Dieses letzte Weihnachtsfest der DDR ist vielen Menschen besonders in Erinnerung geblieben. Wenige Wochen zuvor war die Mauer gefallen, im Advent nahmen die Menschen aus Ost und West Tuchfühlung auf. Dieses Weihnachten 1989 war unverhofft ein Weihnachten voller neuer Möglichkeiten geworden. Alles war anders als in den 28 Jahren der Teilung zuvor.

Die Freude aus dem Herbst schwappte in diesem Jahr bis in die Adventszeit. Noch war ja nicht daran zu denken, dass es schon im nächsten Herbst eine Wiedervereinigung geben würde. „Man rechnete zu diesem Zeitpunkt eher mit einer sich erneuernden DDR“, sagt Sören Marotz, Ausstellungsleiter im DDR-Museum.
Und man gab sich wie im Taumel den neuen Möglichkeiten hin. An den Adventswochenenden fährt der damals 16-jährige Sören Marotz aus Ost-Berlin mit der BVG kostenlos durch West-Berlin und schaut sich die neue bunte Welt an. Kudamm, Müllerstraße, Badstraße, überall funkelt es. Drüben riecht und schmeckt Weinachten ganz anders.
Erstmals Westgeschenke unterm Weihnachtsbaum
Das erste Westgeld ist schnell ausgegeben und unter manchem Weihnachtsbaum sollen in diesem Jahr Geschenke made in Germany statt made in GDR liegen. Sören Marotz erinnert sich noch genau, dass er es kaum bis Weihnachten abwarten konnte und sich schon vorher vom Begrüßungsgeld einen Walkman kaufte. 100 Mark West, ein Fest.

Der Wert der Mark der DDR ist in diesen Vorweihnachtstagen starken Schwankungen unterworfen. Täglich bekommt man einen anderen Betrag im Umtausch. Die DDR-Mark ist im freien Fall nach unten. Es gibt Tage, da bekommen DDR-Bürger nur 5 D-Mark für einen blauen DDR-Hunderter.
Der Handel in beide Richtungen blüht dennoch. Westler kommen in den Osten, um spottbillig subventionierte Waren zu kaufen. Das Brot kostet noch immer 45 Pfennig. Die Weihnachtsmänner und Lebkuchen werden kapp in der DDR.
Westler schleppen Schokolade und Martini über die Grenze
Wegen der regen Schmuggeltätigkeit werden sogar wieder Zollkontrollen eingeführt, billige Schokolade und Alkohol werden besonders gern gen Westen geschafft. Das führt sogar dazu, dass in Kaufhäusern des Ostens Personalausweise kontrolliert werden und Waren nur an DDR-Bürger verkauft werden, wie die Doku „Umschau extra – 1989: Das letzte Weihnachten der DDR“ zeigt. Das Währungsgefälle macht den Einkauf für Westdeutsche im Osten lukrativ. Die Angst vor dem Ausverkauft der DDR ist groß.
Weihnachten im Not-Aufnahmelager
Jetzt, wo die Grenzen offen sind, verlassen noch im Dezember 1989 Zehntausende die DDR in Richtung Westen. Viele von den Flüchtlingen verbringen Weihnachten 1989 in überfüllten Aufnahmelagern in der BRD.
Am 19. Dezember 1989 besucht Kanzler Helmut Kohl das erste Mal offiziell dir DDR in Dresden. „Deutschland, Deutschland“-Rufe schallen ihm entgegen. Nur zwei Tage vor Weihnachten schreitet er am 22. Dezember 1989 an der Seite von Hans Modrow und Walter Momper durch den neu eröffneten Grenzübergang am Berliner Brandenburger Tor.

Sören Marotz ist mit seiner Mutter an diesem Tag dabei. Sigrid Marotz hält die Zeit, in der Deutsche Geschichte geschrieben wird, auf Fotos fest. Mit viel Presserummel und Politprominenz wird die Mauer im Herzen Berlins kurz vor Weihnachten 1989 weiter durchlässig. Die Staatsbank der DDR lässt zu diesem Anlass sogar einen 20-Mark-Gedenknote drucken, die heute für Hunderte Euro gehandelt wird.

„Formal allerdings waren die DDR-Grenzanlagen noch bis zum 30. Juni 1990 in Kraft“, erklärt Sören Marotz. „Man brauchte ja noch Grenzübergänge“, sagt Marotz, „schließlich stand die Mauer noch.“ Der Grenzübergang an beiden Seiten des Brandenburger Tors sei der politisch aufgeladenste und besonders symbolträchtig gewesen.
Zwei Tage vor Weihnachten aber waren die meisten gekommen, um einfach einmal durchs Brandenburger Tor gehen zu können. Dabei hatte man die Mauer eher zu beiden Seiten des Tores geöffnet. Die schweren Betonelemente direkt vor dem Tor blieben an dem reinen Fußgängerübergang zunächst an Ort und Stelle.
Dieter Bohlen singt im „Kessel Buntes“
Weihnachten 1989: Da singen Dieter Bohlen und Nicole im „Kessel Buntes“, Reinhard Mey verpasst Gunter Emmerlich in der „Showkoloade“ einen Bruderkuss. An den Weihnachtsfeiertagen macht man Ausflüge in den Westen und keiner will am Übergang den Ausweis sehen. Der Versand von Westpaketen bricht in diesem Jahr dramatisch ein.

Sören Marotz unternimmt im Advent eine organisierte Fahrt für DDR-Bürger auf den Weihnachtsmarkt in Goslar. Die Reise in eine ungewisse Zukunft, sie beginnt bei vielen Weihnachten 1989 mit geteilter Freude und Süßigkeiten.
