Wer heute arbeitet, geht wahrscheinlich eher mit 67 als mit 65 Jahren in Rente, die nach 1964 Geborenen auf jeden Fall. Wie gut hatten es da die DDR-Bürger, selbst wenn die Durchschnittsrente im Osten nur bei 425 Mark lag. Besonders Frauen hatten einen Vorteil. Für sie kam sogar die Rente mit 60 Jahren infrage. Die DDR wollte ihre Bürger eben umfassend versorgen. Die große Frage ist: Wie hat die DDR das finanziell geschafft?
In der DDR war die Einführung der „Rente mit 60“ für Frauen ein bemerkenswerter Akt des sozialistischen Rentensystems. Die Maßnahme spiegelte die tiefe Verwurzelung der DDR-Politik in staatlicher Planung und sozialer Absicherung wider. Aber nicht nur das. Sie war eng mit den ideologischen und gesellschaftlichen Zielen des Landes verknüpft. Klingt merkwürdig, ist für die DDR aber durch logisch gewesen. Die Umsetzung dieser Frühverrentung für Frauen beruhte auf mehreren wesentlichen Faktoren, die es der DDR ermöglichten, diesen Schritt zu gehen.
Im Mittelpunkt stand die zentral gesteuerte Wirtschaft der DDR. In einer Staatswirtschaft, in der der Staat die Fäden in der Hand hielt, war es möglich, Renten und Sozialleistungen ohne Rücksicht auf marktübliche Zwänge wie Rentabilität oder Wettbewerbsfähigkeit festzulegen. Dieser Planungsansatz verschaffte der DDR eine finanzielle Sicherheit. Das war in westlichen Marktwirtschaften so kaum denkbar. Auch wenn es dort ebenfalls eine Altersrente für Frauen gab, die Hürden für die Rente mit 60 lagen im Westen deutlich höher.
Ein weiterer wichtiger Faktor war die außergewöhnlich hohe Erwerbsquote von Frauen in der DDR. In der DDR wurde Gleichstellung nicht nur proklamiert, sondern aktiv gelebt. Frauen waren fester Bestandteil des Arbeitsmarktes und trugen durch ihre Beiträge zur Stabilität der Rentenkassen bei. Diese breite Beteiligung ermöglichte es dem Staat, die Rente mit 60 für Frauen zu verwirklichen.

Zudem war die DDR-Rente in ein umfassendes System sozialer Sicherung eingebettet, das typisch für die DDR war. Dieses Netz umfasste nicht nur die Altersvorsorge, sondern auch Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und weitere soziale Leistungen. Dadurch wurden Frauen entlastet, was ihnen einen früheren Ruhestand ermöglichte, ohne dass sie finanzielle Nachteile befürchten mussten.
Rente mit 60 sorgte für Platz für Jüngere
Ein weiterer Gedanke hinter der DDR-Rente mit 60 war, Platz für die jüngere Generation zu schaffen. Was heute absurd klingt, weil in vielen Branchen Facharbeiter fehlen, war in der DDR gelebtes Brauchtum. Indem ältere Frauen früher in den Ruhestand gingen, konnten jüngere Arbeitskräfte nachrücken. Das trug zu einer stabilen Erwerbsquote bei. Zumindest, wenn man vergisst, dass die „stabile Erwerbsquote“ natürlich geschönt war. Einige Arbeitsplätze in der DDR waren oft doppelt und dreifach besetzt (verdeckte Arbeitslosigkeit). Aber natürlich gab es vielerorts auch einen Mangel an Arbeitskräften. Zum Beispiel im Automobilwerk Eisenach, wo vermehrt Arbeitsplätze ausdrücklich für Frauen geschaffen wurden.
Nicht zuletzt war die Frühverrentung für Frauen aber auch eine ideologische Entscheidung. Die DDR präsentierte sich als sozialistischer Wohlfahrtsstaat, der das Wohlergehen seiner Bürger in den Mittelpunkt stellte. Diese Maßnahme sollte das Vertrauen in den Staat stärken und die Bevölkerung noch enger an das System binden. Funktioniert hat es am Ende nicht. Denn die Finanzierung dieses Modells war langfristig nicht haltbar.
Staatliche Subventionen für Rente mit 60
Die Rente mit 60 basierte stark auf einer nahezu vollständigen Erwerbstätigkeit und massiven staatlichen Subventionen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das System weitgehend überarbeitet, denn in einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft war es einfach nicht tragfähig. Trotzdem bleibt die Rente mit 60 ein faszinierendes Beispiel für den sozialen und ideologischen Ehrgeiz der DDR. Und viele werden mit Wehmut auf eine Zeit zurückblicken, in der man nicht bis zum Umfallen ackern musste, sondern auch schon mit 60 die Früchte des Lebens ernten durfte.
Übrigens: Laut einer Statistik der Rentenversicherung bekamen Frauen im Osten im Jahr 2022 erheblich mehr Rente als jene im Westen. Rund 300 Euro mehr hatten sie zum Leben. Aber: Tausende Hausfrauen, die in der DDR von ihren Männern geschieden wurden, leben heute in Altersarmut. Auch das gehört zur Wahrheit der Renten-Wende. Ebenso wie die Tatsache, dass „viele in der DDR erworbenen Rentenansprüche“ nicht anerkannt wurden, wie Gregor Gysi im Mai dieses Jahres monierte, sie wurden „höchstens als regelmäßig abzuschmelzende Sozialleistungen gezahlt“.
Wer das Thema vertiefen möchte, dem empfiehlt der Berliner KURIER das Buch von Christoph Kleßmann, „Arbeiter im ,Arbeiterstaat‘ DDR“, Erfurt 2014.
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