Kolumne „Wir im Osten“
In Kittelschürzen oder „oben ohne“: So feierte die DDR wirklich
Eine Fotoausstellung in Jena zeigt private Einblicke in den Alltag des Ostens, den manche schon wieder vergessen haben.

Es gibt Bilder, die bekommt man einfach nicht aus seinem Kopf. Etwa beim Thema, wie in der DDR Feste gefeiert wurden. Da denkt man sofort an die bunten Fotos, die zeigen, wie die Menschen jubelnd an Republik-Geburtstagen, dem 1. Mai, bei den Weltfestspielen der Jugend 1973 oder anderen ähnlichen Anlässen im Sinne der Partei- und Staatsführung gefeiert haben. So geht es mir jedenfalls.
Vielleicht war ich in den 80er-Jahren noch zu jung, um mich heute genau daran zu erinnern. Aber es gibt tatsächlich noch andere Bilder, die zeigen, wie wir in der DDR wirklich gefeiert haben, jenseits von staatlichen Normen und Kontrollen. Entdeckt habe ich sie in der Ankündigung zur Fotoausstellung „Der große Schwof – Feste feiern im Osten“, die gerade in der Kunstsammlung Jena zu sehen ist. Und ich war ehrlich erstaunt, als ich einige dieser Bilder genauer betrachtete.
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Junge Leute, die im Keller tanzen, ältere Paare, die eng umschlungen vor Lauben einer Ost-Berliner Kleingartenkolonie ein Tänzchen wagen, vielleicht sogar an einem 1. Mai. Nur fehlen die DDR-Fahnen und die üblichen Losungen. Stattdessen prangen alte Reklameschilder an der Laube.
Andere Fotos zeigen, wie in einer Dorfdisco die Post abging. Mit Sicherheit wurde dort nur Westmusik gespielt. Es gibt ein Bild, das mich irgendwie an eine Zille-Zeichnung erinnert. Ein Karnevalstanz in einer Eckkneipe in Prenzlauer Berg ist zu sehen, wo ein Pärchen so richtig Schwung holt, während ein anderer Feiernder wegen des Genusses von Schnaps und Sekt schon mit seinem Kopf fast auf dem Tisch liegt.

Feiern, Tanzen, Trinken: Fotoschau zeigt den„ anderen“ DDR-Alltag
Putzmunter sind dagegen die kostümierten Frauen und Männer, einer trägt sogar Häftlingskleidung, die einen Mini-Karnevalsumzug durch Dresden vollführen. Es gibt in der Schau Bilder von Dorffesten mit Frauen in Kittelschürzen. Das Gegenteil liefern Fotos aus dem legendären Ost-Berliner Café Nord, wo Mädels im 80er-Jahre-Chic tanzen, oder sich in einem anderen Etablissement oben ohne zeigen. Ich bin erstaunt: Offenbar gab es auch im Mauerland DDR Striptease-Vorführungen, wenn die Obrigkeit nicht zuschaute.
Über 300 Fotos sind in der Ausstellung in Jena zu sehen, die in den 80er-Jahren entstanden. Geschossen von bekannten DDR-Fotografen wie Ute Mahler (das legendäre Silly-Album-Cover zu „Bataillon d’Amour“ stammt von ihr), Sibylle Bergemann, Harald Hirsch oder Harald Hauswald, die für ihren besonderen, sehr privaten Blick auf die DDR und ihre Menschen bekannt sind.

Feiern, Tanzen, Trinken – was die Fotos zeigen, ist der real existierende DDR-Sozialismus pur. Zu sehen bekam sie offiziell keiner. Denn was sich da in Kneipen, in Kellern, in Laubenkolonien abspielte, war nicht das, was den SED-Machthabern gefallen hätte, obwohl so mancher von ihnen in der Bonzen-Siedlung Wandlitz auch ganz ordentlich auf den Putz gehauen haben soll.

Denn die Bilder zeigen eine deutliche Wahrheit, die die DDR-Obrigkeit nicht sehen wollte: Wie ihr Volk versuchte, mit privaten und oft spontanen Feten aus der Enge des DDR-Alltages zu entfliehen – in ein anderes Leben jenseits von politischen Ideologien und Kontrollen. Beim Feiern fühlte man sich frei.
Ich bin jedenfalls baff, als ich diese Fotos sehe, die mich zurück in die Vergangenheit des Ostens holen. Die Schau in Jena (Markt 7, dienstags bis sonntags von 10–17 Uhr offen) ist noch bis zum 15. Oktober zu sehen. Dann zieht die Ausstellung weiter. Im kommenden Jahr soll sie im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus gezeigt werden.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com