Spektakulärer Transport

Endstation Westen: Letzter Airbus der DDR landet endlich im Freizeitpark

Er war einer von drei A310-Maschinen der Interflug, flog dann für die Bundeswehr. Nun soll der DDR-Flieger eine Attraktion im Serengeti-Park werden.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Dieser A310 war 1989 auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld der Star der DDR-Fluggesellschaft Interflug: 36 Jahre später landet er nun im Westen, soll ein Restaurant im Serengeti-Park werden.
Dieser A310 war 1989 auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld der Star der DDR-Fluggesellschaft Interflug: 36 Jahre später landet er nun im Westen, soll ein Restaurant im Serengeti-Park werden.Moritz Frankenberg/dpa, INTERFLUG, Abt. Werbung (Archiv), BK-Montage: Andreas Kraska

Ein letztes Stück DDR rollt gerade per Schwerlasttransport durch den Westen. 47 Meter lang ist es und 79 Tonnen schwer. Vom Flughafen Hannover (Niedersachsen) ist das Ding gestartet, soll am Mittwoch den Serengeti-Park im 50 Kilometer entfernten Hodenhagen erreichen. In diesem tierischen Freizeitpark wird der letzte Airbus der DDR für immer landen, der einst deutsch-deutsche Geschichte schrieb, Menschen das Leben rettete und am Ende für viel Trubel im Westen des wiedervereinten Deutschlands sorgte.

Im Schritttempo schiebt sich der Rumpf des A310 auf den Straßen durch Niedersachsen. Grau lackiert ist er. Denn bis 2021 war der Airbus noch unter dem Namen „Kurt Schumacher“ im Einsatz für die Bundeswehr. Von seiner großen Vergangenheit als Star der DDR-Fluggesellschaft Interflug ahnt kaum einer etwas, der bei dem Schwertransport dabei ist.

Im grau lackierten Bundeswehr-Look reist der letzte DDR-Airbus per Schwertransporter nach Hodenhagen zum Serengeti-Park (Niedersachsen).
Im grau lackierten Bundeswehr-Look reist der letzte DDR-Airbus per Schwertransporter nach Hodenhagen zum Serengeti-Park (Niedersachsen).Moritz Frankenberg/dpa

Der A310 gehörte zu den ersten und auch zu den drei letzten West-Fliegern, die sich der SED-Staat Monate vor dem Mauerfall 1989 leistete. Im französischen Toulouse hatte sich im Jahr zuvor der damalige bayerische Ministerpräsident und Airbus-Aufsichtsratschef Franz Josef Strauß mit Interflug-Chef Klaus Henkes getroffen, um den historischen Deal abzuschließen.

Die DDR erhielt als erster Ostblock-Staat drei A310-Flieger, musste dafür 420 Millionen Westmark blechen. War kein Problem: Strauß hatte zuvor mit einem Milliardenkredit dem klammen SED-Staat ausgeholfen.

Warum sich die DDR die West-Flieger leistete? Die Flotte sollte moderner, die Interflug konkurrenzfähiger gegenüber den westlichen Airlines werden. Darum bekam die DDR sogar eine Sonderanfertigung. Die A310-Mittelstrecken-Maschinen wurden mit einem Extratank ausgerüstet. So konnte die Interflug die Langstrecken nach Kuba oder Fernost ohne Zwischenstopp bedienen, was mit der sowjetischen IL 62 nicht ging.

Der A310 im Unterflug-Look auf dem Flughafen in Berlin-Schönefeld: 1990 flogen mit dem West-Airbus die Ostdeutschen erstmals nach Mallorca.
Der A310 im Unterflug-Look auf dem Flughafen in Berlin-Schönefeld: 1990 flogen mit dem West-Airbus die Ostdeutschen erstmals nach Mallorca.IINTERFLUG, Abt. Werbung (Archiv)

Ab Herbst 1989 hoben die Airbusse für die Interflug ab. Weiß lackiert und mit Staatswappen am Bug: Meistens saßen darin nur Passagiere aus dem Westen. DDR-Bürger konnten die West-Flieger im Ost-Kleid nur von der Besucherterrasse des Flughafens Berlin-Schönefeld bestaunen. Erst nach Mauerfall und Wende hoben die A310‑Flieger auch mit Ostdeutschen ab, um sie nach Mallorca zu bringen.

Letzter DDR-Airbus rettet als Bundeswehr-Jet Menschenleben

1991 ist mit der Interflug Schluss. Zwei der drei Airbusse wurden die „Air Force One“ der Bundesregierung, mit denen die Kanzler Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel flogen. Bis 2010, dann erwarb eine iranische Airline den einen A310, der irgendwo in einem Depot stehen soll. Der andere Flieger ging 2014 nach Frankreich, wurde für Parabelflüge umgebaut, bei denen die Schwerelosigkeit simuliert wird.

