
35 Jahre sind seit der Deutschen Einheit vergangen – doch eines ist geblieben: Noch heute lachen viele Menschen gern und herzlich über den Humor, der aus der damaligen Zeit geblieben ist. Wenn das Politbüro, Trabis und die Mangelwirtschaft, aber auch die Unterschiede zwischen Ost und West in Witzen aufs Korn genommen werden, amüsieren sich alle köstlich, ob Ost oder West. Werden diese Witze jemals alt? Wolfgang (84) und Birgit Schaller (63) aus dem berühmten Dresdner Kabarett „Herkuleskeule“ verraten, warum das Kabarett ein Spiegel der Ereignisse rund um die Wende ist, warum die Wiedervereinigung hier wirklich stattgefunden hat – und warum man noch heute gern über Ost und West lacht.
Kabarett-Ensemble sollte zu DDR-Zeiten nicht in Ost-Berlin auftreten
Im Kabarett wurde immer auf humorvolle Weise Kritik geübt – an der Regierung, aber auch an den Lebensumständen in der Gesellschaft. Die berühmte „Herkuleskeule“ in Dresden ist dafür das beste Beispiel: Schon zu DDR-Zeiten wurde in dem 1961 gegründeten Haus mit der Obrigkeit abgerechnet. Und das, wie üblich, meist zwischen den Zeilen. „Wenn man manche Stücke aus den Jahren vor der Wende heute liest, kann man eigentlich nicht glauben, dass sie damals auf die Bühne kamen“, sagt Wolfgang Schaller, der für das Theater etliche Programme verfasst hat, im Interview mit dem KURIER.

1970 kam er als Autor und Dramaturg zur Herkuleskeule, wurde später auch Intendant des Hauses. „Mit manchen Programmen, die wir damals auf die Bühne brachten, wollte man uns gar nicht nach Ost-Berlin lassen“, sagt er. Denn das Ensemble sollte dem Politbüro nicht zu nahe kommen. Und das, obwohl das Ensemble schon damals auch Gastspiele in anderen Städten gab. „Aber bei uns in Dresden ging das“, sagt Schallers Frau Birgit, die seit 1987 zum Ensemble des Hauses gehört. Die Herkuleskeule machte das gesellschaftspolitisch schärfte Kabarett in der DDR, wurde für ihren Mut bewundert, war Inspiration für andere Theater.
Doch nach der Wende veränderte sich vieles, auch der Bedarf nach Spitzen gegen die Obrigkeit – zumindest vorübergehend. „Kurz nach 1990 gab es eine Zeit, da war der Saal leer“, erinnert sich Birgit Schaller. „Die Leute waren mit der D-Mark und der neuen Warenwelt beschäftigt. Sie dachten: Jetzt ist doch alles gut, jetzt brauchen wir nischt mehr kritisch sehen!“ Doch bald wurde es wieder schwieriger: Die anfängliche Euphorie des Mauerfalls verflog, die Probleme tauchten auf.


Arbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven. „Das Leben wurde wieder normal – und unsicher. Die Leute mussten sich neu erfinden“, sagt Birgit Schaller. „Das war die Geburtsstunde der Ostdeutschen, die sich durch die Wiedervereinigung auch erniedrigt fühlten.“ Auch heute spielt das noch eine Rolle in manchen Programmen. „Der Osten ist noch immer der Osten, wo die gleiche Arbeit schlechter bezahlt wird. Ein abgehängtes Gebiet, das sich nicht ausreichend in der Politik vertreten fühlt“, sagt der Autor.
Nach der Wende blieb der Saal leer, doch später kamen die Zuschauer zurück ins Kabarett
Also kamen die Zuschauer zurück ins Kabarett. Die Bühne ist damit auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Umstände – und ein Ort, an dem die Wiedervereinigung gelungen ist. „Das merken wir, wenn wir bei Gastspielen in verschiedenen Regionen sind. Heute haben alle ähnliche Probleme. Die Wirtschaft ist sehr unruhig, das spürt man in Sachsen, aber auch in Baden-Württemberg“, sagt Birgit Schaller. Auch Wolfgang Schaller bemerkt eine Politisierung des Publikums – etwa, wenn es um das Thema Krieg geht. „Nicht alle denken gleich darüber, aber alle sind gleich sensibilisiert.“ Das merke man auch am Erstarken der AfD, das längst nicht mehr nur im Osten ein Thema ist.

