Blitz, Donner, Nahost-Gewitter

UPDATE! Wie viel Kriegs-Krise verträgt der Deutsche Filmpreis?

Gefeiert wird beim Deutschen Filmpreis die berühmteste Filmfrau im Lande: die Lola. Knallen könnte es wegen des Nahost-Konflikts.  

Author - Karim Mahmoud
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Die beiden Lola-Stars Barbara Philipp (l.) und Jasna Fritzi Bauer beim Nominiertenabend zum Deutschen Filmpreis.
Die beiden Lola-Stars Barbara Philipp (l.) und Jasna Fritzi Bauer beim Nominiertenabend zum Deutschen Filmpreis.Clemens Porikys/Deutscher Filmpreis 2024

Für den späten Freitagnachmittag sind in Berlin Gewitter angesagt – ausgerechnet, wenn deutsche Filmstars in festlicher Abendgarderobe am Marlene-Dietrich-Platz aufmarschieren. Im dortigen Theater am Potsdamer Platz findet die Gala zum Deutschen Filmpreis statt. Gefeiert wird die berühmteste Filmfrau im Lande: die Lola. Heftige Gewitter drohen allerdings auch aus einer anderen Richtung. Der Gaza-Konflikt hängt wie eine triefende dunkle Wolke über der glamourösen Veranstaltung.

Lolas in 19 Kategorien, 1600 handverlesene Gäste, ein Fahrradkorso, der für eine nachhaltige Zukunft protestiert, eine blumengeschmückte Fotowand und Stars als Meterware auf dem roten Teppich. Auch bei der 74. Ausgabe des Deutschen Filmpreises sind die Schauwerte nicht übel.

Die 2300 Mitglieder der Deutschen Filmakademie und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die das Spektakel ausrichten, haben in diesem Jahr, wo so vieles immer knapper geworden ist, beileibe nicht geknausert.

Um den Nachhaltigkeitsaspekt zu unterstreichen, hatte es im Vorfeld eine Kleidertauschbörse gegeben. Die Gäste des Abends durften am 13. April feinste Klamotten swoppen und mitnehmen, Dresscode natürlich  „Smoking“!

Deutscher Filmpreis besonders nachhaltig

Und eine weitere Premiere gibt es: Erstmals bei den Lolas wird ein siebenköpfiges Ensemble durch die Show führen – nämlich die Schauspielerinnen und Schauspieler Jasna Fritzi Bauer („Tatort“), Margarita Broich („Tatort“), Gizem Emre („Chantal im Märchenland“), Ivy Quainoo („Girl You Know It‘s True“) und der großartige Jürgen Vogel („Caveman“); ferner die Moderatoren Tobias Krell („Checker Tobi“) und der famose Aurel Mertz („deep und deutlich“). Sie alle sollen „Zusammenhalt und Glamour auf die Bühne“ bringen, dazu Lässigkeit und Late-Night-Atmosphäre, hieß es vorab.

Insgesamt haben wir hier also einen Kopf mehr als bei der Band des Abends. Die ist dieses Mal „nur“ sechsköpfig und heißt „Gloria“ – Fans des ProSieben-Formats „Late Night Berlin“ wissen Bescheid.

Von den 19 Lolas, die vergeben werden, waren bereits zwei vorab bekannt geworden: Die große Hanna Schygulla (80, „Liebe ist kälter als der Tod“) wird mit dem Ehrenpreis für ihre herausragenden Verdienste um den deutschen Film ausgezeichnet. Und die Lola für den besucherstärksten Film geht in diesem Jahr an den Regisseur Tim Dünschede sowie an die Produzenten Justyna Müsch, Quirin Berg und Max Wiedemann für „Die Drei ??? – Erbe Des Drachen“.  Mehr als 1,6 Millionen Zuschauer sahen diesen Film im Kino. Das ist schon stark.

Sterben heißt beim Deutschen Filmpreis Leben

Und dann natürlich das hier: Beim deutschen Filmpreis bedeutet Tod offenbar Leben. Denn der Film „Sterben“ von Matthias Glasner, der schon bei der Berlinale reichlich Applaus erhielt – er handelt von einer zerrütteten Künstlerfamilie (mit Corinna Harfouch, Ronald Zehrfeld und Lilith Stangenberg) – geht mit stolzen neun Nominierungen ins Lola-Rennen, darunter in der Kategorie Bester Spielfilm. Chancen auf die Goldene Lola haben aber auch der Polit-Thriller „Im toten Winkel“ von Ayşe Polat und „Elaha“ von Milena Aboyan. Darin geht es um die Selbstbestimmung einer jungen Deutsch-Kurdin.

Kriegt sie die Lola? Die Schauspielerin Hannah Herzsprung ist für die Beste weibliche Hauptrolle nominiert.
Kriegt sie die Lola? Die Schauspielerin Hannah Herzsprung ist für die Beste weibliche Hauptrolle nominiert.Eventpress/Deutscher Filmpreis 2024

Das große Angst-Thema des Abends ist und bleibt natürlich der Nahost-Konflikt. Bei der diesjährigen Berlinale gab es einen Eklat, als während der Preisverleihung mehrere Künstler auf der Bühne offen Israel-Kritik äußerten. Unter anderem war die Rede von Apartheid und Völkermord, vor allem mit Blick auf das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Dadurch geriet auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth unter Beschuss. Wird es dieses Mal wieder so weit kommen? Das ist die bange Frage vor dem Gala-Abend am Marlene-Dietrich-Platz.

