Berlin: Der Cast des Films „Im Westen nichts Neues“ steht bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises auf der Bühne. Rechts die beiden Darsteller Albrecht Schuch und Felix Kammerer. In der Mitte Regisseur Edward Berger.
Berlin: Der Cast des Films „Im Westen nichts Neues“ steht bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises auf der Bühne. Rechts die beiden Darsteller Albrecht Schuch und Felix Kammerer. In der Mitte Regisseur Edward Berger. Britta Pedersen/dpa

Kribbel-Explosion auf dem roten Lola-Teppich. Deutscher Filmpreis ist, wenn die Nerven blank liegen. Immerhin gibt es insgesamt knapp 3 Millionen Euro zu gewinnen. Und jede Menge Prestige und Aufmerksamkeit. Da kann es schon mal das große Flattern geben.

Haushoher Favorit bei der diesjährigen Lola-Gala vor 1600 Saal-Zuschauern im Berliner Theater am Potsdamer Platz – es ist das Jubiläumsjahr, denn die Deutsche Filmakademie wurde 2003 gegründet – war der vierfach oscargekrönte und zwölffach nominierte Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger – nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque (1898–1970).

Hauptdarsteller Felix Kammerer war in der Kategorie „Bester Darsteller“ im Rennen, sagte vorab: „Das ist wie ein Traum, wenn man Kind ist und sagt ,Ich möchte mal Astronaut werden‘ oder ,Ich möchte mal Geheimagent werden‘. Und man sagt das so, aber man weiß ja eigentlich, das wird nie passieren ... Und plötzlich sitzt du wirklich auf dem Mond.“

Ehren-Preisträger Volker Schlöndorff mit Filmakademie-Präsidentin Alexandra Maria Lara beim Deutschen Filmpreis in Berlin.
Ehren-Preisträger Volker Schlöndorff mit Filmakademie-Präsidentin Alexandra Maria Lara beim Deutschen Filmpreis in Berlin. APress/imago

Jawoll! Denn Kammerer und Berger räumten in Berlin mit „Im Westen nichts Neues“ tatsächlich ab. Der Film gewann mit neun Auszeichnungen die meisten Preise, verpasste allerdings den Hauptpreis. Stattdessen bekam er noch die Lola in Silber. Felix Kammerer (in weißem Hemd und Perlenschal) tanzte auf der Bühne wie Rumpelstilzchen, als er die 2,2 Kilo schwere Art-déco-Figur als bester Hauptdarsteller entgegennahm.

Ärger im Vorfeld des Deutschen Filmpreises

Dabei hatte es im Vorfeld noch richtig Ärger gegeben, weil der Netflix-Film angeblich die Akademie-Regeln nicht eingehalten hatte. Ob Edward Berger deshalb den Regiepreis nicht bekam? Weh tat ihm das nicht. „Vier Oscars reichen mir“, sagte er dem KURIER. „Und jetzt geh ich feiern!“

Der Deutsche Filmpreis soll eigentlich stets an Produktionen vergeben werden, die für die öffentliche Vorführung in Kinos in Deutschland bestimmt sind und die hierzulande ihre reguläre Erstauswertung haben. Allerdings hatte die Filmakademie mit „Im Westen nichts Neues“ ein Werk nominiert, dessen vierwöchiger Kinoeinsatz wohl nur eine Alibifunktion hatte.

Jördis Triebel („In einem Land, das es nicht mehr gibt“) gewann eine Lola in der Kategorie beste weibliche Nebenrolle.
Jördis Triebel („In einem Land, das es nicht mehr gibt“) gewann eine Lola in der Kategorie beste weibliche Nebenrolle. Eventpress/Fuhr/imago

Und das stank etlichen Filmleuten, die es nicht ins Rennen geschafft hatten – wie Christian Petzold mit seinem Berlinale-Erfolgsfilm „Roter Himmel“. Gut ist die Antikriegs-Produktion von Edward Berger trotzdem, und deshalb wurde sie auch zu Recht mit neun Lolas überschüttet.

Viel wichtiger als dieses Neidscharmützel im Vorfeld war allerdings die Frage: Wird das Thema Til Schweiger und der geradezu unmenschliche Druck bei manchen Filmproduktionen am Filmpreisabend thematisiert werden? Wurde er. Nie war der Deutsche Filmpreis so politisch wie in diesem Jahr. Es gab geradezu einen Überbietungswettbewerb an Gutmenschentum. Einmal ging es um die Frauenrevolte im Iran, dann um den Krieg in der Ukraine, das schwächer werdende starke Geschlecht, sexualisierte Gewalt am Filmset.

Showeinlage beim Deutschen Filmpreis von Schauspielerin Svenja Jung und ihrem Kollegen Jan Josef Liefers. 
Showeinlage beim Deutschen Filmpreis von Schauspielerin Svenja Jung und ihrem Kollegen Jan Josef Liefers.  Hannes P. Albert/dpa

Das Ganze hatte einen Vorlauf: Nach einem Spiegel-Bericht über Schikane und ein „Klima der Angst“ bei den Dreharbeiten zum Film „Manta Manta – Zwoter Teil“ von Regisseur Til Schweiger hatte die Produktionsfirma Constantin aus München angekündigt, Vorfälle am Set aufklären zu lassen, sollte es welche gegeben haben.

