Erinnern Sie sich?

Star aus den Gojko-Mitic-Filmen: So dramatisch starb die DDR-Legende

Gojko Mitic und Rolf Römer waren in drei Indianerfilmen der DEFA ein kongeniales Paar. Doch 1976 wurde die Karriere von Rolf Römer ausgebremst – dramatisch war auch sein Ende.

Author - Stefan Henseke
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Sie kämpften in drei DEFA-Filmen Seite an Seite: Gojko Mitic und Rolf Römer – hier in „Chingachgook, die große Schlange“.
Sie kämpften in drei DEFA-Filmen Seite an Seite: Gojko Mitic und Rolf Römer – hier in „Chingachgook, die große Schlange“.MDR/Progress Film-Verleih/ Foto Waltraut Pathenheimer

Sie haben sich in das kollektive Gedächtnis von Fans des DDR-Kinos eingegraben. Die zwölf Indianer-Filme der DEFA. Mit Gojko Mitic, dem wohl größten Filmstar des Ostens. Die Bundesrepublik hatte Pierre Brice, die DDR hatte Gojko Mitic. Die Bundesrepublik hatte Lex Barker und Stewart Granger, die DDR hatte – Rolf Römer. In drei von zwölf DEFA-Indianerfilmen spielte Römer mit und wurde dadurch zum Filmstar in der DDR. Wir erinnern an die drei Klassiker, an den großen Schauspieler – und an das dramatische Ende des einst so gefeierten Filmstars.

Auch wenn der Fokus der Kamera immer auf Gojko Mitic lag: Rolf Römer kann man in den Indianer-Filmen der DEFA einfach nicht übersehen. Gojko Mitic ist muskulös-austrainiert und dunkelhaarig, Rolf Römer eher schmächtig und dunkelblond. Der Gegensatz sticht ins Auge. Römer punktete nicht mit Körperlichkeit, sondern mit kleinen Gesten, mit seinen Augen, die viel sagen konnten.

Auch wenn Rolf Römer immer so still wirkt, im wahren Leben eckt er immer wieder an. Der am 20. September 1935 Geborene fliegt in Pirna von der Oberschule. „Wegen Aufsässigkeit und Unbeherrschtheit“, wie es hieß. Danach muss er sich als Bauarbeiter und Traktorist bewähren, macht eine Ausbildung zum Maurer.

Rolf Römer: „Diese Arschlöcher haben diesen Film verboten“

Nach dem freiwilligen Grundwehrdienst bei der Kasernierten Volkspolizei studiert er Schauspiel an der Babelsberger Filmhochschule. Rolf Römer bekommt eine Festanstellung als Charakterdarsteller am Theater in Senftenberg und erste Filmrollen. Doch als seine Filmkarriere Fahrt aufzunehmen scheint, droht schon wieder das Ende. Zwei der Filme, in denen er endlich Hauptrollen („Jahrgang 45“ und „Wenn du groß bist, lieber Adam“) spielen darf, verschwinden damals im Giftschrank.

Sie gehören zu den kritischen, sehr offenen Gegenwartsfilmen, die das berüchtigte 11. Plenum des Zentralkomitees der SED 1965 auf den Index setzt. Fast eine ganze Jahresproduktion der DEFA wird aus dem Verkehr gezogen – und erst nach der Wende wieder in den Kinos gezeigt.

Bei den Dreharbeiten zu „Chingachgook“ in der Slowakei bekommt Römer die schlechte Nachricht. Wütend schreibt er an seine Ehefrau – die Schauspielerin Annekathrin Bürger. „Ich erinnere mich dieses Briefes aus Strbske Pleso, wo er sowas von böse war. Er schrieb, diese Arschlöcher haben diesen Film verboten“, erzählt sie in der MDR-Dokumentation „Legenden: Gojko Mitic“. „Das ist für einen Künstler schlimm. Du denkst, du spielst die beste Rolle deines Lebens und dann machen irgendwelche Leute schnipp und befinden, dass es ideologisch solche Leute bei uns nicht geben darf.“

Wildtöter (Rolf Römer), Chingachgook (Gojko Mitic) und seine Braut Wahtawah (Andrea Drahota) reisen nach erfolgreichem Kampf auf dem Glimmerspiegelsee heim zum Stamm der Delawaren.
Wildtöter (Rolf Römer), Chingachgook (Gojko Mitic) und seine Braut Wahtawah (Andrea Drahota) reisen nach erfolgreichem Kampf auf dem Glimmerspiegelsee heim zum Stamm der Delawaren.MDR/Progress Film-Verleih/ Foto Waltraut Pathenheimer

Der Erfolg der Indianerfilme in der DDR hat aber auch etwas mit dem 11. Plenum zu tun. Die Leute bei der DEFA hätten gemerkt, dass ihnen das Publikum wegbricht, erzählt der Filmkritiker Knut Elstermann in der MDR-Doku. „Da war es eine ziemlich kluge Idee zu sagen: Machen wir was, was ganz exotisch wirkt, den Leuten auch eine Weite vorgaukelt. Natürlich waren das die Karpaten und nicht die Rocky Mountains. Aber es sah eben so aus.“

Die DEFA-Indianerfilme sind auch Rolf Römers Rettung. Politisch unverdächtig und populär. Sie machen Rolf Römer trotz der Verbote zum Filmstar im Osten, nicht nur in der DDR: In „Die Söhne der großen Bärin“ (1965) spielt er Tobias Wolfshäuptling, einen Späher, der die Seiten wechselt. In der DDR strömen 9.442.395 Zuschauer in die Kinos, in der ČSSR 1.737.900 – und in der Sowjetunion gehen 29,1 Millionen in diesen Kinofilm.

