Ich weiß nicht warum, aber irgendwie zieht mich die Kittelschürze aus DDR-Tagen magisch an. Natürlich, als Mann würde ich so etwas nicht anziehen. Aber irgendwie will gerade die DDR-Kittelschütze mit ihren markanten Blümchenmustern nicht mehr aus meinem Kopf.
Alles fing vor einer Woche mit der DDR-Fotoausstellung „Blickwechsel“ in Berlin-Lichtenberg an, über die ich an dieser Stelle schon berichtet hatte. Und dort war ein Bild mit DDR-Arbeiterinnen zu sehen, das mich völlig in meinen Bann zog. Nicht etwa, weil die jungen Damen auf dem Foto so hübsch lächelten. Nee – mein Blick ruhte auf den Kittelschürzen, die die Frauen trugen.
Diese Kleidungsstück, das auch meine Mutter und deren Mutter in den 70er-Jahren im Haushalt trug, und mit ihnen gefühlt fast jede Frau im Osten, scheint irgendwie als Synonym für den Arbeiter-und-Bauern-Staat zu stehen – wie der Trabi oder der Broiler. Und so wollte ich mehr über die Kittelschürze erfahren und fragte im Berliner DDR-Museum nach.

Ist die DDR-Kittelschürze wirklich ein Ost-Phänomen?
Wie der Zufall es will, hat das Museum gerade eine Neuausgabe des Buches „DDR-Führer – Reise in einen vergangenen Staat“ herausgebracht, in dem natürlich auch die Kittelschürze nicht fehlen darf. Aber in dem Beitrag wird schnell mit dem Mythos aufgeräumt, dass das Teil nur ein DDR-Phänomen war. Schließlich trugen die Frauen im Westen so etwas auch. Und die jüngeren Frauen im Osten trugen sie gar nicht, hatten bei der Heimarbeit lieber Jeans und T-Shirt an. So steht es in dem Buch.
Meine Recherchen ergaben, dass die Kittelschürze sogar eine Erfindung der Amis ist. Der Chef einer US-Getreidehandelsgesellschaft brachte sie während des Ersten Weltkrieges auf den Markt und wurde ein Erfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg schwappte die Mode nach Europa. Nicht nur Ost- und Westfrauen trugen diese Teile bei der Arbeit im Werkhallen oder daheim, auch Italienerinnen und Britinnen. Und dennoch klebt die DDR-Marke weiterhin an der Kittelschürze.
Vielleicht liegt es daran, dass dieses Kleidungsstück, das ursprünglich aus Baumwolle gefertigt wurde, nun aus einer billig zu produzierenden Chemiefaser herstellte. In den USA nannte man sie Nylon, Perlon in der BRD und Dederon im Osten. Damit trugen die Frauen bei uns quasi die DDR am eigenen Körper. Denn Dederon war die sprachlich künstlerische Erweiterung von DDR.
DDR-Kittelschürze: Die Amis haben sie erfunden

Nun hätte die DDR-Kittelschürze mit dem Ende des Staates auch Geschichte sein können. Aber seit 1990 sorgt der Leipziger Thomas Rohland (55) dafür, dass sie wohl nie aus der Mode kommen wird.
Am Telefon erzählt mir der Händler, wie er die guten Schürzen erst auf Märkten und nun auch im Internet auf seinem Portal schuerzenfabrik.de und bei Amazon verkauft. Zwischen 12 und 34 Euro kosten diese und sind alle aus Dederon, wie mir Rohland versichert.

Die DDR-Kittelschürze: Leipziger sorgt dafür, dass es sie noch immer gibt
In Deutschland werden sie schon längst nicht mehr produziert, dafür aber in Polen, vor Kurzem noch in Tschechien. Sogar in Vietnam habe man sich auf Dederon-Schürzen spezialisiert. Allerdings lassen die Muster von dort noch auf sich warten, wie Rohland sagt.
Die Nachfrage nach der DDR-Kittelschürze sei recht groß, erklärt er. Allerdings werden sie meist von älteren Frauen bestellt. Wenn diese Kundschaft einmal nicht mehr ist, so befürchtet der Händler, wird es auch mit der DDR-Kittelschürze vorbei sein.
Daran mag ich ja nun gar nicht glauben. Schließlich wiederholt sich die Mode ständig und Totgesagte leben länger, wusste ja auch schon Erich Honecker. Und so wird uns die DDR-Kittelschürze wohl noch lange erhalten bleiben.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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