145 Meter lang, fast 20 Meter breit und 24 Stundenkilometer schnell: Das war der DDR-Tanker „Böhlen“, in Leningrad gebaut, der für eine der größten Schiffskatastrophen der ostdeutschen Handelsschifffahrt sorgte. Im Oktober 1976 ging der Öltanker an der französischen Atlantikküste unter. 26 Menschen überlebten das Unglück nicht. 48 Jahre nach seinem Untergang sorgt der DDR-Tanker nun für die nächste Katastrophe. Denn an der französischen Küste kommt jetzt offenbar ein Teil des Öl-Drecks hoch, den das Schiff damals geladen hatte.
Wildes Meer, schroffe, steinige Küstenlandschaft und schöne Sandstrände: Die bretonische Küste gehört zu den Touristen-Magneten der Frankreich-Besucher. Und dort liegt auch der DDR-Tanker „Böhlen“ Hunderte Meter tief auf dem Grund des Atlantischen Ozeans. Vor der Halbinsel von Crozon liegt genau das Grab des Schiffes.
10.000 Tonnen Rohöl hatte der Tanker geladen. Er kam aus Venezuela und befand sich auf dem Heimweg nach Rostock. Am 14. Oktober 1976 passierte das Schiff das klippenreiche Gebiet der bretonischen Küste zwischen dem Pointe du Raz (Kap der Strömung) und der Insel Ile de Sein. Gegen 4 Uhr morgens geschah das Unglück: Der Tanker lief auf einen Unterseeberg auf und schlug leck.
Das Unglück ist den Bretonen noch immer in guter Erinnerung. Von den geladenen 10.000 Tonnen Rohöl konnte nicht alles aus dem Schiffswrack abgepumpt werden. Über 2000 Tonnen flossen aus dem Tanker ins Meer. Die damalige Ölverseuchung hatte ein neunzehnjähriges Fischfangverbot zur Folge, das viele Fischer in diesem Gebiet hart traf.
Der Untergang des DDR-Tankers Böhlen: Öl-Reste in der Bretagne aufgetaucht
Und nach all den Jahren ist die Katastrophe wieder da. Denn am Pointe du Raz tauchten jetzt an der Küste Ölspuren auf, die von den Hinterlassenschaften des DDR-Tankers stammen sollen. Das berichtet die französische Zeitung „Le Télégramme“.

Die Spuren, die da an der Küste nahe einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zu Tage kamen, stammten offenbar von Ölresten, die damals nach der „Böhlen“-Katastrophe an Land geschwemmt wurden. Mit Schaufeln und Eimern bewaffnete Soldaten hatten beim Säubern des Küstenabschnittes, das Monate gedauert haben soll, insgesamt 120 Tonnen Ölschlamm unters Erdreich gegraben – zum Teil in Säcken.
Laut Medienberichten wurde der Küstenabschnitt, an dem das dreckige Erbe des untergegangenen DDR-Tankers gefunden wurde, gesperrt. Das Gebiet soll noch in diesem Jahr entseucht werden.
Die Schiffskatastrophe von einst: Nur elf Menschen, die an Borde des Tankers waren, hatten das Unglück überlebt. Sie wurden von Fischern, die mit ihren Schiffen unterwegs waren und von der Küstenwache gerettet. Unter den 26 Toten befanden sich auch der Kapitän und mehrere Offiziere der „Böhlen“. 16 Leichen konnten geborgen werden.
Bis heute ist unklar, wie es zu dem Unglück kommen konnte. In einem Dokumentarfilm über den Untergang der „Böhlen“ wird erklärt, dass die Brückenbesatzung wohl unter Alkoholeinfluss gestanden hätte, als das Schiff in dem Klippengebiet vor der bretonischen Küste unterwegs war.
Brisant war, dass der Kapitän zunächst Rettungsangebote abgelehnt hatte, die von den Franzosen und von einem westdeutschen Schiff kamen, das sich in der Nähe der leckgeschlagenen „Böhlen“ befand. Überhaupt wurde viel zu spät der SOS-Notruf gesendet.
Möglich, dass die Schiffsführer die Lage offenbar nicht richtig eingeschätzt hatten. Außerdem versuchten sie, das beschädigte Schiff zunächst in internationale Gewässer zu bringen. Denn eine mögliche Ölverschmutzung westlicher Gewässer durch ein DDR-Schiff war politisch brisant. Der Untergang der „Böhlen“ und die Folgen sind der Beweis dafür. ■