Das Lied haben wohl noch alle im Kopf, die in der DDR in den 60ern und 70ern groß wurden: „Ich komme aus dem Märchenland, schnibbel-die-schnabbel-die Scher, bin allen Kindern wohlbekannt und reiste weit umher.“ Wenn dieses Lied am Sonntag um 15.30 Uhr erklang, wussten alle Kinder in der DDR: Der Mittagsschlaf ist vorbei, jetzt gehört der Fernseher mir. Die Sendung mit „Meister Nadelöhr“ ließ Kinderherzen höherschlagen – und machte viele kleine Stars des DDR-Fernsehens erst bekannt. Doch schon Mitte der 70er-Jahre verschwand der beliebte TV-Star von den Bildschirmen. Warum, wussten damals die wenigsten.
Alle Kinder freuen sich, schnibbel-die-schnabbel-die Scher, auf Meister Nadelöhr
1952 ging das DDR-Fernsehen erstmals auf Sendung. Und schon drei Jahre später betrat „Meister Nadelöhr“ die TV-Bühne – angelehnt an das tapfere Schneiderlein der Gebrüder Grimm. Verkleidet mit Schneiderfrack und Schleife um den Hals, mit weißem Hemd, karierter Hose und schmalem Kinnbart hatte Eckart Friedrichson seinen ersten Auftritt in der Schneiderstube. Geboren in Wernigerode hatte sich der damals 25-Jährige schon einen Namen am Berliner Theater der Freundschaft in Lichtenberg gemacht, Ostdeutschlands größter Bühne für Kindertheater.

Friedrichson spielte zwar auch in vielen anderen TV-Produktionen („Egon und das achte Weltwunder“) der DDR mit, doch der Meister Nadelöhr sollte zur Rolle seines Lebens werden. Als Geschichtenerzähler und Moderator. Mit seiner überdimensionalen Zauber-Elle, die als Ersatz für eine Gitarre herhalten musste, sang er sein Lied und erzählte kleine Geschichten, die von allerhand märchenhaften Figuren bevölkert waren. „Die schönsten Märchen kenne ich, und alle, alle Kinder freuen sich, schnibbel-die-schnabbel-die Scher, auf Meister Nadelöhr.“
Was viele heute nicht mehr wissen: Pittiplatsch und Schnatterinchen, die bis heute so beliebten Figuren des DDR-Kinderfernsehens, wurden nicht etwa durch das Sandmännchen, sondern durch Meister Nadelöhr bekannt. Hier, in der Schneiderstube, hatten sie ihre ersten Auftritte. Schnatterinchen tauchte 1959 auf, Pittiplatsch feierte sein Debüt am Sonntag, den 17. Juni 1962. Auch der Bär Mischka, der Hund Moppi oder Clown Ferdinand waren hier erstmals im DDR-Fernsehen zu sehen.

Anfangs hieß die Sendung „Meister Nadelöhr erzählt Märchen“, später wurde sie umbenannt in „Zu Besuch im Märchenland“. Eckart Friedrichson, der in Berlin-Karow in der Lönsstraße wohnte, ging als Meister Nadelöhr auf große DDR-Tourneen, war mehr als 1000-mal im DDR-Fernsehen zu sehen. Doch 1976 verschwand er plötzlich von den Bildschirmen. Der Schauspieler war mit erst 46 Jahren gestorben. Was keiner der Zuschauer wusste: Der Berliner litt seit seinem 13. Lebensjahr an schwerem Diabetes, der dann zu einem tödlichen Herzinfarkt führte. Er soll auch Alkoholprobleme gehabt haben.
Im DDR-Fernsehen: 1976 wird Meister Nadelöhr durch Fabian ersetzt
Die Macher des DDR-Kinderfernsehens mussten schnell reagieren, das Konzept der Sendung wurde geändert. Für die Rolle von Meister Nadelöhr gab es keinen Ersatz, als Moderator für „Zu Besuch im Märchenland“ wurde deshalb 1976 eine neue Rolle eingeführt – Fabian, gespielt von Klaus-Dieter Pleßow (1948 in Berlin geboren), Schauspieler, später auch Kabarettist. Schon als 17-Jähriger spielte der Köpenicker neben Jutta Hoffmann in Herrmann Zschoches Gegenwartsfilm „Karla“ (1965) mit.
Bis 1990, bis zum Ende des DDR-Fernsehens, blieb Pleßow für die Kinder Fabian, moderierte die Kindersendung noch Hunderte Male. Nach 1990 bekam der Berliner aber nur noch kleinere Rollen in TV-Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „In aller Freundschaft“ oder „Im Namen des Gesetzes“, er trat im Kabarett Kartoon auf und war in Werbespots für Fielmann, Doppelherz und Mika zu sehen.
Aber alles ist natürlich nicht vergessen: Die Kinder der 60er und 70er erinnern sich. Und Schnatterinchen, Pittiplatsch und Moppi haben Meister Nadelöhr überdauert und sind bis heute beliebt und regelmäßig in „Unser Sandmännchen“ auch bei RBB & Co. zu sehen. ■