Gaza-Krieg ist Angst-Thema beim Deutschen Filmpreis

Regisseur Florian Gallenberger und Schauspielerin Alexandra Maria Lara, die Leiter der Deutschen Filmakademie, äußerten sich dazu vorab. Gallenberger sagte:  „Es werden Leute Preise erhalten, sie werden danach ans Mikrofon gehen und werden Dankesreden halten. Was sie in diesen Dankesreden sagen, wird nicht überprüft, soll nicht überprüft werden, liegt in der freien Entscheidung der Preisträger.“

Wenn jemand dabei sei, der sich politisch äußern wolle, dann werde er oder sie das tun. „Das Schwierige ist“, so Gallenberger, „dass diese Themen kontrovers sind, auch unter den Mitgliedern der Akademie. Ich hoffe wirklich sehr, dass wir nicht in eine Situation kommen, in der diese Konflikte, die unser Leben sowieso im Augenblick überschatten, auch diesen Abend überschatten.“

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Clemens Porikys/Deutscher Filmpreis
Die Lola-Statuette
Die Trophäe des Deutschen Filmpreises ist seit 1999 eine Art-Déco-Frauenfigur. Sie ist vom Motiv des ursprünglichen Filmbandes umhüllt. Die New Yorker Designerin Mechthild Schmidt (HouseWorks digital media) entwarf die Statuette in ihrer heutigen Form. 2001 wurde sie nach einer Publikumsabstimmung „Lola“ getauft, angelehnt an starke Filmfiguren wie Marlene Dietrich in DER BLAUE ENGEL (1930), Barbara Sukowa in LOLA (1981) oder Franka Potente in LOLA RENNT (1998). Die Statuette selbst ist 30 Zentimeter hoch und 2,2 Kilogramm schwer. Die Skulptur besteht aus Bronze, die Spule aus Kupfer und der Sockel aus Messing. Sind alle Teile zusammengefügt, wird die Statuette komplett 24 Karat vergoldet, bzw. versilbert oder bronziert.

Die Verleihung des Deutschen Filmpreises wird gefördert vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der Filmförderungsanstalt. Zum ersten Mal ist die ARD Degeto Film für die Ausstrahlung im Ersten und in der ARD Mediathek redaktionell verantwortlich. Das Erste überträgt die Verleihung um 19.30 Uhr live in der Mediathek und um 22.20 Uhr im linearen Fernsehen.

Die Preise und Nominierungen sind mit insgesamt knapp drei Millionen Euro dotiert. Das Geld stammt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Unter den Gästen, die sich auf die diesjährige Lola-Verleihung freuen, sind neben den Nominierten und den Verantwortlichen der Deutschen Filmakademie: Maren Ade, Sarah Alles, Mo Asumang, Natalia Avelon, Martin Bachmann, Luise Befort, Leonie Benesch, Oliver Berben, Susanne Bormann, Yvonne Catterfeld, Jonas Dassler, Katja Eichinger, Veronica Ferres, Pegah Ferydoni, Florian David Fitz, Inka Friedrich, Sonja Gerhardt, Jella Haase, Ralph Herforth, Henry Hübchen, Charly Hübner, Sandra Hüller, Paula Kalenberg, Katy Karrenbauer, Friederike Kempter, Nikolai Kinski, Burghart Klaußner, Herbert Knaup, Dieter Kosslick, Maren Kroymann, Nina Kronjäger, Dani Levy, Peter Lohmeyer, Anna Loos, Annabelle Mandeng, Ulrich Matthes, Sunnyi Melles, Hans-Werner Meyer, Ursela Monn, Kirsten Niehuus, Jimi Blue Ochsenknecht, Caroline Peters, Nina Petri, Minh-Khai Phan-Thi , Dominic Raacke, Katja Riemann, Mariette Rissenbeek, Pheline Roggan, Benjamin Sadler, Clemens Schick, Maria Schrader, Karoline Schuch, Jannik Schümann, Jörg Schüttauf, Katharina Schüttler, Edgar Selge, Christian Schwochow, Robert Stadlober, Lilith Stangenberg, Wolfgang Stumph, Jasmin Tabatabai, Hadnet Tesfai, Aylin Tezel, Rosalie Thomass, Ludwig Trepte,  Christine Urspruch, Saralisa Volm, Johann von Bülow, Max von der Groeben, Katja von Garnier, Alicia von Rittberg, Nora Waldstätten, Franziska Walser, Franziska Weisz, Ursula Werner, Tom Wlaschiha, Oliver Wnuk, Susanne Wuest, Natalia Wörner, Fahri Yardim, Maryam Zaree und Ronald Zehrfeld. ■