Erinnern Sie sich noch?

Sommerzeit-Chaos 1980: DDR trickst bei Zeitumstellung den Westen aus

In der DDR wurde die Zeitumstellung im Jahr 1980 eingeführt – und kam dem Westen zuvor. Wir erinnern an das Uhren-Hickhack zu Honeckers Zeiten.

Author - Florian Thalmann
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In der DDR führte man die Sommerzeit 1980 ein – und überrumpelte mit der Ankündigung den Westen.
In der DDR führte man die Sommerzeit 1980 ein – und überrumpelte mit der Ankündigung den Westen.IMAGO/United Archives, Günter Schneider/imago (Montage: BK)

Am vergangenen Wochenende machten sich Millionen Menschen in Deutschland wieder an ihren Uhren zu schaffen: Mit der Zeitumstellung wurde der Umstieg von der Winterzeit auf die Sommerzeit gemeistert. Heute wird viel über das Drehen an der Uhr gestritten – doch auch in tiefster DDR war die Zeitumstellung ein Grund für heftigen Zoff! Denn die DDR wollte im Jahr 1980 der Zeit voraus sein. Und im Alleingang eine neue Zeitrechnung einläuten.

DDR wollte bei der Zeitumstellung den Westen überholen

„Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“ – den berühmten Satz sagte Erich Honecker zwar erst im Jahr 1989, doch auch beim Übergang von 1979 auf 1980 hätte er blendend gepasst. Denn eigentlich war die Zeitumstellung damals gar kein wichtiges Thema – zumindest nicht in Deutschland. Europaweit wurde die Umstellung auf die Sommerzeit nach und nach eingeführt, in Deutschland stellte man das Thema hintenan. Doch dann preschte die DDR vor, überholte den Westen. Und brachte die Bundesrepublik damit in Bedrängnis.

Vorausgegangen waren lange Debatten um die Zeitumstellung. In anderen Ländern wurden die Uhren bereits auf Sommerzeit umgestellt, weil man Energie sparen wollte. Auch die Bundesrepublik wollte mitziehen. Aber: Es gelang lange keine Einigung mit der DDR. Allein in der BRD wollte man die Zeitumstellung aber nicht einführen. Denn: Dann hätte es zusätzlich zur Mauer auch eine Zeit-Grenze zur DDR gegeben, die Deutschland und Berlin in zwei Teile geteilt hätte.

Heute ist die Zeitumstellung Routine – auch wenn sich viele darüber aufregen, dass die Zeit zweimal im Jahr verändert wird.
Heute ist die Zeitumstellung Routine – auch wenn sich viele darüber aufregen, dass die Zeit zweimal im Jahr verändert wird.dts Nachrichtenagentur/imago

Und das hätte für ordentlich Chaos gesorgt, allein in Berlin: Die U-Bahnhöfe in West und Ost hätten dann unterschiedliche Zeiten gehabt – man kann sich vorstellen, welche Auswirkungen das auf den Reiseverkehr gehabt hätte. Und auch in Einrichtungen wie Zollbüros und Schleusen hätten auf beiden Seiten der Mauer unterschiedliche Zeiten gegolten.  Doch 1979 die große Überraschung: Plötzlich preschte die DDR vor. Die DDR-Führung verkündete, dass ab April 1980 auch im Arbeiter- und Bauernstaat die Uhren umgestellt werden sollen.

DDR preschte bei der Zeitumstellung vor, BRD zog nach

Der Beschluss des Ministerrates wurde in der „Verordnung über die Einführung der Sommerzeit“ verankert. Die Bundesrepublik musste nachziehen, schließlich wollte man nicht als weniger fortschrittlich als der Osten gelten. Im Oktober 1979 wurde schnell das „Gesetz zur Einführung der Sommerzeit“ in der BRD verabschiedet. Das Eiltempo sorgte laut einem Bericht des MDR übrigens sogar für Probleme bei der Bundesbahn: Man war darauf nicht vorbereitet, musste schnellstmöglich 100.000 neue Fahrpläne drucken.

Michail Gorbatschow und Erich Honecker auf der Ehrentribüne anlässlich der Militärparade zur 40-Jahr-Feier der DDR
Michail Gorbatschow und Erich Honecker auf der Ehrentribüne anlässlich der Militärparade zur 40-Jahr-Feier der DDRSven Simon/imago

Zeitumstellung in der DDR sollte volkseigenen Betrieben helfen

Den DDR-Bürgern machte man die Zeitumstellung im Osten schmackhaft. So berichtete Wolfgang Rauchfuß, damals Mitglied des Politbüros, bei einem Treffen mit Journalisten, die Sommerzeit werde nur Gutes mit sich bringen. So habe die „ganze zweite Schicht“ in den volkseigenen Betrieben (VEB) mehr Tageslicht, man könne die Produktivität steigern und Strom sparen. Die Zeitumstellung entspreche den Interessen der DDR, aber nicht nur. Rauchfuß sprach mit Bezug auf die DDR auch von der „internationalen Verantwortung als bedeutendes Transitland, sich diesem Rhythmus anzupassen, der mehr und mehr zur Norm wird in Europa“.

DDR sorgte mit der Sommerzeit auch 1980 für Stress

Am 6. April 1980 stellten DDR und BRD also die Uhren gemeinsam um. Doch ein Jahr danach sorgte die DDR ein weiteres Mal für Stress: Die Sommerzeit wurde nach einem halben Jahr als nicht zweckmäßig beurteilt, weshalb die DDR die Zeitumstellung 1981 nicht wiederholen wollte. Sollte es zu einem „deutsch-deutschen Zeitsalat“ kommen, wie ihn das Nachrichtenmagazin Spiegel heraufbeschwor? Nein. Die Bundesrepublik stellte unmissverständlich klar, dass die Sommerzeit beibehalten werden soll – und auch die DDR entschloss sich, die Uhren auch im kommenden Jahr umzustellen. Vermutlich lag das aber auch am Druck aus dem Osten: Nicht nur die BRD, auch Polen und die CSSR wollten die Sommerzeit beibehalten.

Erinnern Sie sich noch an die Zeitumstellung in der DDR? Und was halten Sie ganz allgemein von der Umstellung auf die Sommerzeit? Schicken Sie uns Ihre Meinung an wirvonhier@berlinerverlag.com.