Seine DDR-Krimis sind bis heute Kult. Erinnern Sie sich noch an „Auf offener Straße“ oder „Das geomantische Orakel“? Dabei hatte Hartmut Mechtel einst als einfacher Redakteur angefangen. Und mit seinen DDR-Verlegern lag er ständig im Clinch. Trotzdem wurde er im Schreiben so gut, dass er nach der Wende prima von den Einnahmen aus seinen Büchern leben konnte.
Hartmut Mechtel – ein Name, der in der deutschen Literaturszene längst einen festen Platz hat. Schon direkt nach dem Abitur 1967 verschrieb er sich dem Schreiben und begann als Volontär bei der Tageszeitung „Märkische Volksstimme“ in Potsdam. Dort schnupperte er das erste Mal die Luft des Journalismus, sie ließ ihn nicht mehr los. Nichts Besonderes also, dass er wenig später an der renommierten Karl-Marx-Universität in Leipzig Journalistik studierte. Von 1970 bis 1974 schärfte er dort seine Federspitze, bevor er sich in die Welt der Lokalredaktion stürzte.
In Altentreptow, einer idyllischen Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern, schrieb er bis 1978 für die „Freie Erde“ über alles, was den Menschen vor Ort am Herzen lag. Doch Mechtel wollte mehr, wollte seiner Kreativität freien Lauf lassen. Er tauschte das Redaktionsbüro gegen das aufregende Leben als freier Autor, Kritiker und Schauspieler – und legte damit den Grundstein für eine beeindruckende DDR-Karriere.
In den folgenden Jahren machte er sich vor allem als Autor von Science-Fiction-Geschichten und spannenden DDR-Krimis einen Namen. Seine Geschichten entführen in Welten, die fesseln und faszinieren. 1987 gelang ihm ein weiterer Coup: Der fantastische Marionetten-Fernsehfilm „Die Paradiesinsel“ für Kinder lief im Fernsehen und zog das junge DDR-Publikum in seinen Bann.
DDR-Autor Hartmut Mechtel auch nach dem Mauerfall erfolgreich
Aber damit nicht genug – Mechtel zeigte auch nach dem Mauerfall, was er draufhat. Sein Roman „Der unsichtbare Zweite“ schlug 1997 hohe Wellen und brachte ihm den Friedrich-Glauser-Preis ein, eine der höchsten Auszeichnungen für deutschsprachige Krimis. Dabei blieb es nicht, denn Mechtel ist ein Multitalent: Er schreibt nicht nur Romane, sondern auch Drehbücher, Hörspiele und Essays. Unter dem Pseudonym Dirck van Belden veröffentlichte er 1988 sogar einen historischen Roman, den er gemeinsam mit Otto Emersleben schrieb – „Strandrecht“ ist ein packender Schmöker, der in der Reihe „Spannend erzählt Bd. 213“ veröffentlicht wurde.
Ein besonderes Highlight seiner Karriere ist die Parr-Trilogie, die aus den drei Krimis „Der unsichtbare Zweite“, „Das Netz der Schatten“ und „Die Spitze des Kreises“ besteht. Diese Reihe sorgte für Furore und brachte ihm 2001 den Berliner Krimifuchs ein. Im Zentrum steht ein Mann in den besten Jahren, der fest davon überzeugt ist, seine Identität verloren zu haben – bis er schnallt, dass er vielleicht nie wirklich eine hatte. Verschwörungen, Geheimdienste und echte Leichen begleiten ihn auf seinem düsteren Weg.
DDR-Kultautor Hartmut Mechtel ist ein Tausendsassa geblieben, der sich in vielen Genres zu Hause fühlt und immer wieder mit neuen, packenden Ideen überraschte. Seine Geschichten blubbern vor Lebendigkeit, seine Charaktere sind vielschichtig und seine Werke bleiben lange im Gedächtnis haften. Wer einmal in eine seiner Erzählungen eintaucht, wird so schnell nicht wieder losgelassen.
DDR-Verleger hatten an Hartmut Mechtel schwer zu knabbern
Absehbar war das zunächst nicht, denn die DDR-Verleger mochten ihn nicht immer. In einer autobiografischen Notiz schreibt Hartmut Mechtel: „Meinen neueren Produktionen war zunächst auch kein Erfolg beschieden. Ich sah die DDR zu unkonventionell, und ästhetische Schwächen machten den Verlagen die Ablehnung leicht. Bis ich mich dann auf die Krimi-Produktion verlegte, weil der renommierten DIE-Reihe durch Krankheit und Tod ein paar Stamm-Autoren ausgefallen waren und Nachwuchs die Lücken füllen musste. Da wurde ich endlich ein gedruckter Autor.“

Zwei Krimis erschienen ohne größere Probleme. Der dritte dagegen lief sich 1988 im Verlag fest. Mechtel: „Darin wird ein höherer Funktionär ermordet, die Tat aus dessen Vergangenheit begründet, in der er zwecks Aufstieg selber über Leichen gegangen war, und ich zeigte viel Verständnis für den Mörder. Meine Lektorin hielt das Manuskript für ästhetisch nicht ausgereift. Sie verlangte eine neue Fassung. Ich schrieb sie. Sie missfiel wieder.“
Diesmal gab es ein Gespräch mit der Cheflektorin. „Ich zeigte mich halsstarrig, und da holte die Cheflektorin ein Blatt Papier vor und redete Klartext. Es gehe weniger um die Story als vielmehr um zahlreiche kleine böse Worte. Was soll das heißen, das ,Jade‘ im Palasthotel Berlin ein ,Restaurant für Weiße‘ zu nennen? Und das Marx-Engels-Denkmal gegenüber heiße im Volksmund zwar tatsächlich ,Sakko und Jacketti‘, aber das aufzuschreiben sei geschmacklos, denn die beiden seien bekanntlich ermordet worden (sie meinte wohl Sacco und Vanzetti). Und so weiter.“
DDR-Legende Hartmut Mechtel sah die DDR zu unkonventionell
Als Mechtel sich bereiterklärte, ein paar der inkriminierten Begriffe streichen zu wollen, „erklärte sie sich im Gegenzug bereit, die zu erwartende nächste Fassung anzunehmen. Erschienen ist das Buch ,Unter der Yacht‘ dann doch erst 1991, als sich nicht nur die Ästhetik geändert hatte“.
Wieder Lust bekommen auf den DDR-Kultautor Hartmut Mechtel? Dann hier eine kleine Textprobe für alle, die von seinem Sound nicht genug kriegen können: „Keuchend rannte das Kind, so schnell es konnte, doch es kam nicht vom Fleck, als wären die Schuhsohlen aus Eisen. Die riesenhaften Füße des gesichtslosen Verfolgers kamen näher und näher, und das Kind erwachte. Zitternd lag es in seinem Bett. Die Blätter der Linde vor dem Fenster bewegten sich im Nachtwind, ließen Laternenlichtpunkte über den Vorhang huschen. Das Kind hatte das schon oft gesehen, doch jetzt erschien es ihm unheimlich. Standen da Riesen vor dem Fenster und versuchten, mit Taschenlampen hineinzuleuchten? ...“ (aus „Auf offener Straße“, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1986). ■