Wann kommen Kettensägen?

Flüchtlingshäuser in Pankow: fallen die Bäume in Nacht- und Nebelaktion?

Im Dauerstreit um die Nachverdichtung in Innenhöfen am Pankower Schlosspark zeichnet sich ein neuer Showdown ab.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Der Baubeginn eines umstrittenen Neubauprojektes am Schlosspark Pankow verzögert sich seit Jahren. Zwei Häuser für Geflüchtete sollen in den Innenhöfen entstehen, doch der Umwelt- und Naturschutz wurde bisher nicht ausreichend bedacht.
Der Baubeginn eines umstrittenen Neubauprojektes am Schlosspark Pankow verzögert sich seit Jahren. Zwei Häuser für Geflüchtete sollen in den Innenhöfen entstehen, doch der Umwelt- und Naturschutz wurde bisher nicht ausreichend bedacht.Ida Krenzlin

Wenn der Nikolaus am Freitag den Pankower Kindern die Stiefel mit Süßigkeiten füllt, kämpfen Anwohner im Grünen Kiez an der Pankower Ossietzkystraße mit einer weiteren Aktion für den Erhalt eines Großteils der begrünten Innenhöfe mit vielen alten Bäumen.

Am Freitag um 17 Uhr laden sie zur Kundgebung am Ossietzkydenkmal mit beleuchteten Bäumen. Das Werben für einen Kompromiss in der verfahrenen Angelegenheit um die massive Verdichtung der Höfe mit zwei Flüchtlingsunterkünften und damit auch der Vernichtung eines großen Teils Stadtnatur wird dringlicher. Denn die Zeit wird knapp.

Die Anwohner fürchten, dass die Gesobau in Kürze in einer Nacht- und Nebelaktion Tatsachen schaffen und Bäume fällen könnte. Das Zeitfenster, bevor eine neue gesetzliche Schonfrist beginnt, schließt sich Ende Februar. Schon jetzt zieht sich das umstrittene Bauvorhaben seit Jahren hin, kostet der Zaun auf dem Gelände Millionen.

Anwohner und Umweltinitiativen warnen Behörden und Gesobau allerdings davor, ohne Ankündigung mit dem Bau zu beginnen. „Wir sind in Alarmbereitschaft und reagieren sofort“, sagt Britta Krehl von der Anwohnerinitiative „Grüner Kiez Pankow“. Auch Umweltschutzverbände hätten sich schon auf einen baldigen Baustart eingestellt und seien „klagebereit“.

Auf dem Gelände zwischen Kavalierstraße und Ossietzkystraße finden derzeit Baumschnittmaßnahmen statt. Ein Vorspiel zur großen Fäll-Aktion?
Auf dem Gelände zwischen Kavalierstraße und Ossietzkystraße finden derzeit Baumschnittmaßnahmen statt. Ein Vorspiel zur großen Fäll-Aktion?Stefanie Hildebrandt

„Es zeigt sich leider immer deutlicher, dass die Zerstörung des Grünen Kiezes in Pankow droht“, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin gegenüber dem Tagesspiegel. „Aktuell besteht die Gefahr, dass der Bezirk Pankow eine Ausnahmegenehmigung für die Fällung der Bäume und Gehölze erteilt und dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vollendete Tatsachen geschaffen werden.“

Bezirksamt will Rodungen wohl genehmigen

Das Pankower Bezirksamt hatte zwar zuvor die neuerlichen Einwände von Umweltverbänden angehört, Signale aus dem Amt aber deuten darauf hin, dass, anders als im letzten Jahr, das Amt die Rodungen nun genehmigen wird.  Ein entsprechendes „abschließendes Schreiben“ an die Gesobau sei bereits vorbereitet, so ein Bericht des Tagesspiegels.

Hintergrund des lange währenden Streits: Die landeseigene Gesobau will in den grünen Höfen mit vielen alten Bäumen zwei Häuser errichten, die die Bestandsbauten aus den 1950er Jahren überragen würden. In den 99 Wohungen sollen dann über 400 Geflüchtete unterkommen.

Die Häuser waren zunächst von der Gesobau als normale Mietshäuser geplant worden, wegen der Massivität des Vorhabens regte sich bei Anwohnern und in der Pankower Lokalpolitik Protest. Diesen ignorierend, wurde der Bau per Sonderbaurecht von Bausenator Christian Gaebler als Geflüchtetenunterkunft deklariert und durchgedrückt.

Ein Kompromissvorschlag, der einen Großteil der Vegetation erhalten könnte, und in dem anstelle der 99 Wohungen 70 Wohnungen entstünden, wurde bisher mit dem Hinweis auf Wirtschaftlichkeit von Tisch gefegt.

„Eine Zerstörung der Habitate durch eine Nacht-und-Nebel-Aktion darf es nicht geben“, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin gegenüber dem Tagesspiegel. „Wir erwarten deshalb vom Bezirk, dass die Naturschutzverbände rechtzeitig vor einer möglichen Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung informiert werden, um die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten zu können.“ Man habe bereits einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Berlin vorbereitet, „um den Artenschutz im Grünen Kiez durchzusetzen“.

Große Kundgebung an Pankower Grünen Höfen

Bei der Kundgebung am 6. Dezember wolle man dem Berliner Senat zeigen, dass die Pankower nicht klein beigeben, sondern weiter für eine demokratische, lebensfreundliche und zukunftsfähige Gestaltung des Kiezes kämpfen, so Krehl.

Pankow ist der Bezirk mit den meisten Flüchtlingsunterkünften in der Stadt. Im Bezirk sollen demnächst fünf weitere Unterkünfte für Geflüchtete geschaffen werden. An den fünf zusätzlichen Standorten sollen einem Bericht von Entwicklungsstadt Berlin zufolge 1400 neue Plätze entstehen. Einer der geplanten Standorte mit Kapazitäten von bis zu 500 Plätzen liegt am Pflasterweg in Blankenburg. Dort soll der Bau im zweiten Quartal 2025 beginnen.

Wie viele Unterkünfte für Geflüchtete kann Pankow stemmen

Im Hotel an der Landsberger Allee Ecke Weißenseer Weg in Lichtenberg gab es ebenfalls Anwohnerproteste. Hier sollen 1200 Flüchtlinge einziehen.
Im Hotel an der Landsberger Allee Ecke Weißenseer Weg in Lichtenberg gab es ebenfalls Anwohnerproteste. Hier sollen 1200 Flüchtlinge einziehen.Benjamin Pritzkuleit

Außerdem ist eine Containerunterbringung mit 400 Plätzen auf dem ehemaligen Schlachthofgelände im Prenzlauer Berg geplant. Der Bau soll ebenfalls 2025 beginnen, im Jahr 2026 soll die Eröffnung stattfinden. Ursprünglich war dort ein Hotelprojekt vorgesehen, jetzt kommt die Unterkunft.

Eine temporäre Einrichtung mit 500 Plätzen soll in der Elisabeth-Aue in Blankenfelde bis 2026 entstehen. Weitere geplante Standorte sind die erwähnte Ossietzkystraße im Grünen Kiez und die Berliner Straße in Pankow. Hier befindet sich die Unterkunft in der Bauantragsprüfung.

Da nach Angaben des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten etwa 20 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner schulpflichtig sind, sollen an den Standorten Willkommensklassen eingerichtet werden. Eine enge Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Initiativen und sozialen Einrichtungen ist ebenfalls geplant, um eine umfassende Betreuung und Integration zu gewährleisten. ■