Machtmissbrauch, tätliche Übergriffe und sexualisierte Gewalt am Set

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte im Theater am Potsdamer Platz in Berlin: „Wir sind auch hier, um Probleme deutlich zu benennen: Abhängigkeitsverhältnisse, Machtmissbrauch, tätliche Übergriffe, sexualisierte Gewalt am Set.“ Wer Missstände offen kritisiere, „wer fordert, dass sie abgestellt werden, und dafür als Nestbeschmutzerin geächtet wird, kann auf meine Unterstützung zählen. Ein Klima der Angst können und wollen wir nicht dulden.“

Auch Alexandra Maria Lara und Florian Gallenberger, die beiden Präsidenten der Deutschen Filmakademie, die den Filmpreis ausrichtet, gaben der Diskussion Raum.

Palina Rojinski kam als Gast zur Verleihung des Deutschen Filmpreises.
Palina Rojinski kam als Gast zur Verleihung des Deutschen Filmpreises. Britta Pedersen/dpa

Christian Kahrmann, Filmakademie-Mitglied der ersten Stunde, sagte dem KURIER: „Ich bin froh, dass diese dunklen Seiten des Filmgeschäfts endlich ans Licht kommen. Ich habe das alles selbst erlebt – den Druck, die endlosen Arbeitszeiten, sogar Erpressung ...“

Die von einem DJ begleitete Show wurde dominiert von der charmant-rotzfrechen Moderation der Musikerin und Sängerin Jasmin Shakeri. Kostprobe gefällig? Sie zum Saalpublikum: „Mit der Hälfte von euch habe ich schon geschlafen. Mit der anderen habe ich gearbeitet. Aber macht das einen Unterschied?“

Bester Film wurde am Schluss der knapp vier Stunden dauernden Preisverleihung „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak, der auch den Regiepreis entgegennahm. Leonie Benesch bekam eine Lola als beste Hauptdarstellerin. Benesch spielt im Film eine Lehrerin, die eine Diebstahlserie an ihrer Schule aufklären will und sich entscheidet, dafür heimlich eine Kamera im Lehrerzimmer mitlaufen zu lassen. Am Ende entpuppt sich der „Täter“ als Opfer. „Das Lehrerzimmer“ gewann fünf Trophäen.

Laudator John Malkovich schickte per Livevideo Grüße an Volker Schlöndorff nach Berlin.
Laudator John Malkovich schickte per Livevideo Grüße an Volker Schlöndorff nach Berlin. Eventpress/Fuhr/imago

Den diesjährigen Ehrenpreis durfte „Blechtrommel“-Regisseur Volker Schlöndorff in Empfang nehmen. Viele hätten beim Blick auf die Preisliste sicher gedacht: „Ach, der schon wieder?“, scherzte Schlöndorff in seiner Dankesrede. „Und ich habe sogar gedacht: ‚Habe ich den nicht schon?‘“ Es gab stehenden Applaus. Grußworte nach Berlin schickte live per Video Hollywood-Star John Malkovich.

Unter den Gästen beim Deutschen Filmpreis war übrigens erstmals auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

Die Gewinner im Überblick:

- Bester Spielfilm

„Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak

- Bester Dokumentarfilm

„Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“ von Claudia Müller

Schauspielerin Annabelle Mandeng beim 73. Deutschen Filmpreis in einem Look von Kilian Kerner.
Schauspielerin Annabelle Mandeng beim 73. Deutschen Filmpreis in einem Look von Kilian Kerner. Eventpress/imago

- Bester Kinderfilm

„Mission Ulja Funk“ von Barbara Kronenberg

- Beste Regie

Ilker Çatak („Das Lehrerzimmer“)

- Bestes Drehbuch

Johannes Duncker, Ilker Çatak („Das Lehrerzimmer“)

- Beste weibliche Hauptrolle

Leonie Benesch („Das Lehrerzimmer“)

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- Beste weibliche Nebenrolle

Jördis Triebel („In einem Land, das es nicht mehr gibt“)

- Beste männliche Hauptrolle

Felix Kammerer („Im Westen nichts Neues“)

- Beste männliche Nebenrolle

Albrecht Schuch („Im Westen nichts Neues“)

- Beste Kamera/Bildgestaltung

James Friend („Im Westen nichts Neues“)

- Bester Schnitt

Gesa Jäger („Das Lehrerzimmer“)

- Bestes Szenenbild

Christian M. Goldbeck („Im Westen nichts Neues“)

- Bestes Kostümbild

Tanja Hausner („Sisi & Ich“)

- Bestes Maskenbild

Heike Merker („Im Westen nichts Neues“)

- Beste Filmmusik

Volker Bertelmann („Im Westen nichts Neues“)

- Beste Tongestaltung

Frank Kruse, Markus Stemler, Viktor Prášil, Lars Ginzel, Alexander Buck („Im Westen nichts Neues“)

- Beste visuelle Effekte

Frank Petzold, Viktor Müller, Markus Frank („Im Westen nichts Neues“)

- Ehrenpreis des deutschen Filmpreises

Volker Schlöndorff

- Besucherstärkster Film

„Die Schule der magischen Tiere 2“ von Sven Unterwaldt