TV-Hit des Ostens
Der Star aus „Zur See“: Das wurde aus dem DDR-Traumschiff „MS Fichte“
Brand in Warnemünde, Kuba-Krise und Militär-Putsch in Chile: Das sind die wahren Abenteuer des legendären Fernseh-Frachters, der in Pakistan als Schrottkahn endet.

Es war das Traumschiff des DDR-Fernsehens. Der Frachter „MS J. G. Fichte“, der 1977 in der legendären TV-Serie „Zur See“ mit dem unvergessenen Horst Drinda (starb 2005) als Kapitän Karsten zu sehen war. Noch immer schaut man sich die neun Folgen des damaligen „Straßenfegers“ in Wiederholungen an, wie jetzt im Bezahlkanal ARD 1 Plus. Dabei fragen sich viele Zuschauer: Was ist eigentlich aus dem DDR-Frachter geworden, der sogar Vorbild für das ZDF-„Traumschiff“ war?
Der KURIER ging auf Spurensuche und erfuhr im Schifffahrtsmuseum Rostock die wahre Geschichte des legendären Schiffes. Das Schicksal der „Fichte“ würde heute genug Stoff für eine neue TV-Serie bieten.
Was kaum einer weiß: Das DDR-Traumschiff ist ursprünglich ein waschechter Franzose. Am 31. Oktober 1948 läuft es in einer Werft in Saint-Nazaire vom Stapel, wird nach dem französischen Arzt Claude Bernard (1813 – 1878) benannt.
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Die Besonderheit des über 163 Meter langen Bootes, das von 11.000 PS starken Dieselmotoren angetrieben wird und eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 26 Stundenkilometern erreicht: „Es war eine Kombination aus einem Fracht- und Passagierschiff“, sagt Museumssprecher Ronald Piechulek. „Schließlich wurde es für Liniendienste nach Südamerika eingesetzt. Zeitweise beförderte die Bernard auch Passagiere und Waren in die damaligen französischen Kolonien nach Afrika.“

Das ging so bis 1962. Dann interessiert sich die DDR für das Schiff. Am 7. August 1962 übernimmt der VEB Deutsche Seereederei Rostock die Bernard, die nach dem Dichter Johann Gottlieb Fichte benannt und das dritte Ausbildungsschiff der ostdeutschen Handelsflotte wird. Die „Fichte“ ist nun als schwimmendes Klassenzimmer auf Fahrten nach Kuba und Mexiko im Einsatz, hat Platz für 170 Lehrlinge. Auch nautische Offiziere und Funkoffiziere werden an Bord ausgebildet.
Auf den Reisen erlebt das spätere TV-Schiff bereits filmreife Abenteuer. So geriet die „Fichte“ und ihre Besatzung im Oktober 1962 in die Wirren der Kuba-Krise. Die USA hat in der Türkei Mittelstreckenraketen stationiert. Die Sowjets wollen nun als Antwort ihre Raketen auf Kuba aufbauen. Als die Sowjets die Waffen per Schiff zu der Insel bringen, droht US-Präsident John F. Kennedy mit dem Einsatz von Atomwaffen, schickt Militärschiffe in die Karibik. 13 Tage lang dauert die Krise, die die Welt an den Rand eines Dritten Weltkrieges bringt. Dann lenken die Großmächte ein.
Kuba-Krise und Putsch in Chile: Die wirklichen Abenteuer des DDR-Traumschiffes „MS Fichte“
In dieser Zeit liegt die „Fichte“ im Hafen von Havanna. Das Rostocker Schifffahrtsmuseum hat dazu Berichte einstiger Besatzungsmitglieder im Archiv. So erinnert sich der spätere Kapitän Ulli Günther: „Es war allerhand Militär in Havanna. Einige Flakgeschütze standen auch dort rum. Aber die kubanische Bevölkerung war euphorisch und freute sich über uns.“ Dass die Lage „so bedrohlich war, das haben wir nicht mitbekommen“.
Abenteuerlicher ging es 1973 zu, als das DDR-Schiff in Chile während des Militärputsches ist. Medikamente und Nahrungsmittel sollten von Bord gebracht werden. „Wir wurden vom Putsch der Militärtruppen überrascht. Es war einfach grauenvoll“, berichtet der damalige Vollmatrosenlehrling Volker Boschek. „Wir erlebten mit, wie militärische Flugzeuge unweit von uns nach Santiago de Chile flogen und nahmen auch die Einschläge der abgeworfenen Fliegerbomben mit blankem Entsetzen wahr. Wir mussten alle Fenster und sonstigen Öffnungen auf dem Schiff verschließen, um einen eventuellen Kugelhagel abwehren zu können.“
In der Heimat steht das DDR-Schiff sogar in Flammen. 1967, als die „Fichte“ in Warnemünde im Hafen liegt, bricht Feuer im Maschinenraum aus. Ein Millionenschaden entsteht. Mühevoll wird das Schiff wieder instand gesetzt. Die Brandursache bleibt bis heute ungeklärt, so Museumssprecher Piechulek.