Der Blick der Wessis auf die Menschen im Osten hat sich verändert
Auch der Blick auf das Ensemble aus dem Osten hat sich verändert. Die Herkuleskeule war das erste Kabarett, das zu DDR-Zeiten in den Westen reisen durfte – im Rahmen eines Kulturabkommens zwischen Oskar Lafontaine, der damals Ministerpräsident des Saarlandes war, und Erich Honecker. Später ging es auch nach München, Hamburg, Essen. „Wir waren die Exoten aus dem Osten, die zum ersten Mal mit ihren Problemen kommen“, sagt Wolfgang Schaller. Heute schaue das Publikum nicht mehr von außen. „Die sagen nicht mehr: Was erzählen die aus dem Osten denn da, können die schon mit Messer und Gabel essen?“, sagt Birgit Schaller und lacht. „Wenn die Probleme für alle größer werden, nähert man sich auch im Kabarett an.“
Die Ängste vor der Zukunft seien in West und Ost aktuell gleich. Es wird miteinander gelacht, nicht übereinander. Heißt das aber, dass das Lachen über die Unterschiede zwischen Ost und West verschwinden wird? Natürlich nicht. „Diese Witze werden nie aussterben, weil sie einfach komisch sind“, sagt Birgit Schaller. Im Kern wiederholen sich die Pointen immer. „Sie sind oft aus der Sicht des kleinen Mannes erzählt, der sich benachteiligt fühlt – und eine Möglichkeit sucht, mit Problemen umzugehen.“
Klischees machen Spaß: Ost-West-Witze wird es auch noch in vielen Jahren geben
Und auch die Klischees, die bedient werden, passen noch heute – und machen Ost und West Freude. Dass die Banane, die auf der Mauer liegt, nur im Osten angebissen ist – und man sich lieber für die Ost-Hölle entscheiden sollte, weil hier nicht immer alle Foltergeräte vorrätig sind. „Humor lebt vom Klischee, von der Zuspitzung“, sagt Birgit Schaller. „Wir erleben es manchmal, dass Leute aus dem Osten nach der Vorstellung zu uns kommen und sagen: Neben uns saßen drei Wessis, die haben nischt verstanden!“ In Witzen werde es den Kulturkampf zwischen Ost und West noch lange geben – auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung.
Eie Kabarett-Programme von und mit Wolfgang und Birgit Schaller können Sie in der Herkuleskeule im Keller des Kulturpalast Dresden erleben. Infos im Netz unter www.herkuleskeule.de

Aus der KURIER-Sammlung: Hier sind fünf schöne Witze über Ossis und Wessis!
Ein Ossi und ein Wessi stehen am Ostseestrand und schauen auf das Meer. Plötzlich zeigt der Ossi mit dem Finger den Strand entlang. „Schauen Sie mal, dort vorn läuft der Rettungsschwimmer, der mir heute früh das Leben gerettet hat!“ Antwortet der Wessi: „Ja, ich weiß, er hat sich schon bei mir entschuldigt!“
Ein Ossi, ein Wessi, ein junges Mädchen und eine ältere Frau sitzen zusammen in einem Zugabteil. Plötzlich fährt der Zug in einen Tunnel. In der völligen Dunkelheit hört man plötzlich ein lautes Klatschen – und als der Zug wieder ans Tageslicht kommt, reibt sich der Wessi die Backe. Was denken alle, die gerade im Abteil sitzen? Die alte Frau denkt: „Soso, da hat der Wessi also versucht, das Mädchen zu begrapschen!“ Das Mädchen denkt: „Herrlich, der Wessi wollte mich begrapschen, hat die alte Frau erwischt – und die hat ihm eine gefeuert!“ Der Wessi denkt: „So ein Mist, der Ossi wollte das Mädchen begrapschen, die wollte ihm eine runterhauen und hat mich erwischt.“ Und der Ossi denkt: „Klasse, im nächsten Tunnel klatsche ich dem Wessi noch eine!“
Ein Wessi und ein Ossi stehen vor Gericht – der Wessi als Angeklagter, der Ossi als Kläger. „Leugnen Sie nicht, was Sie getan haben“, sagt der Richter. „Sie haben dem Kläger die Brieftasche entwendet. Wir haben hier mindestens fünf Zeugen, die genau gesehen haben, dass Sie es waren!“ Antwortet der Wessi: „Das ist schön, aber ich kann Ihnen mindestens 500 Zeugen bringen, die es nicht gesehen haben!“
Ein Ossi und ein Wessi haben auf einer Landstraße einen Autounfall. Als sie neben ihren Wagen stehen und den Schaden begutachten, sagt der Ossi plötzlich: „Das war ein ganz schöner Schreck!“ Er geht zum Kofferraum seines Wagens, holt eine Flasche Schnaps und gibt sie dem Wessi. „Darauf trinken wir jetzt erstmal einen, um uns zu beruhigen.“ Der Wessi nimmt sich die Schnapsflasche, setzt an und nimmt einen großen Schluck. „Das hat wirklich gut getan“, sagt er, gibt die Flasche dem Ossi. Der schraubt sie zu. „Warum trinkst du nicht?“, fragt der Wessi. Antwortet der Ossi: „Ich warte lieber, bis die Polizei da ist.“