Das DDR-Comic „Mosaik“ wird 70. Zwar ist der Geburtstag erst in einem Jahr. Doch die Macher der legendären ostdeutschen Zeitschrift, die nun ihren Sitz im Westen Berlins haben, sind schon mächtig in Feierlaune. Denn sie planen Großes für die Mosaik-Fans im Jubiläumsjahr 2025.
Drei Knirpse haben die DDR-Jugend vieler Ostdeutscher bestimmt. Bei den einen waren es die Digedags, bei den anderen wurden es später die Abrafaxe, die bis heute das legendäre DDR-Comic „Mosaik“ auf Erfolgskurs halten. Egal, für wen nun sein Herz höher schlägt – die Fans des Kultheftes dürfen ab Januar feiern und dem großen Tag im Dezember 2025 entgegenfiebern, wenn das Kult-Comic 70 Jahre alt wird.
„So ein bemerkenswertes Ereignis muss gefeiert werden – und zwar gleich zwölfmal“, sagt Robert Löffler, Sprecher des „Steinchen für Steinchen“-Verlags, in dem das „Mosaik“ mit den Abenteuern der Abrafaxe seit 1991 erscheint. Jeden Monat warte eine Überraschung auf die Leser, kündigt Löffler an, ohne Details zu verraten.
Zudem gibt es für die Abonnenten das ganze Jahr lang einen exklusiven Titel. Also einen, der sich von den Heften am Kiosk unterscheidet. Am Jahresende erscheint die 600. „Mosaik“-Ausgabe mit den Abenteuern der Abrafaxe.
Ihre Vorgänger hießen Digedags. Die Kobolde Dig, Dag und Digedag, die mit ihren Knollennasen in der DDR den West-Comics wie Micky Maus Paroli bieten sollten. Denn die Hefte mit den Figuren des US-Zeichners Walt Disney waren in der DDR verboten, die sich viele Kinder und Jugendliche in den 50er-Jahren an Westberliner Kiosken kauften, als es die Mauer noch nicht gab.
Im Kampf gegen Micky Maus: Im Dezember 1955 erschien das erste „Mosaik“-Heft in der DDR
Als am 22. Dezember 1955 das erste „Mosaik-Heft in der DDR erschien, waren die Abenteuer der Digedags die sozialistische Antwort auf Micky Maus und Co. im Westen. Übrigens: Das Wort Comic gab es damals im Osten im offiziellen Sprachgebrauch nicht. „Bildergeschichten“ sagte man dazu.

Warum drei Kobolde mit Knollennasen der Micky Maus in den 50ern den Kampf ansagten? „Unter dem Eindruck der West-Comics entstand damals in der DDR die Idee: Wir müssen etwas Eigenes machen, was wir dem ,West-Schund‘“ entgegensetzen können“, erklärte einmal der Historiker und Comic-Forscher Michael Scholz.
Dabei habe man sich in der Tradition von Wilhelm Busch und Heinrich Zille gesehen. Daraufhin starteten damals das „Mosaik“ mit den drei Helden Dig, Dag und Digedag sowie die Zeitschrift „Atze“, mit den Mäusen Fix und Fax. Aber auch in Jugendzeitschriften wie „Frösi“ erschienen „Bildergeschichten“. Die Staatsführung der jungen DDR hatte befürchtet, dass die bunten Comic-Heftchen aus dem Westen zur Verrohung der Jugend beitragen würden.
Das „Mosaik“ war aber die beliebteste Comic-Zeitschrift der DDR. Die ersten Hefte kosteten 95 Pfennige, dann 60 Pfennige. Und wer sie am Kiosk oder als Abo bekam, konnte sich im Osten glücklich schätzen. Sie gehörten zur berühmten „Bückware“ in der DDR. Denn Paper war wertvoll und knapp. So wurden die „Mosaik“ in geringer Auflage gedruckt.

