Der klare KURIER-Kommentar

Warum jetzt auf einmal alles „mega“ ist und nicht mehr „nice“

Alle paar Monate spült das Leben neue Trendworte an den Sprachstrand. Warum es gern eine Nummer kleiner sein darf als immer nur „mega“!

Author - Stefanie Hildebrandt
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Die Aktivistin Clara Mayer ruft bei der Demonstration Fridays For Future in ein Megafon.
Die Aktivistin Clara Mayer ruft bei der Demonstration Fridays For Future in ein Megafon.Lisa Ducret/dpa

Haben Sie es auch schon bemerkt? Dinge, die früher „toll“, „schön“, oder etwas schnöder „geil“ waren, sind jetzt MEGA. Man spricht das mit sehr langem e aus. Je länger, desto toller findet der Nutzer des Universalworts der Stunde offenbar, was ihm da erzählt oder angeboten wird – glaube ich. „Mega“ ist auf dem besten Weg, „nice“ abzulösen, das mittlerweile auch schon von Seniorinnen in Brandenburg verwendet wird. Geht also gar nicht mehr.

Mégas ist Altgriechisch und bedeutet „groß“. Ein Megafon verstärkt gesprochene Worte, macht den Schall groß. Megalomanie bedeutet Größenwahn. Und ich fürchte, wir nähern uns von dieser Seite einem Phänomen, das mich ein bisschen fertig macht.

Dass mega vor allem in der Jugendsprache mega-gerne als Synonym für großartig oder hervorragend genutzt wird, damit kann ich noch irgendwie leben. Nischenphänomen, fein.

Neulich aber musste ich sogar in einem Online-Shop eines Outdoor-Bekleiders von einer „mega bequemen Freizeitjacke aus Baumwolle“ lesen. Zeitungen, auch halbwegs seröse, titeln von Mega-Strafen, der Mega-Kursrakete an der Börse und von einer Kirmes in Soest (!) als Mega-Veranstaltung. Ich bitte euch.

Mit der Vorsilbe der Stunde lässt sich beinahe jedes Adjektiv erhöhen, vergrößern und aufblasen. Es entspricht unserem Zeitgeist, der für den schnellen Klick, den Moment des Ruhms, den viralen Spruch alles auf eine Karte setzt und sehr laut schreit, um noch irgendwie wahrgenommen zu werden. Megafon eben.

Anschreien statt einander zuhören. Mega  macht in seinem Größenwahn schüchterne Adjektive platt.
Anschreien statt einander zuhören. Mega macht in seinem Größenwahn schüchterne Adjektive platt.www.imago-images.de

Und, wie war dein Urlaub? Mega. Wie gefällt dir meine neue Frisur? Mega! Ich habe mich im Fitnessstudio angemeldet. Mega.

Das Präfix aller Präfixe verleiht nicht nur anderen Eigenschaftsworten eine kraftvolle Wirkung wie in mega-lustig, mega-schön oder mega-scheiße, es verdrängt sie immer öfter komplett.

Mega hat sich abgenutzt

Die absolute Reduktion auf das mega aber ist doch eine Mega-Verflachung, oder? Wozu haben wir vielfältige Adjektive wie schön, fein, interessant, klasse, prima, sagenhaft, großartig, exquisit, toll, beeindruckend, beneidenswert, fantastisch, um Zustimmung zu signalisieren. Mega ist wie der Zustimme-Daumen auf WhatsApp: eine Pest.

Im Traum werde ich von gebleichten Zahnreihen in breiten Mündern verfolgt, die meeeega rufen und renne davon. Was kommt als Nächstes? Giiiiga, Alter. Oder maaaaaaximal? Sprache lebt, und sie lebt von Veränderung, ein Glück.  Ich jedenfalls freue mich sehr darauf, wenn sich die Mega-Lemminge bald einem neuen Trendwort zuwenden. Mega ist echt schon mega-durch, finde ich. ■