Am 4. August 1974 beginnt für die „Fichte“ das nächste Abenteuer. An Bord wird die Fernsehserie „Zur See“ gedreht. Stars wie Horst Drinda, Günter Naumann („Polizeiruf 110“) und Erik S. Klein („Aber Vati!“) spielen die Hauptrollen in dem Neunteiler, der 1977 erstmalig gezeigt wird.
Die Idee stammt von der Auslandskorrespondentin Eva Stein, die ihre Erlebnisse von einer Reise mit einem DDR-Handelsschiff nun für die „Zur See“-Folgen umsetzt. Eine Serie über so eine Mannschaft, dazu exotische Drehorte in Fernost und auf Kuba – die Serie wird ein Renner. Für die DDR-Handelsmarine ist sie die beste Werbung, um Personal zu bekommen. Zwar ist die Zahl der Bewerber groß. Doch viele dürfen wegen ihrer „Westverwandtschaft“ nicht Seemann werden. Man hat Angst, dass Besatzungsmitglieder flüchten, wenn die Schiffe im kapitalistischen Ausland unterwegs sind.
Die Serie hat Einschaltquoten bis zu 60 Prozent. In der DDR werden sogar Bastelbögen verkauft, aus denen sich Kinder die „Fichte“ aus Kartonpapier zusammenkleben können.
DDR-Frachter wird Vorbild für das ZDF-Traumschiff

Sogar im Westen sieht man die Ost-Serie. Und das hat Folgen. Der Westberliner TV-Produzent Wolfgang Rademann (starb 2016) ist von der DDR-Serie so begeistert, dass er daraus die Idee für das ZDF-„Traumschiff “ entwickelt, wie er in Interviews immer wieder erzählte.
„Die gezeigten Geschichten vom Leben auf dem DDR-Schiff waren sehr nah am wirklichen Geschehen“, sagt Museumssprecher Piechulek. Allerdings wird auch einiges verschwiegen. Etwa, dass sogenannte Sicherheitsnadeln an Bord sind – Mitarbeiter der Stasi.

Das Ende des DDR-Traumschiffes ist nicht so traumhaft. So bricht 1978 auf einer Reise die Ruhr unter der Besatzung aus. Die „Fichte“ muss die Reise abbrechen, kehrt nach Rostock zurück. Wer sich infiziert hatte, kommt sofort ins Krankenhaus.
1981 endet die Geschichte des DDR-Traumschiffes auf einer Abwrackwerft

Im Sommer 1979 ist für das Schiff im Dienste der DDR für immer Schluss. Der Kahn ist schrottreif. „Die Besatzung taufte schon den Namen von Johann Gottlieb Fichte in ,Schrottlieb Fichte‘ um“, sagt der Museumssprecher. Das DDR-Traumschiff wird an eine Reederei in Panama verkauft und in „Sunrise“ umbenannt. Unter diesem Namen ist es auch ab und zu im Rostocker Hafen zu sehen.
Ab 1980 erhält die „Fichte“ wieder neue Namen. Erst ist sie als „Sunrise IV“ unterwegs, dann tritt das DDR-Traumschiff als „Pegancia“ seine letzte Reise an. Zum Abwracken wird der Schrottkasten im Mai 1981 nach Gadani (Pakistan) geschleppt. Dort findet die „Fichte“ auf einer Werft ihr Ende.
Das Schifffahrtsmuseum in Rostock hält die Erinnerungen an die große Zeit der DDR-Handelsflotte wach. 2018 gibt es sogar eine Sonderausstellung zu dem DDR-Traumschiff. Das Museum befindet sich im Iga-Park auf dem ehemaligen Frachter „Dresden“, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro, Kinder (7-14 Jahre) zahlen 4 Euro.