Irrsinn um geplantes Flüchtlingsheim

Gesobau lässt für Zigtausend Euro eine Wiese in Pankow bewachen

Rund um die Uhr wird in der Pankower Ossietzkystraße eine Wiese mit Bäumen bewacht - von 14 Security-Männern! Das ist teuer. Mieter fürchten, dass sie für die Kosten aufkommen müssen.

Author - Stefanie Hildebrandt
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In der Ossietzkystraße in Pankow protestieren die Mieter gegen die Verdichtung des grünen Innenhofs durch Baumaßnahmen der Gesobau. Spielplatz und Bäume sollen weichen.
In der Ossietzkystraße in Pankow protestieren die Mieter gegen die Verdichtung des grünen Innenhofs durch Baumaßnahmen der Gesobau. Spielplatz und Bäume sollen weichen.Sabine Gudath

Seit dem 4. Oktober sind in zwei grünen Innenhöfen in Pankow im Auftrag der Gesobau Wachschützer im Einsatz. Zunächst von zwei Hunden begleitet, schieben die Männer nun ohne Hund in den stillen Höfen rund um die Uhr Wache. Es gibt kleine Container zum Aufwärmen und Dixie-Klos. Ansonsten herrscht hier gähnende Langeweile hinter den Bauzäunen. Hier ist der Bau von zwei Wohnhäusern geplant, die zunächst als Heim für Flüchtlinge genutzt werden sollen.

Passanten haben Mitleid mit den Männern, die hier in der Kälte auf und ab wandern und auf ihre Handys schauen. Alte Damen fegen vor dem Zaum Herbstlaub zusammen. Kinder, die spielen wollen, müssen es woanders versuchen.

14 Sicherheitsmitarbeitende sind pro Schicht in den Pankower Höfen eingeteilt. Sieben für den einen Hof, sieben für den anderen. Die Männer arbeiten rund um die Uhr in zwei Schichten. Was das wohl kosten mag, fragen sich nicht nur die Anwohner, die unter den klaustrophobischen Zuständen leiden. Doch auf eine kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg antwortet die Senatsbauverwaltung nur ausweichend:  

„Die Gesobau AG ist als öffentlicher Auftraggeber zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet. Angaben zu beauftragten Unternehmen oder Höhe der Kosten für Sicherheitsmaßnahmen sowie sonstige vertragliche Vereinbarungen werden nicht veröffentlicht.“

Bei vergleichbaren Sicherheitsunternehmen ist nach kurzer Internetrecherche die Rede von 20 bis 30 Euro pro Stunde für den Einsatz eines Wachschützers. Rechnet man das hoch, käme man am Tag auf 6720 Euro. In 40 Tagen kämen so 268.800 Euro zustande!

Ob sich die Gesobau als landeseigenes Unternehmen Sicherheit im Oma-Kiez tatsächlich so viel kosten lässt, beantwortet auch die eingesetzte Firma nach Kurier-Anfrage nicht.

Großkanzlei vertritt Land Berlin und Gesobau

Auch was die mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragte Großkanzlei GSK Stockmann für ihre Bemühungen in Rechnung stellt, will die Gesobau nicht öffentlich machen. Derzeit sind wegen des Bauvorhabens in Pankow verschiedene Prozesse offen, in denen die Beklagte das Land Berlin ist. Die Gesobau AG ist jeweils als Bauherrin beigeladen, geht aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervor. Zum einen haben Naturschutzverbände (BUND, BLN und NaturFreunde) einen Eilantrag beim Gericht eingereicht, um die Baumfällungen zu stoppen, die der Bezirk – auch in der Schonzeit – genehmigt hatte.

Zwei Nachbarn haben des Weiteren gegen das Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen gegen die von der Senatsverwaltung erteilte Baugenehmigung für das Bauvorhaben der Gesobau „BG MUF Kavalierstraße“ geklagt und parallel Eilanträge eingereicht, um einen Baustopp zu erwirken. Diese Prozesse sind noch offen. 

Auch zur Höhe der Kosten der Rechtsstreitigkeiten können wegen des laufenden Verfahrens keine Angaben gemacht werden, heißt es in der Antwort der Senatsverwaltung. „Die Gesobau sieht regelmäßig ein Budget für Rechtsberatungen vor.“

Wer muss den Security-Einsatz bezahlen?

Die spannende Frage lautet nun aber, wie die Kosten für Security und Anwälte bilanziert werden. Müssen am Ende die Mieter selber die Kosten tragen? Dazu heißt es: „Kosten für Dienstleistungen im Rahmen der Sicherheitsmaßnahmen stellen direkte Kosten der Hausbewirtschaftung dar. Anwaltskosten stellen übliche Verwaltungskosten dar.“ Aber: die Kosten für die Sicherheitsleistungen würden nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt, erklärt die Gesobau.

Ein Wachschutz, zu Beginn der Aktion sogar mit Hunden, ist seit dem 4. Oktober in Pankow im Einsatz. 
Ein Wachschutz, zu Beginn der Aktion sogar mit Hunden, ist seit dem 4. Oktober in Pankow im Einsatz. Gerd Engelsmann

Zur Legitimation des umstrittenen Vorhabens führt die Antwort des Senats ein weiteres Mal an, dass es ja „einen langen und intensiven Beteiligungsprozess mit Werkstattverfahren nach den Leitlinien für Partizipation im Wohnungsbau für die geplante Wohnbebauung zwischen Oktober 2019 und Mai 2020“ gegeben habe. Die Anwohner hätte sich damals für die nun umzusetzende Bebauung ausgesprochen. Diese ursprüngliche Planung wurde nun lediglich für die Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete angepasst.

Bürgerbeteiligung hat nie korrekt stattgefunden

Dem widersprechen die Anwohner vehement. Beim zweiten Runden Tisch, den die Bürgerinitiative ins Leben gerufen hat, wurde anhand der vorhandenen Dokumentation rasch deutlich, dass eine echte Beteiligung an der Planung des Bauprojektes von Seiten der Gesobau AG nie stattgefunden hat. Nachdem trotz alternativer Vorschläge der Anwohnerschaft und Forderungen durch die Bezirkspolitik wiederholt nur zwischen drei gleichermaßen einschneidenden und zerstörerischen Bauplänen gewählt werden sollte, verweigerte die übergroße Mehrheit der Anwohnenden die Stimmabgabe.

Trotzdem legitimierte die Wohnungsbaugesellschaft die Durchführung des allseits abgelehnten Bauvorhabens mit eben dieser Wahl der Baukörper, an der sich nur 14 der 600 bis 800 Anwohnenden beteiligten. 

Am Runden Tisch lautet der Tenor noch immer: Eine Bebauung mit dem durch den Bezirk erstellten schonenden Bebauungsplan wäre der richtige Weg; ernstgemeinte Gesprächsbereitschaft wäre zumindest ein erster Schritt. Doch am Runden Tisch fehlten sowohl Wohnungsbaugesellschaft als auch Vertreter der Senatsverwaltung. Für den 29. November ist ein dritter Runder Tisch angekündigt.

Hunderte Pankower gingen am 11.11. auf die Straße. Nur wenn Bürger einbezogen werden, kann Nachverdichtung und Integration gelingen, so der Tenor.
Hunderte Pankower gingen am 11.11. auf die Straße. Nur wenn Bürger einbezogen werden, kann Nachverdichtung und Integration gelingen, so der Tenor.Grüner Kiez