Ausgedacht hatte sich den DDR-Comic Hannes Hegen. Eigentlich hieß er Johannes Hegenbarth, war Grafiker und Bühnenzeichner. Als Karikaturist arbeitete er anfangs unter anderem für die Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“. 1955 kam er auf die Idee, Bildergeschichten zu zeichnen und stellte dem Verlag Junge Welt sein Projekt vor. Und der Verlag griff zu.
Der Papa der Digedags: Hannes Hegen erfand das DDR-Comic „Mosaik“
In einer Villa in Karlshorst baute Hegen sein Atelier auf. Hier entstanden die Geschichten der Digedags. Anders als die DDR-Bürger kannten die Kobolde keine Grenzen und waren so in verschiedene Länder. Und vor allem konnten Dig, Dag und Digedag dabei auch durch die Zeit reisen. Sie waren im Orient, in Amerika, in Venedig, im antiken Rom und sogar im Weltraum.
Eine der legendären Figuren, mit denen die Digedags unterwegs waren, war der Ritter Runkel. Diese Geschichten dachte sich damals der Autor Lothar Dräger für das „Mosaik“ aus, der später die „Abrafaxe“ erfand.
Hegen musste ganz schön kämpfen, damit seine Hefte erschienen. Zunächst gab es Material-Probleme. Farbe und Stifte ließ Hefen anfangs im Westen einkaufen.
Das andere Problem: Der Verlag Junge Welt bemängelte, dass die Digedags-Geschichten zu wenig politisch waren. „Nein, da machte ich nicht mit“, sagte Hegen in seinem letzten Interview, dass er vor seinem Tod (starb 2014) dem KURIER gab. „Wenn ich zeichne, mache ich das nur noch zur Freude. Als später die Partei wollte, dass die Hefte politischer werden sollten, hörte ich mit dem ,Mosaik’ auf.“
Dazu kam noch ein Streit mit dem Verlag Junge Welt um wirtschaftliche Belange. 1975 stieg Hegen 5 aus. Dies war das Ende der Digedags – nach 229 Heften.

Ab Januar 1976 traten dann die Abrafaxe die Nachfolge der Digedags an. Bis heute sind Abrax, Brabax und Califax unterwegs. Das allererste Abrafaxe-Heft hieß „Das Geheimnis der Grotte“. Die Figur eines Harlekin kündigt darin an, dass das Knollennasen-Trio fortan die Spaßmacher der Welt begleiten werde – unter anderem Till Eulenspiegel. Doch auf sein Erscheinen mussten die Leser fast 50 Jahre lang warten.
Zoff beim DDR-Comic Mosaik: 1976 lösten Abrafaxe die Digedags ab
Zu Beginn des kommenden Jahres werde das Versprechen nun eingelöst, verriet Verlagssprecher Robert Löffler der Deutschen Presse-Agentur. „Die Abrafaxe machen einen Zeitsprung zu Till Eulenspiegel.“ Immer wieder hätten Leser nach ihm gefragt. 2025 ist das 50. Abenteuer-Jahr der Abrafaxe.

„Viele Leute werden eine neue Seite von Eulenspiegel kennenlernen. Ich fand es wichtig, dass er keine Kasperpuppe ist, sondern sehr kratzbürstig“, berichtet Jens-Uwe Schubert. Der 61-Jährige denkt sich seit 1991 die Abenteuer der Abrafaxe aus. „Wir bemühen uns, vom Klischee einer Figur immer ein Stück zur Seite zu gehen.“
DDR-Comic „Mosaik“: So entstehen die Geschichten
Um möglichst nah an den historischen Fakten zu bleiben, recherchiert Schubert viel. „Viele alte Bücher sind ja inzwischen digitalisiert, das erleichtert mir die Arbeit. Wir kaufen aber auch antiquarische Sachen.“ Redaktionsleiterin Maren Ahrens betont: „Wir erzählen historische Zusammenhänge nebenbei.“

Schuberts Texte werden dann von den bisher sieben Zeichnern bebildert - noch immer per Hand. Sie arbeiten meist auf Papier, seit Kurzem gibt es aber auch einige Zeichentablets.
Ein Wessi rettete das DDR-Comic „Mosaik“
Das Zeichner-Team sitzt auf einer Etage in einer Villa im Berliner Westen, dem Sitz des Verlags. Im kommenden Jahr wird es dort ein wenig voller: Wegen des Jubiläums wurden zwei weitere Zeichner eingestellt, wie Herausgeber Klaus D. Schleiter berichtet. Insgesamt zählen zum „Mosaik“-Team rund 20 Mitarbeiter.
Schleiter hatte die Zeitschrift 1991 gemeinsam mit Anne Hauser-Thiele übernommen und damit gerettet. Das „Mosaik“ war im DDR-Verlag Junge Welt erschienen, der nach dem Mauerfall liquidiert wurde. Hauser-Thiele und Schleiter hatten eine gemeinsame Werbeagentur.

Schleiter sagt über das Comic-Heft: „Bei den Storys, die wir erzählen, sollen die Leser sagen ‚Wow, das wusste ich noch nicht‘.“ Die Zeitschrift sei ein Familienmagazin. Die Auflage liegt nach Angaben des Verlags aktuell bei rund 110.0000 Heften – darunter 40.000 im Abonnement. Unter den Abonnenten seien auch ausgewanderte Ostdeutsche etwa in Australien und Norwegen.








