber auch an die dunklen Seiten der Ostsee als Grenzmeer. Täglich geöffnet von 9 bis 21 Uhr.

Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Geschichten aus dem Osten und aus den Berliner Kiezen. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■