Wer in die Apotheke muss, um sich wichtige Medikamente zu besorgen, muss den Laden unter Umständen enttäuscht wieder verlassen – Berichten zufolge leidet Deutschland wieder unter einem Medikamenten-Mandel. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage haben viele Deutsche bereits Erfahrungen damit sammeln müssen – rund jeder zweite berichtet demnach davon, dass er oder Menschen in seinem Umfeld wichtige Medikamente nicht bekommen hätten. Auch die Apotheker warnen davor, dass sich die Lage immer weiter verschärft.
Umfrage zeigt: Jeder zweite Deutsche litt bereits unter Engpässen bei Medikamenten
Schon seit Wochen wird immer wieder davor gewarnt, dass es zu Engpässen bei bestimmten Medikamenten kommen kann. Eine Forsa-Umfrage zeigt nun das Ausmaß: Hier wurden Deutsche im Auftrag von Phagro, dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels, nach ihren Erfahrungen mit Medikamentenmangel befragt. Ergebnis unter anderem: 47 Prozent der Menschen haben bereits Erfahrungen mit solchen Engpässen gemacht – oder kennen Geschichten aus dem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis. Das ist fast jeder zweite Deutsche!
Die genaueren Zahlen: 29 Prozent der Befragten gaben laut „Bild“ an, dass ihnen ein Medikament, nach dem sie in der Apotheke fragten, nicht ausgehändigt werden konnte. Als Beispiele wurden wichtige Antibiotika, Medikamente für Diabetiker oder Krebs-Patienten genannt. 22 Prozent sagten laut der Umfrage, dass sie das Problem aus dem engsten Familienkreis kennen. Und: Offenbar sind die Menschen von der Situation ordentlich genervt. Denn: 77 Prozent gaben an, es für wichtig zu halten, dass ihre Medikamente schnell verfügbar sind – und satte 92 Prozent der Befragten sind überzeugt davon, dass die Politik mehr gegen Lieferengpässe tun muss.

Apotheker berichten: So dramatisch ist der Medikamenten-Mangel für die Kunden
Nun melden sich auch Apotheker zu Wort. „Aktuell fehlen uns 837 Arzneien aus 395 verschiedenen Arzneimittelformen, und die Zahlen steigen wieder“., sagt etwa ein Apotheker aus Emmerich in NRW in einem Interview mit der „Bild“. Er spricht davon, dass besonders Psychopharmaka, Asthma-Medikamente und Medizin für Dialyse-Patienten fehlen, außerdem verschiedene Medikamente für Diabetiker und Antibiotika. Schon vor einiger Zeit gab es eine Krise bei den Schmerzmitteln: Über Wochen gab es Probleme bei der Versorgung mit Ibuprofen. „Hier ist etwas Entspannung eingetreten, weil die Hersteller dort die Einkaufspreise weitestgehend frei kalkulieren können“, sagt er.
Ein anderer Apotheker aus Diez in Rheinland-Pfalz berichtet davon, was manche Kunden auf sich nehmen müssen, um an ihre Medikamente zu kommen. „Dass die Lage in anderen Apotheken mitunter noch viel dramatischer ist, wird deutlich, wenn Kunden fast eine Stunde mit dem Auto zu einer unserer Filialen fahren, weil ihr Medikament vor Ort einfach nicht zu bekommen ist“, sagt er. Und: Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte bestätigen die Situation. Demnach gibt es aktuell Engpässe bei 462 Arzneimitteln, 737 Lieferengpässe wurden zwischen Januar und Oktober gemeldet.
Diabetes, Infekte und Bluthochdruck: Diese Medikamente sind besonders schwer lieferbar
Welche Medikamente sind besonders betroffen? Laut einem Bericht der „Bild“ zählen zu den Mitteln Medikamente für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck (Spironolacton, Torasemid), Allopurinol gegen Gicht und das Krebs-Medikament Tamoxifen. Bei Diabetes-Patienten ist Semaglutid betroffen, ein Mittel, das auch aus Ozempic bekannt ist, außerdem Insulin. Außerdem bestehen Schwierigkeiten beim Asthma-Medikament Salbutamol, bei den Antibiotika Azithromycin und Clindamycin, bei den Psychopharmaka Quetiapin und Mirtazapin und beim Augenmedikament Dexa-Gentamicin. ■