Für Berlins Bausenator Christian Gaebler (60, SPD) ist der Abriss des Sport- und Erholungszentrums (SEZ) beschlossene Sache. Über 500 neue Wohnungen will er auf dem Areal an der Landsberger Allee in Friedrichshain bauen lassen – koste es, was es wolle. Dagegen wehrt sich Susanne Lorenz (51) von der Bürgerinitiative „SEZ für alle“. Am Tag des offenen Denkmals (14. September) wird sie mit Gleichgesinnten für den Erhalt des einstigen DDR-Spaßbades kämpfen – mit neuer Hoffnung. Denn das Landesdenkmalamt prüft jetzt, ob das SEZ unter Denkmalschutz gestellt werden kann.
Die gute Botschaft versteckt sich in einem Dokument des Landesdenkmalrates, das ausgerechnet auf der Behörden-Internetseite des Bausenators steht. Darin empfiehlt das Beratergremium der Senatsbauverwaltung eine erneute Prüfung zur „Denkmalwürdigkeit“ des SEZ. Der Rat verweist darauf, dass das Landesdenkmalamt zwar vor über zehn Jahren dem DDR-Bau eine Unterschutzstellung versagte. Aber: „Gleichwohl hat das Fachamt eine erneute Prüfung des erinnerungsträchtigen Sport- und Erholungszentrums in Aussicht gestellt.“
Die Botschaft hat auch Susanne Lorenz von der Bürgerinitiative „SEZ für alle“ gelesen. „Ich finde, das ist ein großartiges Signal“, sagt sie dem KURIER. Am Tag des offenen Denkmals wird sie sich um 14 Uhr mit anderen Mitstreitern zu einer Kundgebung zum Erhalt des SEZ vor dem DDR-Bau treffen. Eine erneute Prüfung des Landesdenkmalamtes gebe ihnen allen neuen Rückwind. „Der Kampf ums SEZ geht weiter“, sagt Lorenz. Und die SEZ-Kämpfer haben offenbar die besseren Karten.

Doch ist ihr Optimismus berechtigt? Die Pressestelle von Bausenator Gaebler bestätigt auf KURIER-Anfrage, dass das Landesdenkmalamt (gehört zur Senatsbauverwaltung) in Sachen SEZ aktiv geworden ist: „Infolge eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (DS/1544/VI) hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg das Landesdenkmalamt am 03.07.2025 aufgefordert, eine erneute Prüfung durchzuführen. Diese ist noch nicht abgeschlossen.“
Bezirksamt will SEZ nicht so einfach den Abrissbaggern opfern
Konkret brachte Florian Schmidt (Grüne), Bezirksbaustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, den Stein ins Rollen. Am 3. Juli schickte er ein Schreiben an Christoph Rauhut, dem Berliner Landeskonservator und Landesdenkmalschef, das dem KURIER vorliegt. Schmidt forderte darin die Behörde offiziell auf, die 2013 abschlägig getroffene Einschätzung zur Denkmalwürdigkeit des SEZ „zu überprüfen und eine neue Denkmalbewertung vorzunehmen“.

Das Landesdenkmalamt hatte damals erklärt, dass das SEZ aufgrund des damaligen Bauzustandes und des Innenausbaus nicht in die Denkmalliste eingetragen und damit nicht unter Denkmalschutz gestellt werden könne. Bezirksbaustadt Schmidt erklärt dazu in dem Schreiben, dass dem Landesdenkmalamt jetzt „ausreichend neue und zusätzliche fachliche Expertisen vorliegen, die es rechtfertigen, eine neue Denkmalbewertung vorzunehmen“.
Obwohl die Behörde erneut prüft, hält die Senatsbauverwaltung weiter an dem Abriss-Fahrplan ihres Senators fest. „Derzeit bleibt das weitere Vorgehen sowie der bestehende Zeitplan unverändert“, teilt Gaeblers Pressestelle mit.
Wie berichtet, soll das SEZ bis spätestens 2028 vom Erdboden verschwunden sein. Die 500 Wohnungen, eine Schule, Geschäftsgebäude und Sportstätten könnten dann 2031 auf dem Areal stehen.
Kann Landesdenkmalamt Berlin das SEZ vor dem Abriss retten?
Die Senatsbauverwaltung erklärt, dass nach dem derzeit „gültigen Bebauungsplan von 2018 ein Abbruch (des SEZ, d. A.) seitens der Denkmalbehörden auch nicht versagt werden kann“. Dabei bezieht man sich auf einen Passus aus der Empfehlung des Landesdenkmalrates, dass SEZ noch einmal auf Denkmalwürdigkeit prüfen zu lassen.
Die Berliner Architektin und Hochschulprofessorin Rebecca Chestnutt (67) ist eines von zwölf Expertenmitgliedern in diesem Rat, der die Senatsbauverwaltung und das Landesdenkmalamt fachlich berät. Das Gremium „erkennt bei dem Bauwerk durchaus eine geschichtliche Bedeutung, hält daher eine Denkmalwürdigkeit für möglich“.

Dennoch ist Architektin Chestnutt skeptisch. Selbst wenn das Landesdenkmalamt das SEZ unter Denkmalschutz stellen würde, „bedeutet das nicht gleich die tatsächliche Rettung des Bauwerkes“. „Auch ein Baudenkmal kann man abreißen – auch das ist schon passiert“, sagt Chestnutt.
Die Architektin, die an der Modernisierung des Bahnhofes Alexanderplatz mitplante, favorisiert die Teilerhaltung des SEZ. Es nach einer Sanierung wie einst in der DDR wieder als Spaßbad zu nutzen, sei fraglich. „Vernünftiger wäre es, die vorhandene Bausubstanz in etwas passendes Neues zu integrieren. So erfährt Berlin auch eine Weiterentwicklung“, sagt Chestnutt. Ihr Fazit: „Man muss das SEZ nicht komplett verschonen, man muss es aber auch nicht komplett abreißen.“
Auf jeden Fall sollte vom SEZ mehr übrig bleiben, als nur eine Skulptur, ein paar markante Gebäudeträger und ein Sprungturm. Laut einer Machbarkeitsstudie sollen diese Elemente eines Tages in dem neuen Wohnkiez an das abgerissene DDR-Spaßbad erinnern. „Das ist blanker Hohn für alle, die das SEZ erlebt haben und mit ihm aufgewachsen sind“, sagt Susanne Lorenz von der Bürgerinitiative. „Wie gesagt, der Kampf ums SEZ ist noch nicht vorbei.“