Seit 20 Jahren ist er der Präsident des 1. FC Union Berlin. Dirk Zingler (60), der den einzigen ostdeutschen Fußballklub leitet, der derzeit in der Bundesliga spielt. Über ostdeutsche Befindlichkeiten spricht er auch jetzt in einem Interview, das er der Berliner Zeitung gab. In dem Gespräch rechnet er nicht nur mit dem Westen, auch mit der derzeitigen Gesellschaft in Deutschland ab.
Zingler ist eigentlich ein Mann, bei dem es normalerweise stets um Fußball geht. Doch wer ihn kennt, weiß, dass der Union-Präsident auch Stellung zu politischen Themen nimmt und für Dinge, die die Menschen im Land bewegen, deutliche Worte findet. So auch jetzt in dem Interview.
„Bei uns spüren die Menschen, dass es um sie geht. Wir halten ein, was wir verabredet haben“, sagt Zingler in Bezug auf den Berliner Kultverein. Aber anders sei das derzeit in der deutschen Politik. „In unserem Land gibt es ja gerade einen großen Realitätsverlust. Wir benehmen uns wie in den letzten Jahren der DDR. Genau so.“
Der Union-Boss nennt Beispiele: „Es läuft wirtschaftlich schlecht, wir schicken Leuten die Polizei auf den Hals, weil sie ,Schwachkopf‘ sagen.“ Zingler meint damit die Hausdurchsuchung bei einem 64-Jährigen, der in den sozialen Medien Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Wort „Schwachkopf“ beleidigt haben soll. Zingler ärgert es. „Die Elite und das Volk leben aneinander vorbei. Aber das Volk ist ja nicht doof.“
Ein weiteres Beispiel, über das sich Zingler ärgert, ist der Abriss des Jahnstadions, einer Arena aus DDR-Zeiten. Erst kam der Abriss-Stopp per Gerichtsurteil wegen nistender Spatzen, nun fehlt dem Senat das Geld zum Fortführen der Arbeiten.
Der Union-Präsident sagt dazu: „Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass der Abriss des Jahn-Sportparks auf 2026 verschoben wurde. Jetzt, nachdem sie mit dem Abriss begonnen und das Stadion spielunfähig gemacht haben. Und zwar, weil wir, eines der reichsten Länder der Welt, nicht genug Geld für Sportstätten haben. Vieles funktioniert gerade nicht in Deutschland.“
Union-Boss Dirk Zingler: „Viele, die in der DDR Erfolg hatten, durften nach der Wende nicht mehr erfolgreich sein“
Auch nicht im deutsch-deutschen Verhältnis. Zingler führt unter anderem die deutlichen Unterschiede zu den Bundesligavereinen aus dem „Westen“ an und sagt, er sei zu müde, um Westdeutschen immer wieder Ostdeutschland zu erklären.
Und weiter über den 1. FC Union: „Wir sind nicht erfolgreich, weil wir aus Köpenick kommen, sondern weil wir das Spiel gewinnen wollen. Wir müssen jedes Wochenende neu beweisen, dass wir besser sind als die Kölner oder die Stuttgarter. Und wenn wir besser sind, hört man uns im Westen auch zu.“
Zingler kritisiert: „Viele, die in der DDR Erfolg hatten, durften nach der Wende nicht mehr erfolgreich sein, wurden wegen Systemnähe, Parteizugehörigkeit oder Wehrdienst beim Wachregiment Feliks Dzierzynski kaltgestellt. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe reichte aus. Differenzierung oder persönliche Lebensleistung spielten keine Rolle mehr.“
Der Union-Präsident sagt: „Ich sehe es so: Deutschland hat zwei Weltkriege angefangen und verloren, wurde geteilt und dann wieder zusammengesteckt. Dass da nicht alles funktioniert, ist klar, das sehen wir jetzt.“ Er habe daraus seine Schlussfolgerungen gezogen: „Wir müssen das Verbindende suchen, statt uns mit Ost und West zu zermürben, richtig oder falsch.“ ■