Vor 35 Jahren erschien die erste Ausgabe des Berliner KURIER – mitten in der bewegten Zeit nach dem Mauerfall. Mit der Wende wurde aus der „BZ am Abend“, die schon in der DDR die Menschen im Osten der Stadt mit Nachrichten versorgte, die neue Zeitung für Berlin. Die Redaktion versprach damals, sich vor allem um die Probleme der Menschen im Osten zu kümmern – und im Osten gab es vor der Wende ein Problem, das einen Namen hatte: Erich Honecker! Schon in der ersten KURIER-Ausgabe kam die Abrechnung: der Abgesang auf den DDR-Chef.
Millionen Menschen litten in der DDR unter Erich Honecker
In der DDR herrschte Erich Honecker über Millionen Menschen, doch seine Macht bröckelte so schnell wie die Berliner Mauer. „Sein Weg von der Macht ins Nichts“ titelte auch der KURIER am 3. Dezember 1990, als die Zeitung zum ersten Mal erschien. Auf einer Doppelseite befasste sich die Redaktion mit dem Abschied von Honecker. „Unter seiner zynischen Herrschaft mussten 16 Millionen Deutsche wie im Gefängnis leben. Doch seit einem Jahr lebt Honecker selbst wie ein Gefangener – eingeholt von den Folgen seiner unmenschlichen Regierung.“

Der Bericht widmete sich den Verhältnissen, unter denen Honecker in der DDR lebte, gab spannende Einblicke in das Domizil von Erich Honecker und seiner Margot in Wandlitz: „eingemauert vor dem eigenen Volk lebte die politische Führung der Ex-DDR hier seit 1958 hinter 2400 Metern Mauer und Zaun“, schrieb der KURIER. 600 Mark Miete kostete das Haus – dafür gab es Luxus, von dem die Bürger der DDR nur träumen konnten. Auf dem Gelände gab es laut dem Bericht ein Schwimmbad, eine Sauna, eine Sonnenbank, dazu Friseur, Schneider und Gärtner. Außerdem gab es für die Polit-Prominenz, die hier wohnte, „Frischobst und Westwaren“, hieß es in dem Bericht.
In Wandlitz residierte die Polit-Prominenz der DDR
23 Häuser mit jeweils zwei Etagen gab es auf dem Gelände. „In den Küchen glucksten moderne Miele-Spülmaschinen“, schrieb der KURIER. Der Spitzname der Siedlung sei damals „Volvograd“ gewesen, weil alle, die hier lebten, Volvo fuhren. Auch das Luxus-Jagdhaus von Erich Honecker wurde thematisiert – neben der Terrasse aus Marmor und einem riesigen Schwimmbecken gab es hier auch eine Parabolantenne, um alle Programme aus dem Westen empfangen zu können, hieß es.

Nach dem Mauerfall ging es für Honecker und seine Margot dann nach Beelitz – auf das Gelände des russischen Militärhospitals in Beelitz-Heilstätten. Hier bewohnte das Paar zwei kleine, nur spärlich möblierte Zimmerchen. „Dem einst mächtigsten Mann der DDR gehört nicht einmal mehr der Stuhl, auf dem er sitzt“, schrieb der KURIER über das neue Zuhause von Erich Honecker. Morgens und abends ging das Ehepaar in Begleitung eines russischen Offiziers spazieren. Schaulustige versuchten, damals noch einen Blick auf das Paar zu erhaschen. „Ich wollte ihn mal leibhaftig sehen“, sagte einer der Zaungäste dem KURIER. „Wollte sehen, wie sie ihn als Mörder abführen.“

Justiz hatte Haftbefehl gegen Erich Honecker erlassen
Denn zu dem Zeitpunkt hatte die Justiz Haftbefehl gegen Honecker erlassen. Der Grund: Man fand den Schießbefehl, den er erteilt hatte. „Nach wie vor muss bei Grenzdurchbruchsversuchen von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch gemacht werden, und es sind die Genossen, die die Schusswaffe erfolgreich angewandt haben, zu belobigen“, sagte Honecker 1974. Im Haftbefehl machte man Honecker für vier Todesfälle an der innerdeutschen Grenze persönlich verantwortlich. Allerdings befand sich Honecker in Beelitz unter dem Schutz sowjetischer Stellen.




