Wer in Berlin Bauwerke vor der Vernichtung bewahren will, sollte Spatzen einsetzen. Denn die frechen Piepmätzen sind recht erfolgreich vor Gericht. Wie beim Jahnstadion stoppten jetzt die Spatzen den nächsten geplanten Abriss eines Gebäudes in Berlin.
Wer den gemeinen Haussperling als Gegner hat, hat bei der Berliner Justiz aktuell sehr schlechte Karten. Das bekommt nicht nur der Bausenator der Hauptstadt zu spüren, der ein Stadion aus DDR-Zeiten für einen sündhaft teuren Neubau abreißen will. Auch ein Bauinvestor aus Bayern hat nun mit Spatzen seine Not, der wegen teurer Mini-Appartements in Berlin-Wedding offenbar 170 Jahre alte Berliner Bau- und Stadtgeschichte dem Erdboden gleichmachen will.
Dieser Geschäftsmann jenseits des Weißwurstäquators hat in der Koloniestraße 10 ein schönes Fleckchen in einem Innenhof entdeckt – den Kulturhof „Kolonie 10“. In den alten Kutschergaragen und Werkstätten von anno dunnemals haben sich Berliner ein Stück einzigartiger und erhaltenswerter Stadtkultur aufgebaut.
In den Räumlichkeiten sind Ateliers, Werkstätten und eine Tanzschule beheimatet – und eine Spatzenkolonie. Dank der Gärten vor den Gebäuden und den Pflanzen, die sich an den uralten Berliner Gemäuern ranken, konnten sich die Vögel dort als Untermieter einnisten.

Diesen exklusiven Kulturhof soll es aber bald nicht mehr geben. Denn der Investor aus Bayern möchte offenbar genau dort einnahmeträchtige Mikroappartements als Studentenwohnheim errichten, wo noch die Garagen aus dem guten, alten Berlin stehen.
Alte Berliner Stadtgeschichte weg, dafür sündhaftteure Mini-Appartements
Solche voll ausgestatteten Zimmer mit Wohnflächen bis etwa 30 Quadratmeter sind momentan der letzte Schrei in der Immobilienbranche – gerade in der Hauptstadt, wo Wohnungsnot herrscht. Diese Mini-Appartements können überall auf engstem Raum für wenig Geld errichtet und für viel Geld vermietet werden. So sollen für solche Wohnklos schon 800 Euro Monatsmiete für nur 19 Quadratmetern gefordert worden sein.
Die Anwohner in der Koloniestraße wehren sich natürlich gegen solche Pläne. Doch ihr Kampf hatte bisher wenig Erfolg. Ein Abrissbagger rollte vor einem Monat an.

Zum Glück gibt es ja Naturschutzverbände in Berlin, die wissen, wie man den Abrisswütigen in dieser Stadt das Leben schwer machen kann. Schließlich hatten Naturschützer mit Hilfe nistender Spatzen am Jahnstadion erreicht, dass die gesamte Arena zunächst ein dreimonatiges Abrissverbot bekam, das aktuell nur noch für die Westtribüne des Stadions besteht, während der Ostteil abgerissen werden darf.
Nun haben Naturfreunde mit Hilfe nistender Spatzen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt, um den Abriss des Kulturhofs „Kolonie 10“ zu stoppen.
Abrissstopp: Retten Spatzen 170 Jahre alte Berliner Bauwerke?
Die Kläger hatten Erfolg. „Die Abrissarbeiten im ,Kulturhof Kolonie 10‘ dürfen zum Schutz des Haussperlings (Passer domesticus) – auch Spatz genannt – vorerst nicht fortgesetzt werden. Das hat das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden“, teilte die Senatsjustizverwaltung mit.
Grund: „Die Remisen und der Garagen-Werkstatt-Trakt, die abgerissen werden sollen, sind teilweise mit Efeu berankt und der Remisenhof ist unter anderem mit Ligusterhecken begrünt. An einigen Garagen sind künstliche Niststätten für Vögel angebracht“, heißt es seitens des Gerichtes.

Die Verwaltungsrichter erklären, dass „bei Fortsetzung der Abriss- und Abbrucharbeiten im Hof des Grundstücks und bei Beseitigung der Vegetation die konkrete Gefahr bestehe, dass die Fortpflanzungs- und die Ruhestätten der Spatzen geschädigt bzw. gestört würden“. Aber das ist noch nicht alles.
„Die Abrissarbeiten an den Garagen und der Abbruch des Asphaltbelags würden zu erheblichen Lärm- und Staubentwicklungen, Erschütterungen und Veränderungen des Mikroklimas führen. Dies berge mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Vergrämung der Spatzen und einer Aufgabe der Nistplätze“, so das Gericht.
Außerdem fehle es an einem verbindlichen und hinreichend konkreten Ausgleichskonzept, das die drohenden Verstöße gegen den Artenschutz kompensieren könnte. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.