Erinnern Sie sich noch?

Jugendwörter der DDR: Keule, deine Kirsche fetzt! Wir suchen Ihre Begriffe

Hatte die DDR eigentlich eine eigene Jugendsprache? Die Suche nach Begriffen ist nicht leicht. Können Sie helfen?

Author - Florian Thalmann
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Sommer in der DDR im Jahr 1965: Jugendliche lümmeln an einem Strand herum. Ob sie auch eine eigene Jugendsprache hatten?
Sommer in der DDR im Jahr 1965: Jugendliche lümmeln an einem Strand herum. Ob sie auch eine eigene Jugendsprache hatten?Marco Bertram/imago

Deutschland hat gewählt – wie in jedem Jahr gibt es auch 2025 ein Jugendwort des Jahres. Der Sieger ist „das crazy“, ein etwas unvollständig klingender Satz, der Bewunderung ausdrücken soll. Vor allem Erwachsene wundern sich heute gern darüber, mit welchen schrägen Wendungen die jungen Leute um sich werfen. Und vergessen dabei gern, dass jede Generation ihren Slang hatte! Auch die DDR? Etwas über die Jugendsprache in Honeckers Zeiten herauszufinden, ist gar nicht so leicht. Erinnern Sie sich an die Jugendsprache der DDR?

Jugendsprache der DDR: Welche Wörter kennen Sie noch?

Hatte die DDR eine eigene Jugendsprache? Diese Frage beschäftigt mich schon seit Wochen. Als ich davon hörte, dass „das crazy“ zum Jugendwort des Jahres 2025 gewählt wurde, kam mir sofort der Gedanke: Wie war das eigentlich vor der Wende? Ich bin Jahrgang 90, geboren mit einem Bein in der DDR, aufgewachsen in den 90er-Jahren – mit Begriffen wie „geil“ und „cool“ und den dazu passenden Steigerungen „übelst geil“ und „übelst cool“. Ich erinnere mich auch, dass man einer „Rumbeißen“ statt „Rumknutschen“ sagte – und dass man sich auf Partys „anbaggerte“.

Durfte es in der DDR gar keine Jugendsprache geben?

Und zehn, zwanzig Jahre zuvor? Während es heute etliche lustig gemeinte Wörterbücher über die Ausdrucksweise der jüngeren Generation gibt, ist aus der damaligen Zeit nur wenig überliefert. Vielleicht liegt es daran, dass eine Jugendsprache offiziell gar nicht geben durfte? Zu dem Fazit kommt das Buch „Jugendsprache“ von Eva Neuland. „Den offiziellen Verlautbarungen der SED zufolge gab es weder soziale Klassen noch soziale Sprachunterschiede im sozialistischen Einheitsstaat, und insofern gab es auch keine eigene Jugendsprache“, schreibt sie. Keine Jugendsprache in der DDR? Das crazy!

Jugendliche Erntehelfer bei der Kartoffelernte im Jahr 1964. Ob sie den Arbeitseinsatz urst fetzig fanden?
Jugendliche Erntehelfer bei der Kartoffelernte im Jahr 1964. Ob sie den Arbeitseinsatz urst fetzig fanden?Blunck/imago

Nun – ganz so einfach ist es nicht. Gerade weil es sie nicht offiziell geben durfte, sei sie nicht zu überhören gewesen, heißt es weiter. „Abgesehen von der schwierigen Dokumentationslage kann man getrost schließen, dass auch die Jugendlichen in der DDR eine eigene Jugendsprache hatten.“ Da haben wir es: Viel dokumentiert ist nicht aus jener Zeit. Einzig und allein ein Buch verrät, wie sich Jugendliche zu Honeckers Zeiten angeblich ausdrückten: Das Werk „Kleines Wörterbuch der Jugendsprache“ von Margot Heinemann erschien 1989, kurz vor der Wende.

Jugendsprache der DDR: Bei der Anmache ist zu viel Wuhling!

Die Autorin hat dafür unter anderem Beiträge aus Rundfunk und Fernsehen analysiert, Befragungen durchgeführt, Briefe studiert. Und: Sie beobachtete junge Menschen in der Öffentlichkeit, dokumentierte ihre besonderen Ausdrücke. „He, du Keim, mach mich nicht an!“ soll etwa ein Ausdruck gewesen sein, den ein junges Mädchen in der Straßenbahn zu einem Jungen sagte, der sich ihr gegenüber nicht benehmen konnte.

