Ost-Möbel

DDR-Design und Midcentury-Möbel gehen online durch die Decke

Die große Lust auf alte Möbel und Gebrauchsgegenstände ist ungebrochen. Die DDR boomt auf Ebay und Etsy, dank Hellerau und Co.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Möbel, die in der DDR in jedem Haushalt zu finden waren, sind wieder in Mode. Vor allem Stücke aus den 50er, 60er und 70er Jahren.
Möbel, die in der DDR in jedem Haushalt zu finden waren, sind wieder in Mode. Vor allem Stücke aus den 50er, 60er und 70er Jahren.Sven Ellger/ Imago

Die große Lust an DDR-Möbeln, seit Jahren beschert sie Ebay-Händlern satte Gewinne. In unserem Haushalt begann alles mit grauen Stühlen aus der DDR. Die Sitzflächen und Lehnen bezogen mit einem Lederimitat, die hölzerne Silhouette elegant geschwungen, so stand er inmitten weiterer grauer Stühle auf einem staubigen Tanzboden im Thüringischen. Bei einer Feier hatten wir sie zufällig entdeckt: vergessen und ausrangiert. Die Besitzer verkauften uns sechs Stück für wenig Geld. Der Rest sollte irgendwann entsorgt werden. Bloß nicht! Man kann damit noch gutes Geld verdienen.

DDR-Möbel auf Ebay verkaufen

Denn wir sind nicht allein mit einem Interesse an Möbeln aus der DDR. Dass seit Jahren wieder mehr Menschen ihre Liebe zu DDR-Möbeln und DDR-Design entdecken, kann man unter anderem an den Preisen für solche Stücke auf Ebay oder Etsy sehen. DDR-Design oder Mid-Century-Design sind in Mode. Aber woran liegt das und sind die teils hohen Preise für die Stücke gerechtfertigt?

Lampen im Design der 50er und 60er Jahre sind wieder in Mode.
Lampen im Design der 50er und 60er Jahre sind wieder in Mode.Sven Ellger/ Imago

DDR-Schrankwand, Sessel und Lampen gefragt

Wenn man auf Ebay die Schlagworte „DDR“ und „Mid Century“ eingibt, ploppen sofort die Angebote auf: Da kostet ein Hellerau Sideboard 602 von Franz Ehrlich schon mal 1300 Euro, ein Sessel im Design von Selman Selmanagic soll für 470 Euro weggehen. Und mit Omas alter Sputnik-Lampe lassen sich locker 100 Euro verdienen.  Ob Superfest-GläserSimson, Klappfix oder Mixer RG28, die Kunden, Mittdreißiger oder Menschen in ihren Vierzigern, sind heiß auf Ostware.  Günter Höhne bekommt regelmäßig Anfragen von Interessierten.

Höhne ist eine Instanz in Sachen DDR-Design. In den 1980ern war er Chefredakteur der Zeitschrift Form+Zweck, die das Amt für Industrielle Formgestaltung herausgab. Jetzt pflegt der Autor mehrerer Standardwerke zu DDR-Design akribisch die Webseite „Industrieform-DDR“, das womöglich umfassendste Archiv zum Thema.

Steht noch ein DDR-Unikat auf dem Dachboden?

Die Menschen, die Höhne schreiben, tun dies oft mit der Hoffnung, sie hätten eine seltene Entdeckung gemacht, ein Unikat vor der Schrottpresse gerettet. Ein junger Mann, so erzählte es Höhne einmal, hätte erst kürzlich eine Variante des bekannten Huhn-Eierbechers aus dem VEB Presswerk Wolkenstein entdeckt.

Der legendäre DDR-Eierbecher in Huhnform wird mittlerweile auch wieder neu hergestellt.
Der legendäre DDR-Eierbecher in Huhnform wird mittlerweile auch wieder neu hergestellt.Karina Hessland/ Imago

Einen Hahn statt einer Henne hatte er identifiziert; war dies etwa ein seltener Prototyp, ein Werksmuster? Höhne musste den Sammler enttäuschen: Der Hahn stammte aus bulgarischer Produktion. Im Rahmen des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe war festgelegt worden, wer in den sozialistischen Ländern was produziert. „Bulgarien übernahm die Hühnereierbecher, und irgendwer dort hat sich den Hahn ausgedacht“, sagt Höhne.

Doch warum sind die alten Möbel und Gebrauchsgegenstände wieder so gefragt?  „Wir leben in einer Zeit der kurzen Aufmerksamkeitsspanne“, sagt Günter Höhne. Dieser Flut von „Mist aus China, dem regelrechten Vermüllen der gegenständlichen Umwelt“, dem hat der Trend, Vintage-Ware aus der DDR etwas entgegenzusetzen. „Unsere Klassiker waren bescheiden und zur Nutzung freigegeben“, sagt er. „Gestaltet für den Volksbedarf.“

DDR Design: funktional, reduziert, langlebig

DDR-Design, oder besser DDR-Formgestaltung, war geprägt von Funktionalität und formaler Reduktion. Nicht zuletzt durch die Rohstoffknappheit und Planwirtschaft waren Langlebigkeit und zeitlose Schönheit eine Grundforderung an die Gestalter.

Parallelen zum ebenfalls pragmatischen skandinavischen Design aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, das derzeit ebenso gefragt ist, sind offensichtlich. Der finnische Designer Tapio Wirkkala, der mit seinen Entwürfen für die Glasfabrik Iittala bekannt wurde, sagte schon in den Sechzigerjahren, dass man die beste Design-Ausbildung der Welt auf Burg Giebichenstein bekomme. „Danish Design“ und DDR-Design stehen heute bei Ebay oft nebeneinander.

Echtes Interesse, keine flache Ostalgie

Die Menschen, die sich heute für Stühle aus 29 Lagen verleimten Furnierschichtholzes interessieren und für den sogenannten Menzel-Stuhl 1000 Euro hinblättern, haben die DDR zum Teil gar nicht mehr erlebt. Doch auch sie erkennen, dass die Stücke dauerhaft sind.

„In Zeiten zunehmender Beliebigkeit und Marktschreierei hat man gern Dinge um sich, die Geschichten erzählen können“, sagt Günter Höhne.  Ein wichtiger Faktor für den Boom um Mid-Century-Teile ist laut des Direktors des Industriemuseums Chemnitz, Jürgen Kabus, auch die Macht der Erinnerung.

„Gerade bei der älteren Generation sind diese Gegenstände die Erinnerung an die gute alte Welt. In der Kindheit war alles langsamer und je rasanter die Veränderung in der Gesellschaft voranschreitet, desto mehr sehnt man sich danach zurück“, sagt der dem MDR. Der Mixer RG28 sei hingegen bestes Beispiel für Nachhaltigkeit: „Das Gerät funktioniert über 50 Jahre, das war auch von der DDR damals so vorgegeben“, so Kabus.

Den Wert des Geschaffenen erkennen und bewahren und Interesse an Designgeschichte, das sind neben dem Nachhaltigkeitsaspekt die Beweggründe derer, die auf Ebay und Co. DDR-Möbel und Gebrauchsgegenstände kaufen.

Als Gegenbewegung zur Fast-Furniture-Kultur, die jeden Sommer das Wohnzimmer nach neuesten Trends gestaltet, setzten sich immer öfter Einzelstücke mit Geschichte durch.