Der letzte Airbus der DDR: Fast 30 Jahre war er für die Bundeswehr im Einsatz.
Der letzte Airbus der DDR: Fast 30 Jahre war er für die Bundeswehr im Einsatz.Thomas Lohnes/AFP

Der dritte DDR-Airbus flog noch bis 2021 als Luftwaffen-Jet, war an den Brennpunkten der Welt im Einsatz. Er brachte Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan, Helfer mit medizinischem Gerät und Hilfsgütern in Krisenregionen oder holte Bürgerkriegsopfer aus Jordanien nach Deutschland. Seine letzte Mission: Im August 2021 flog der Airbus im Rahmen der Bundeswehr-Luftbrücke in Afghanistan 158 Flüchtlinge, darunter 40 Kinder und Jugendliche, von einem Grenzort in Usbekistan nach Deutschland.

Nach der Ausmusterung erwirbt Fabrizio Sepe (55), Chef des Serengeti-Freizeitparks, den DDR-Flieger, damit die Maschine nicht verschrottet wird. So ein Ende hätte der Airbus nicht verdient, sagt er damals. „Schließlich hat der Airbus deutsch-deutsche Geschichte geschrieben.“ Sepe will den Flieger als neue Attraktion für den Tierpark, als Restaurant soll er dort schon 2022 fix und fertig stehen.

Letzter DDR-Airbus soll als Restaurant im Serengeti-Park enden

Doch es gibt Streit. Leitwerk und Tragflächen sind schon in dem Tierpark, da liegt plötzlich Sepe mit den Behörden der Region Hannover im Clinch. Sie wollen nicht den Transport des riesigen Airbus-Rumpfes genehmigen. Der Transport ist keine einfache Sache. Der Weg über die Autobahn geht nicht, da der Flugzeugrumpf mit einem Durchmesser von über fünf Metern nicht durch die Brücken passen würde. Bleibt nur der Weg über Bundes- und Landstraßen. Da machen aber die Behörden nicht mit.

Denn ein Teil der Strecke führt auf 1,8 Kilometern durch ein Landschaftsschutzgebiet. Dafür bedarf es einer Sondergenehmigung. Sie wurde bisher von der Unteren Naturschutzbehörde verweigert. Grund: Auf der gesamten Strecke seien wegen des Transportes 752 Astschnitte an insgesamt 241 Bäumen sowie die Fällung eines Großbaums notwendig. Das ginge nicht.

Fabrizio Sepe (55) ist der Chef des Serengeti-Parks, steht in der Kabine des letzten Airbus der DDR. Er will aus dem Flieger ein Restaurant machen.
Fabrizio Sepe (55) ist der Chef des Serengeti-Parks, steht in der Kabine des letzten Airbus der DDR. Er will aus dem Flieger ein Restaurant machen.Ole Spata/dpa

Fast vier Jahre dauerte der Kampf. Sepe erzählt immer wieder dem KURIER, wie er versucht, mit neuen Transportmethoden die Behörden zu überzeugen, damit der DDR-Flieger endlich im Westen landen kann. Er reicht ein Gutachten für das sogenannte „Reverse-Rigging“-Verfahren ein, um die Straßenbäume auf der Transportstrecke zu schützen. Bei dem Verfahren werden einfach die Äste hochgebunden.

Sepe setzt sich nach langem Hin und Her mit dem Verfahren durch. In diesem Sommer genehmigen die Behörden endlich den Transport. Seit Sonntag (26. Oktober), 23 Uhr, ist er Richtung Serengeti-Park unterwegs. Das Tieferlegen des Rumpfes auf dem Transporter von 6,80 Meter auf 5,90 Meter soll auf der Strecke zusätzliche Schäden an den Straßenbäumen verhindern.

Nur nachts darf der Transport rollen, tagsüber macht der DDR-Flieger Stopps auf stillgelegten Äckern und wird von zahlreichen Schaulustigen bestaunt. Am Mittwoch soll er den Serengeti-Park erreichen, am Donnerstag wird er auf seiner endgültigen Position am Rande der Massai-Mara-Freianlage abgeladen, in dessen Nähe sich Giraffen und Antilopen tummeln.

Bis zum Sommer 2026 soll der letzte DDR-Airbus zum Restaurant „Leo’s Cockpit“ umgebaut sein. 200 Sitzplätze soll es haben. Das ganze Unternehmen sollte eine Million Euro kosten. Nun werden es wohl insgesamt drei Millionen Euro. „Allein der Transport und die Aufwendungen für die Gutachten kosten eine Million Euro“, sagt Serengeti-Park-Sprecherin Asta Knoth dem KURIER.