DDR-Trailer: „Chingachgook durchschaut das Spiel der Kolonialmächte“

Im Nachfolger „Chingachgook, die große Schlange“ (1966) wird Rolf Römer schon zum gleichberechtigten Co-Star. Der DEFA-Film ist die Verfilmung des Jugendbuchklassikers „Wildtöter“ des US-amerikanischen Autors James Fenimore Cooper. Für die DDR-Verfilmung wechseln nur die Perspektiven. Nicht mehr der weiße Fallensteller Wildtöter (Rolf Römer) ist die Titelfigur, sondern der Mohikaner Chingachgook (Gojko Mitic).

Der Abenteuerfilm spielt im Jahre 1740. Großbritannien und Frankreich bekriegen sich, kämpfen um die Kolonien und ziehen verschiedene Indianerstämme auf ihre Seite. Als ein feindlicher Stamm Chingachgook die Braut raubt, wird er in den Krieg hineingezogen. In DDR-Kinovorschau hieß es damals: „Chingachgook durchschaut bald das unmenschliche Spiel der Kolonialmächte, von dem auch sein eigenes Lebensglück bedroht wird. Ein Film voller Dramatik, Spannung und abenteuerlicher Aktionen, aber auch voller Poesie und Romantik.“

Der dritte DEFA-Indianerfilm mit Rolf Römer ist dann so etwas wie eine Familienproduktion. Römer schreibt das Drehbuch, spielt mit – und seine Frau Annekathrin Bürger übernimmt die weibliche Hauptrolle. Der Film erzählt anhand der historischen Figur des Indianerführers Tecumseh vom Stamm der Shawnee vom heroischen wie aussichtslosen Kampf der Ureinwohner gegen die Weißen. Am Ende des Films fällt Tecumseh im Kampf.

Kurz vor seinem Tod besuchte noch ein Fotograf Rolf Römer und Annkathrin Bürger im Köpenicker Märchenviertel.
Kurz vor seinem Tod besuchte noch ein Fotograf Rolf Römer und Annkathrin Bürger im Köpenicker Märchenviertel.United Archives

Trotz der Mitarbeit am Drehbuch: Die Arbeit an den Indianerfilmen forderte Rolf Römer nicht mehr genug. Er führt Regie, dreht Filme mit seiner Frau („He, Du!“). Bis zum November 1976. Der damals 41-Jährige unterschreibt die Protestpetition gegen die Ausbürgerung von Liedermacher Wolf Biermann aus der DDR. Er darf noch eine „Polizeiruf 110“-Folge drehen – und wird danach aufs Abstellgleis geschoben, bekommt kaum noch Aufträge. Er schlägt sich bis zum Ende der DDR als Sprecher von Hörspielen und Trickfilmen durch.

In Berlin-Köpenick: Gartenarbeit wurde Rolf Römer zum Verhängnis

Die Wende hilft ihm auch nicht weiter. Rolf Römer ist in Vergessenheit geraten. Anders als seine Frau Annkathrin Bürger, die weiterhin gut im Geschäft ist. Drehbücher, die er schreibt, finden im Westen keine Abnehmer. Mit seiner Frau lebt er seit 1969 im Köpenicker Märchenviertel, kümmert sich um Haus und Garten.

Und das wird ihm zum Verhängnis. „Bei Gartenarbeiten hantierte er mit Chemikalien, die sich plötzlich entzündeten, Römers Kleidung fing im Nu Feuer“, berichtet im März 2000 der Berliner KURIER. Mit den Chemikalien wollte er Unkraut vernichten. Wenige Tage später stirbt Rolf Römer am 15. März 2000 im Alter von 64 Jahren in der Unfallklinik Marzahn an den Folgen seiner schweren Verbrennungen.

Der Schauspieler Rolf Römer starb am 15. März 2000 im Unfallkrankenhaus in Berlin-Marzahn.
Der Schauspieler Rolf Römer starb am 15. März 2000 im Unfallkrankenhaus in Berlin-Marzahn.United Archives/imago

Annkathrin Bürger lebt noch mehrere Jahre in dem Haus, zieht erst vor drei Jahren nach Sachsen-Anhalt um. Eines musste sie schweren Herzens zurücklassen, wie die SuperIllu vor drei Jahren schrieb. „Ich konnte den wunderbaren Magnolienbaum, den Rolf gepflanzt hatte, nicht mitnehmen. Aber ich werde mir hier wieder einen pflanzen.“

„Die Söhne der großen Bärin“ (bis 6. Juli), „Chingachgook, die große Schlange“ (bis 6. Juli) und „Tecumseh“ (bis 7. Juli), die DEFA-Filme mit Rolf Römer und Gojko Mitic, sind zurzeit in der ARD-Mediathek zu sehen.