Eine Villa am Wald am Potsdamer Lehnitzsee. Einst gehörte das Haus der Familie Adlon, die hier in dem edel umgebauten Landhaus ihre Sommer verbrachte. Doch nach dem Krieg von 1948 bis Ende der 1960er-Jahre diente das Haus in der DDR als Kinderklinik.
„Brandenburgische Landeskinderklinik Neufahrland“ steht über einem angegilbten Krankenblatt, das das Landeshauptarchiv Brandenburg verwahrt. Daneben das Bild eines kleinen Jungen. Es gebe nur wenige Dokumente, wie dieses, Akten, oder Fotos von der ehemaligen Kinderklinik, sagt Sabrina Knüppel, die Vorsitzende des Berliner Informations- und Begegnungszentrum (IBZ) Königsheide gegenüber der Berliner Zeitung.
Knüppel und Forscher der FH Potsdam wollen das ändern, und Licht in das Dunkel der ehemaligen Kinderklinik Neufahrland bringen.
„Wir wollen in Erfahrung bringen, was Menschen während ihres Aufenthalts dort erlebt haben“, erklärt das Forschungsteam in einer Mitteilung. DDR-Heimkinder seien dort häufig auf Kur geschickt worden. Die Geschichte der Einrichtung sei jedoch völlig unbekannt.
DDR-Psychiatrie: Akten auf dem Dachboden
Davon, dass auch Kinder, die in DDR-Kinderheimen aufwuchsen, in andere Psychiatrien zur Kur geschickt wurde, zeugen Akten, die im Dachgeschoss der Adlon-Villa gefunden wurden. Jahrzehntelang verstaubten Dokumente über die Schicksale einiger hundert Kinder hier, bis die heutigen Eigentümer der Villa sie an das IBZ Königsheide übergaben.
Die Geschichte des Hauses, das zuletzt wegen eines Treffens Rechtsextremer bekannt wurde, ist bewegt. Bevor die Villa in der DDR als Kinderklinik genutzt wurde, zogen nach dem Krieg kurzzeitig sowjetische Soldaten ein – zumindest für die Zeit der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945.

Ende Juni 1948 kamen dann die ersten Beschäftigten und die Patienten der Kinderpsychiatrie in das Landhaus. In den historischen Unterlagen ist die Rede von „der Einrichtung einer psychiatrischen Kinderklinik für schulpflichtige Bettnässer“, berichtet die Berliner Zeitung. Die Wohnbedingungen seien alles andere als komfortabel gewesen, erinnerte sich die Tochter der Chefärztin einst. Die Patienten: Kinder, die nach dem Krieg verwaist, obdachlos, verwahrlost und traumatisiert in die Obhut des Staates gelangten.
DDR-Psychiatrie: Hilfe, Verwahrung oder sogar Missbrauch
Generell gilt in der DDR die Psychiatrie als Stiefkind in der Medizin. Schlecht ausgestattet, erlebten Menschen in der DDR in Psychiatrien, sonderpädagogischen Einrichtungen oder Heimen der Behindertenhilfe nicht selten Demütigung und auch Gewalt. In den oft maroden oder abgelegenen Unterkünften bewegten sich erwachsene und minderjährige Patienten oft im Spannungsfeld zwischen Hilfe, Verwahrung oder sogar Missbrauch. Grund genug, mehr über die Geschichte der Kinderklinik in Neufahrland herauszufinden.
Die Forschungsgruppe der FH Potsdam und des IBZ Königsheide sucht daher Zeitzeuginnen und -zeugen aus Neu Fahrland und Umgebung, die Erinnerungen an die ehemalige Kinderklinik Neufahrland teilen können.
Landhaus Adlon Treffpunkt von radikalen Rechten
Bekannt ist die ehemalige Klinik seit dem letzten Jahr, weil dort am 25. November 2023 ein Treffen radikaler Rechter stattgefunden hatte. AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion hatten teilgenommen. Inzwischen wurde das Haus in „Villa Aurea“ umbenannt und wird unter anderem als Hochzeitslocation vermietet.
Zeitzeugen können sich beim IBZ Königsheide, Sabrina Knüppel, Südostallee 146, 12487 Berlin, Telefonnummer 030/67 95 11 55 (AB außerhalb der Öffnungszeiten) oder per Mail unter neufahrland@ibz-koenigsheide.de melden. ■