Wer in der DDR aufwuchs und dort seinen Alltag bestritt, der weiß: Viele Dinge, die den Alltag bestimmten, hielten und hielten und hielten. Das beste Beispiel ist das kultige Rührgerät RG 28 – es wird auch heute noch in vielen Haushalten, vor allem im Osten Deutschlands, genutzt. Viele Dinge in der DDR waren langlebiger, konnten besser repariert werden. Aber: War das wirklich so? Die Berliner Studentin Kathrin Tschida hat die Leidenschaft der DDR-Bürger zum Reparieren erforscht – und verrät, dass sich die heutige Gesellschaft einiges vom Osten abgucken kann!
Rührgerät RG 28 aus der DDR rührt auch heute noch fleißig
Das Rührgerät RG 28 schlägt noch immer tapfer die Sahne auf, die Schwalbe knattert in etlichen Dörfern über die Landstraßen – und in manchen Kellern schlummert die berühmte Waschmaschine WM66, in der niemals nur Wäsche gewaschen, sondern oft auch Bockwürste aufgewärmt und Marmelade eingekocht wurde. Das Produkt-Erbe der DDR – es ist zwar alt, aber lange nicht am Ende! Der Grund: Viele Dinge, die zu Honeckers Zeiten hergestellt wurden, sind nicht nur langlebiger, sondern lassen sich auch besser reparieren als das, was es heute gibt.
Das weiß auch Kathrin Tschida. „Ich habe mal so ein altes Rührgerät aufgeschraubt“, sagt sie. „Das waren vier Schrauben, die ich einfach lösen konnte. Alle elektrischen und mechanischen Bauteile konnte ich danach herausnehmen.“ Ob Wartung oder Reinigung mit einem Pinsel: Kein Problem beim Kult-Gerät aus der DDR. Anders heute: Sie habe auch versucht, ihr aktuelles Rührgerät aufzuschrauben – keine Chance. „Da gibt es nicht mal Schrauben, die man lösen kann.“ Ein einfacher Versuch, der zeigt: Produkte in der DDR waren für ein langes Leben gemacht.

DDR-Produkte: Langlebigkeit gehörte zum Idealbild des Sozialismus
Für ihre Masterarbeit hat sich Tschida, die an der Technischen Universität Berlin Technikgeschichte studiert, mit dem Reparieren in der DDR befasst. Sie kommt aus dem Saarland, ist 33 Jahre alt, hat keinen Bezug zur DDR. Warum dann dieses Thema? „Das Reparieren ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Und gerade im Bereich der Alltagstechnik in der DDR gibt es Forschungslücken.“ Und: Das Thema ist spannend. „Denn Produkte, die langlebig und gut reparierbar sind, waren das Idealbild des Sozialismus. Aber: Erwartung und Realität klafften ein Stück auseinander.“


Beispiel Rührgerät RG 28: Tschida hat unter anderem in den Unterlagen des Kombinats VEB Elektrogerätewerk Suhl geforscht, wo das „AKA electric RG 28“, wie es vollständig hieß, hergestellt wurde. Schon 1952 gab es im Angebot des VEB den Handmixer „Komet“, der zum Vorläufer des Rührgerätes wurde. In den Akten fand die Studentin auch diverse Eingaben von DDR-Bürgern. Sie beschwerten sich, dass Reparaturen lange dauerten, Bauteile nicht beschafft werden konnten. „Die Ersatzteilproduktion war eingeplant, trotzdem konnten die Bedürfnisse nicht erfüllt werden.“ Der Bedarf habe zu keiner Zeit gedeckt werden können, „obwohl das Reparieren von Dingen als sozialistisches Ideal propagiert wurde“, sagt Tschida.
Die Bürger der DDR waren erfinderisch, reparierten selbst
Doch die DDR-Bürger wurden erfinderisch, bastelten selbst. „Das zeigen verschiedene Ratgeber, Handbücher und Reparaturanleitungen, die man etwa in Zeitschriften fand.“ Tschida entdeckte hier die wildesten Tipps, mit denen man improvisierte, Dinge umnutzte, Geräte reparierte. „In der Zeitschrift Practic stand etwa, wie man Möbel neu polstert – und wie man Wäscheleinen als Ersatz für Schraubzwingen verwenden kann.“ Von ihren besonderen Funden erzählt Tschida am Mittwoch bei einem Vortrag im DDR-Museum Berlin – im Gespräch mit Dr. Liza Soutschek vom DDR-Museum geht es um RG 28, Schwalbe und andere technische Raffinessen aus der DDR.

Die heutige Gesellschaft kann viel von der DDR lernen
Von ihr könnte sich die heutige Gesellschaft übrigens auch einiges abschauen. Auch hier ist das Rührgerät RG 28 das beste Beispiel. „Es war so konstruiert, dass es gut zu reparieren war, mit einfachen Werkzeugen und Laienfähigkeiten. Außerdem hatte es glatte Flächen und kaum Bereiche, in denen sich Schmutz fangen konnte. Das lässt sich auch auf viele andere Dinge übertragen.“ Die Notwendigkeit zur Reparatur war dadurch gegeben, dass vieles nicht so leicht zu beschaffen war. Heute ist es anders: „Es ist billiger und einfacher, Dinge zu ersetzen. Der Blick auf die DDR zeigt aber, dass Langlebigkeit möglich ist. Dafür müsste man aber schon in der Produktion umdenken.“

Langlebigkeit war in der DDR sogar gesetzlich geregelt
Dafür, dass verschiedene Dinge aus der DDR auch heute noch halten, sorgte übrigens nicht nur der Erfindergeist der Menschen. Sondern auch eine gesetzliche Grundlage, zu der Prof. Markus Krajewski von der Bauhaus-Universität Weimar forschte. Langlebigkeit sei in der DDR-Produktion eine Maßgabe gewesen. In den Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen der DDR, abgekürzt TGL, war sie festgehalten. „Was hier in diesen TGLs steht, hat Gesetzeskraft. Das heißt, der Staat schreibt vor, wie lange Geräte zu halten haben“, sagte er dem MDR. Für Haushaltsgeräte lag die Haltbarkeit bei zehn Jahren – die Ausfallquote durfte nur ein Prozent betragen.

Haben auch Sie noch Geräte und Produkte aus der DDR, die Sie heute noch benutzen? Was hält bei Ihnen seit Ewigkeiten, worauf ist noch heute Verlass – und wie schneiden die Geräte im Vergleich mit den heutigen Produkten ab? Schicken Sie uns Ihre Meinung an wirvonhier@berlinerverlag.com – wir freuen uns auf Ihre Zuschriften. Im Sinne des Erfinders ist die Langlebigkeit heute leider nicht mehr. Auch deshalb erfreuen sich viele Produkte noch immer großer Beliebtheit. Das Rührgerät RG 28 wird auch heute noch verkauft – Bastler holen sich alte Geräte vom Flohmarkt, motzen sie auf, verkaufen sie in Shops im Netz. Und so rührt das Rührgerät auch heute noch in vielen Haushalten den Kuchenteig. Und rührt. Und rührt. Und rührt. Und rührt.