Er ist bis heute ungebrochen - oder vielleicht sogar wieder größer geworden: der Kult um die DDR-Mopeds. Schwalbe, S50, Star oder Habicht erfreuen sich großer Beliebtheit. Noch rund eine Million DDR-Krads sollen laut Schätzungen von Experten auf deutschen Straßen rollen. Fans treffen sich in Simson-Clubs, schrauben gemeinsam an den Mopeds, tauschen sich in Online-Gruppen aus und fahren zu Treffen.
„Simson-Räder sind Kult. Da gibt es eine riesige Community, die sich auch gegenseitig hilft“, so Detlef Pasenau, der bis 2005 eine Zweirad-Werkstatt in Frankfurt (Oder) betrieb.
Simson-Kult geht auf Kinder über
Für viele, die in der DDR aufgewachsen sind, bergen die DDR Mopeds S50, S51 oder Roller wie die Schwalbe Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend. Und auch im DDR-Fernsehen war die „Vespa des Ostens“ zu sehen. So fuhr das DDR-Sandmännchen unter anderem eine Schwalbe und die berühmte „Schwester Agnes“ düste auf ihr zu ihren Patienten.
Mittlerweile geht das auch auf die Kinder über. „Das kommt von den Eltern“, sagt Mopedfahrer Julien, den die Berliner Zeitung (Bezahlschranke) im August auf einem Simsontreffen in Stadtlengsfeld in Thüringen traf. Simson, das sei „wenigstens noch was Gescheites“, heiße es von Papa und Mama. „Hast nichts gehabt, hast aus Scheiße Gold gemacht.“
So haben auch Vereine für die Mopeds Zulauf. „Wir haben auch Schrauber bei uns im Verein, die sind 18, 19 Jahre alt, kennen die Maschinen gar nicht mehr aus DDR-Zeiten, sind aber fasziniert, weil man daran vieles noch selbst und leicht reparieren kann“, so Silke Gute, Vereinschefin der „Zweitaktpioniere“ aus Sauen (Oder-Spree).

Simson-Mopeds: Dank Wendedeal offizielle Erlaubnis zum Schnellfahren
Doch einer der wichtigsten Gründe ist eine bis heute gültige Ausnahmeregelung. „Mit Simsons kann man einfach schneller fahren“, sagt Julien aus Hildburghausen. Der Grund dafür steht im Einigungsvertrag von 1990: Vor dem 28. Februar 1992 zugelassene Simsons sind allen anderen Rollern gleichgestellt. Während andere Mopeds und Mofas mit dem Führerschein der Klasse AM oder mit dem Autoführerschein nur bis 45 Stundenkilometer gefahren werden dürfen, können Simson-Fahrer ihre Gefährte auf bis zu 60 km/h hochziehen - und das bereits ab einem Alter von 15 Jahren.
Und was wohl auch eine Rolle spielt: In den ländlichen Gegenden, vor allem im Osten, fahren Busse und Züge in vielen Orten selten und in anderen gar nicht. Da bedeutet ein fahrbarer Untersatz auch ein Stück Freiheit - vor allem, wenn man ihn schon mit 15 und nicht mit 18, wie ein Auto, legal und allein fahren darf.

Doch das Image der Krads hat sich auch erheblich gewandelt. Zu DDR-Zeiten galten die Mopeds von Simson und Co. zwar nicht gerade als schick, aber sie hatten andere Qualitäten. „Besonders modern, schnittig und schnell waren Schwalbe & Co. wahrlich nicht“, so DDR-Historiker Jens Schöne. „Dafür waren sie aber robust und – in der DDR nicht zu unterschätzen – vergleichsweise leicht zu reparieren.“
Simson-Mopeds sind begehrt – bei Käufern und bei Dieben
Insgesamt produzierte allein Simson zwischen 1945 und 1989 rund sechs Millionen Mopeds, die vor allem der Vogelserie zuzurechnen waren. Laut Kraftfahrtbundesamt sind noch 20.000 DDR-Mopeds zugelassen, Experten gehen aber von deutlich mehr aus. Rund eine Million DDR-Mopeds sollen es heute hierzulande noch geben. Wer ein solches Gefährt in der Garage hat, hat einen echten Schatz daheim.
Mittlerweile erzielen die Kult-Mopeds auf dem Gebrauchtmarkt Rekordpreise. Mehrere Tausend Euro müssen Interessenten blechen, wenn sie eines der DDR-Mopeds ihr Eigen nennen wollen. Selbst sehr reparaturbedürftige Krads kosten mittlerweile oft schon mehr als 1000 Euro – auch ein Grund, warum Diebe es vermehrt auf die Roller abgesehen haben.

Brandneue Simson aus Ersatzteilen – nur eins muss original sein
Von dem Image profitieren jedoch auch Unternehmen, die Ersatzteile für die DDR-Mopeds bauen, wie die Firma ZT Tuning aus dem Vogtland. 2009 begann Gründer Jens Opitz als 22-Jähriger selbst an seiner Simson herumzuschrauben. Mittlerweile hat sich daraus ein größeres Unternehmen mit derzeit 25 Mitarbeitern entwickelt, das weiter ausbaut.
Viele Teile produzieren sie heute selbst, andere liefern Partnerfirmen, unter anderem aus Italien, den USA oder Asien. Das Unternehmen bietet so viele Ersatzteile, dass man sich fast ein ganz neues Moped daraus bauen kann. „Man braucht nur einen alten Rahmen mit der Original-Fahrgestellnummer“, so Jens Opitz gegenüber der Freien Presse.
Auf einem brachliegenden Industriegelände in der Nähe von Weischlitz will das Unternehmen nun eine neue Werkshalle in der Größe eines Fußballfeldes bauen und 13,5 Millionen Euro investieren.

Kult um DDR-Mopeds bekommt auch Schattenseiten
Der Kult um die Mopeds wird auch auf mittlerweile riesigen Treffen gepflegt. Auf dem Simson-Treffen in Zwickau im Juni, dem größten seiner Art, kommen jedes Jahr Zehntausende Fans zusammen.
Doch das Treffen geriet dieses Jahr massiv in die Schlagzeilen. Ein Journalist des MDR hatte sich eingeschleust und rechtsextreme Sprüche und Zeichen dokumentiert. Fotos zeigten Jugendliche mit Hakenkreuzen und rassistischen Symbolen. Die zu Bränden hinzugerufene Feuerwehr sei von Jugendlichen angegriffen worden. Laut Szenekennern vermischt sich auf manchen Treffen Ostalgie mit NS-Verherrlichung. Die AfD macht mit den DDR-Mopeds Wahlkampf.
Warum sich gerade die Simson zu einem Symbol entwickelt hat, ist schwer zu sagen. „Es gibt viele, die das Simson-Fahren heute irgendwie für Widerstand halten“, so Historiker Jens Schöne. „Aber das ist Unsinn.“
Vielleicht würde es helfen, die Simson wieder als das zu sehen, was sie eigentlich ist. Ein schönes altes Moped, das ganz offiziell bis zu 60 Stundenkilometer fahren darf.
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