Sie hörte auch die Frage „Gehste heute zu der Anmache?“ und die dazu passende Antwort „Nee, da ist mir zu viel Wuhling.“ Zu den Sätzen, die im Buch aufgeführt werden, gehören auch „Wir gehen noch in die Destille, eine Ziehung machen“, wenn man ein Bier trinken gehen wollte, und „Das sind bärische Werke, die neuen Musiktitel“, wenn jemandem Musik besonders gut gefiel. Der Saft „Der hört nichts, der poft ‘ne satte Wimper“, der laut dem Buch einen fest schlafenden Freund beschrieb, dürfte die meisten aber eher zum Kopfschütteln bringen.

Waren „Kalle Malle“ und „Intersturz“ Jugendwörter der DDR?

Der westdeutsche Linguist Wolf Oschlies, der in der DDR aufwuchs, nannte ebenfalls spannende Begriffe, die angeblich im Jugend-Jargon genutzt wurden. Etwa „Zone“ für die DDR, „Drei Gramm“ für das SED-Abzeichen und „Kalle Malle“ für Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Auch das veräppelnde „Intersturz“ für die DDR-Fluggesellschaft Interflug und „Protzkeule“ für den Berliner Fernsehturm soll es gegeben haben. Auch solche Begriffe werfen aber die Frage auf, ob es wirklich jemanden gab, der sie benutzte.

Ein küssendes, junges Paar auf dem Alexanderplatz. Ob damals überhaupt noch geküsst wurde - oder ob man dafür schon andere Begriffe kannte?
Ein küssendes, junges Paar auf dem Alexanderplatz. Ob damals überhaupt noch geküsst wurde - oder ob man dafür schon andere Begriffe kannte?NBL Bildarchiv/imago

Andere Begriffe scheinen da eher einen Weg in den Sprachgebrauch gefunden zu haben – und auch heute noch bekannt zu sein. Der Ausdruck „schau“ etwa, den man mit „cool“ übersetzen könnte. Und das Wörtchen „urst“, mit dem man etwas hervorheben konnte. Der Begriff „Kirsche“ für die Freundin, alternativ „Ische“, wenn etwas abwertend über die „Kirsche“ eines anderen geredet wurde. Oder „das fetzt“, was schon recht nah dran war an „das crazy“. Dazu „Atze“ und „Keule“ für Kumpels. Wenn die Kirsche von Keule urst Schau war, war das also was Besonderes. Habe ich mir sagen lassen.

In der Jugendsprache der DDR wurde viel vom Westen übernommen

Auch ein KURIER-Kollege, der selbst in der DDR aufwuchs, kennt diese Begriffe, stellt aber klar, dass es in der DDR eigentlich keine echte Jugendsprache gab. „Da wurde viel vom Westen übernommen. War ja auch klar, wir haben wegen der Musik ja viel Westradio gehört.“ Die Jugend widersetzte sich mit ihrer Sprache auch den Vorgaben. Der Begriff „Niethose“ etwa, der heute noch belächelt wird, wurde nicht verwendet. „Du hast immer Jeans gesagt, es sei denn, du warst verpeilt“, sagt mein Kollege.

Auch von meinen Eltern höre ich, dass man Wörter wie „fetzig“ und „das fetzt“ sagte – und eine kleine Umfrage bringt auch „einwandfrei“ und „Mugge“ für Musik hervor. Und andere Begriffe wie „Jesuslatschen“ für die bekannten und berühmten DDR-Sandalen wurden zwar scheinbar genutzt, waren aber nicht nur Jugendlichen vorbehalten. Und wieder andere Wörter wie „Nicki“, die heute herrlich nach Ost-Jugendsprache klingen, gab es auch im tiefen Westen.

Gab es Jugendwörter in der DDR? Schicken Sie uns Ihre!

Also: Gab es sie nun, die Jugendsprache?  Welche Begriffe gehören dazu, welche Redewendungen wurden genutzt – wir wollen Ihre Jugendwörter hören! An was erinnern Sie sich an der damaligen Zeit? Hat bei Ihnen auch alles „gefetzt“, war es „urst schau“ – und welche Wörter gab es noch für die Dinge des Alltags? Schicken Sie uns Ihre Jugendwörter aus Honeckers Zeiten, wir werden sie sammeln und darüber berichten. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften unter wirvonhier@berlinerverlag.com.