Obwohl derzeit mehrere Eilanträge gegen das Bauvorhaben und die Baumfällungen an der Pankower Ossietzkystraße laufen, hat die Gesobau am Mittwochmorgen mit Bauvorbereitungen begonnen. Protestierende Anwohner wurden von der Polizei weggetragen. Die Gesobau als Vermieter der Menschen stellte Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen sie.
Senioren auf Krücken in Polizeigewahrsam
Wer an diesem Vormittag am Pankower Schlosspark vorbeikommt, sieht Folgendes: Senioren auf Krücken in Polizeigewahrsam. Eine alte Dame ganz in Weiß, aufrecht hinter dem Absperrband, ihre Personalien werden gerade aufgenommen.
Väter und Mütter mit Kindern sammeln noch Kastanien im Hof, während Bauarbeiter großflächig Bauzäune um eine Wiese mit Bäumen aufstellen. In der Mitte des Hofs, wo bis vor kurzem noch Lesungen und Konzerte stattfanden, steht jetzt ein Dixiklo. Am Rande patrouillieren Wachschützer mit Kampfhunden.

Unter den Augen von Polizisten wirft die Gesobau schon einmal das Handtuch auf die Liege. Hier will sie bauen, hier wird sie bauen, über alle Einwände hinweg. Über die Fällung von Bäumen wurde vereinbart, zumindest bis zum Ende der Woche abzuwarten. Eine Galgenfrist.

Eilantrag von Umweltverbänden gegen Fällung von Bäumen
Auf der Straße und auf den Gehwegen haben sich am Morgen die Anwohner versammelt. Sie wollen laut protestieren. Erst am Montag, einen Tag vor dem Feiertag, hatten drei Umweltverbände, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin), die Naturfreunde Berlin sowie die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) einen Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht gestellt, die Fällungen und Rodungsarbeiten von bis zu 50 Bäumen in den Innenhöfen der Pankower Ossietzkystraße zu stoppen, bis der Artenschutz ausreichend berücksichtigt worden ist.
Von der Gesobau heißt es, bis heute 15 Uhr müssen die Unterlagen beim Verwaltungsgericht eingereicht sein, dann hoffe man auf eine schnelle Entscheidung. Dass die Gesobau nicht einmal bis dahin abwarten kann, verstehen die Anwohner nicht. Wohnungseigentümer haben zusätzlich ebenfalls Eilanträge gestellt, die eine komplette Stilllegung der Baustelle fordern. Auch hier steht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus.

„Verstehen Sie nicht, dass hier Demokratie kaputtgemacht wird“, fragt eine Frau einen der angerückten Polizisten. Die Beamten dürfen ihre Meinung zu dem ganzen Vorgehen hier nicht äußern. Doch man hört nicht nur einmal „Dafür bin ich nicht Polizist geworden“. Man müsse aber die Interessen anderer durchsetzen, auch wenn man das nicht immer für richtig halte.
Die Stimmung am Morgen ist angespannt, aber friedlich. Die anwesenden Polizisten sollen ausgleichend wirken. Einige Menschen haben Tränen in den Augen, als die Räumung einer Blockade an der Einfahrt zum Gelände beginnt. Dass ein privatwirtschaftliches Wohnungsbauprojekt unter Ausnutzung schäbigster Gedanken durchgesetzt wird, sei eine Riesensauerei, sagt ein Mann, der das Geschehen beobachtet.

Die Gesobau plant eine massive Nachverdichtung, will 90 Wohneinheiten zunächst für Geflüchtete per Sonderbaurecht durchsetzen. 66 Bäume müssten weg. Ein über vier Jahre erarbeiteter Kompromiss, den auch die Anwohner mittragen würden, sähe eine maßvolle Bebauung vor, bei der 50 bis 60 Wohneinheiten entstehen würden. Nur 14 Bäume müssten gefällt werden.
Alternative liegt auf dem Tisch, Senat bügelt sie ab
Durch den bezirklichen B-Plan könnten mit Aufstockungen ebenso viele Wohnungen gebaut werden bei gleichzeitiger Schonung der grünen und sozialen Ressourcen, argumentieren die Bürger. Am morgigen Donnerstag wollen die Pankower noch einmal Tausende Unterschriften unter einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner übergeben und planen eine weitere Demonstration vor dem Abgeordnetenhaus.

Auf ihrem Hof stehen derweil die Gitterzäune und Container für den Wachschutz, der hier 24 Stunden am Tag die Bürger und die Baustelle im Blick haben soll. Der Ort, der Rückzugsraum sein soll, die eigene Wohnung, die Nachbarschaft, sie hat ihre Schutzwirkung verloren, ist verseucht vom vergeblichen Ringen.