35 Jahre Deutsche Einheit

Letzter Bäder-Chef des SEZ bittet: „Lasst noch etwas von der DDR stehen“

Jürgen Reinhardt (85) leitete von 1989 bis 2001 den Schwimmbereich. Das SEZ kann erhalten bleiben – der Senat muss es nur wollen, sagt er.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Jürgen Reinhardt (85) war der letzte Bäder-Chef im SEZ, der Rettungsring stammt noch von dort. Kollegen hatten Reinhardt diesen zum 60. Geburtstag geschenkt.
Jürgen Reinhardt (85) war der letzte Bäder-Chef im SEZ, der Rettungsring stammt noch von dort. Kollegen hatten Reinhardt diesen zum 60. Geburtstag geschenkt.Emanuelle Contini/Berliner KURIER, Markus Wächter/Berliner KURIER; BK-Fotomontage: Salvadore Saba

Der Palast der Republik ist schon fast zwei Jahrzehnte weg. Jetzt knabbern die Abrissbagger am Jahnstadion im Osten Berlins. Doch kurz vor dem 35. Jahrestag der deutschen Einheit keimt Hoffnung auf, dass wenigstens ein todgeweihter Prestige-Bau der DDR überlebt. Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ), das der Senat für Wohnungen wegbaggern lassen will – und in dem Jürgen Reinhardt (85) der letzte Bäder-Chef war. Er hat eine Bitte an die Experten, die jetzt überraschend prüfen, ob man das Bauwerk an der Landsberger Allee doch unter Denkmalschutz stellen kann. „Lasst noch etwas von der DDR stehen!“, sagt er.

Der KURIER hat den Mann in Berlin-Johannisthal besucht, der zwölf Jahre als Bäder-Chef dafür sorgte, dass Menschen sich bis zum Schluss im SEZ wohlfühlten und ihren Spaß hatten – im Wellen-, Sport- oder Außenbecken. „Natürlich war der Schwimmhallen-Bereich mit 2800 Quadratmetern Wasserfläche das Kernstück des Hauses“, sagt Reinhardt. „Doch das SEZ war mehr als nur ein Spaßbad.“

Jürgen Reinhardt mit einem Foto, das ihn als Bäder-Chef des SEZ in den 90er-Jahren zeigt.
Jürgen Reinhardt mit einem Foto, das ihn als Bäder-Chef des SEZ in den 90er-Jahren zeigt.Emmanuele Contini/Berliner KURIER

Eis- und Rollschuhbahn, Sport- und Fitnesshallen, Bowlingbahn, Saunen, Friseur, Kinderbetreuung, Gaststätten: „Alles in einem Haus“, sagt Reinhardt. Zu DDR-Zeiten besuchten über 20.000 Menschen aus allen Teilen des Landes täglich das 1981 eröffnete SEZ. „Sie standen Schlange“, sagt Reinhardt. „So eine Freizeitstätte wie das SEZ gibt es bis heute nirgendwo. Doch dieser eigentliche Wert des Hauses wurde seit der Wende von den politischen Entscheidungsträgern in Berlin nicht anerkannt.“

Reinhardt war Kfz-Schlosser, Leiter eines Naherholungsgebietes in Magdeburg, Rettungsschwimmer, Schwimmmeister. Dann kam er im April 1989 zum SEZ  – und blieb dort als „Leiter Bad“ bis 2001. In jenem Jahr also, als der Senat als Eigentümer das Ende des Hauses besiegelte, aus Spargründen die Belegschaft abbaute und Ende 2002 das SEZ schloss. Ein Jahr später verkaufte das Land Berlin das DDR-Spaßbad an einen Leipziger Geschäftsmann für einen symbolischen Euro.

Das Ergebnis: 20 Jahre juristische Streitereien, in deren Folge das SEZ verfiel. Seit Oktober 2024 gehört das Gebäude wieder dem Land Berlin. Kaum war der Besitzerwechsel mittels Zwangsräumung vollzogen, will Bausenator Christian Gaebler (SPD) das SEZ abreißen lassen, um auf dem Areal 500 Wohnungen bauen zu lassen. Nur eine Skulptur, ein paar markante Gebäudeträger und ein Sprungturm sollen in dem neuen Quartier an das SEZ erinnern.

„Etwas Besseres als das SEZ gab es weder in der DDR noch im Westen“

Für Reinhardt ist das eine Erniedrigung. „Etwas Besseres als das SEZ gab es weder in der DDR noch im Westen“, sagt er. „800 Mitarbeiter haben damals zu DDR-Zeiten dafür gesorgt. Nach der Wende waren es weniger.“ Als Bäder-Chef hatte er dann noch etwa 35 Mitarbeiter. „Wir waren eine tolle Truppe und meisterten den Betrieb auch in den schweren Zeiten nach der deutschen Einheit.“

Denn kaum war diese vollzogen, wurden Rufe laut, sich auch von architektonischen Zeitzeugen der DDR zu trennen. Da ging es nicht nur um den Palast der Republik. „Ich war 1992 bei einer Senatssitzung dabei, als damals schon der Satz fiel: ,Das SEZ muss weg!‘“, sagt Reinhardt.

Sicher, das DDR-Spaßbad brauchte eine dringende Sanierung. Aber die Kosten in Millionenhöhe wollte man sich damals wie heute sparen, so der einstige Bäder-Chef des SEZ. „Während der Senat beim stillgelegten ICC im Westteil seit Jahren nach einer Lösung sucht, bisher ohne Erfolg, will die Politik das SEZ im Osten Berlins abreißen. Das zeigt, wie auch im 35. Jahr der deutschen Einheit noch immer der Osten gegen den Westen ausgespielt wird.“

Planschen im Außenbecken des SEZ: Jürgen Reinhardt war auch für diese Anlage verantwortlich.
Planschen im Außenbecken des SEZ: Jürgen Reinhardt war auch für diese Anlage verantwortlich.PEMAX/imago

Dabei könne man das SEZ komplett als kulturelles Erbe der DDR erhalten. Sagt Reinhardt. Er hat auch Ideen für einen Rettungsplan. Vor allem, wie man an Geld für den Fortbestand des SEZ kommt. „Etwa durch Werbeeinnahmen, indem man das Sport- und Erholungszentrum als Freizeitstätte einem großen Unternehmen als Werbeträger anbietet, so wie es bei der Veranstaltungshalle Uber-Arena der Fall ist.“

Zunächst ist erst einmal das Landesdenkmalamt dran. Der letzte SEZ-Bäder-Chef hofft, dass die Behörde den Mut dazu hat, den DDR-Bau unter Schutz zu stellen, obwohl Bausenator Gabler den Abriss beschlossen hat. Lösungen für den Erhalt des SEZ finden, statt ihm den Todesstoß zu versetzen: „Man muss es nur wollen!“, sagt Reinhardt.