Ein echter Schildbürgerstreich der sozialistischen Planwirtschaft feiert Sonnabend sein 60-jähriges Jubiläum. Es geht um falsche Kostenrechnungen, einen Schwarzbau und den irrsten Baustopp der DDR am 31. Mai 1965. Richtig! Es geht um den Berliner Fernsehturm am Alex, der eigentlich illegal gebaut wurde. Glauben Sie nicht? Ist aber so!
Die DDR in den 60er-Jahren. Der junge deutsche Staat wollte sich moderner präsentieren. Der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht regierte und hatte das Bauprojekt zur Chefsache gemacht. In Ost-Berlin gab es schon seit den 50er-Jahren das Dauerproblem: Schlechter Fernsehempfang in den Haushalten. Zwei Bauprojekte scheiterten schon vorher, dann wurde das Gebiet am Bahnhof Alexander Platz als Ort ausgesucht, für einen Turm mit 365 Meter Höhe, damit war es damals das dritthöchste Gebäude der Welt.
Ein Prestigeobjekt im Kalten Krieg, um die Überlegenheit des Sozialismus auch in Beton zu gießen. Die staatliche Plankommission schrieb im Mai 1964: „Seine Höhe von 360 m […] wird das dem internationalen Stand entsprechende Bauwerk gleichzeitig zu einem eindrucksvollen architektonischen Anziehungspunkt machen, der aus diesem Grund einen zentralen Standort einfordert. Unter Berücksichtigung dieser repräsentativen Wirkung für den Aufbau der Hauptstadt und Entwicklung der DDR ist dem Gelände östlich des Marx-Engels-Platzes gegenüber dem bisher vorgesehenen am Friedrichshain der unbedingte Vorzug zu geben.“ Walter Ulbricht sagte dann fünf Monate später: „Nu, Genossen, da sieht man’s ganz genau: Da gehört er hin.“
Baukosten waren nach nur zwei Monaten höher als geplant
Das Ganze hatte aber einen großen Haken, es ging wie auch heute um viele Millionen und komplette Fehlkalkulationen. Am 9. Februar 1965 beschloss das Zentralkomitee der SED endgültig den Bau des Telespargels. Nur 39 Tage später ging es los. Das Areal rundum den Alex wurde komplett entkernt. Häuser abgerissen und gesprengt. Eigentümer mussten entschädigt werden. Die Kosten dafür lagen bei 38,8 Millionen DDR-Mark, für den gesamten Bau des Turms waren zu dem Zeitpunkt aber nur 33 Millionen eingeplant. Die Kosten schnellten schon in den ersten Monaten so in die Höhe, dass auf der Baustelle ein Chaos herrschte.
Die verantwortliche Plankommission und die Bauaufsicht verweigerten daraufhin weitere Sondergenehmigungen für den Bau. Die Arbeit stand daraufhin vom 31. Mai bis 4. Juni 1965 still. Der oberste Bauplaner Gerhard Kosel, Architekt und Präsident der Deutschen Bauakademie, der für alles verantwortlich war, klopfte dann beim Politbüro an. Nur durch seine Intervention wurde weitergebaut, auch ohne weitere Genehmigung der Behörden. Es war ein Schwarzbau.
DDR-Bank nannte Bau des Fernsehturms „völlig gesetzeswidrig“

Auch die Deutsche Investitionsbank der DDR schaltete sich wegen der Kostenexplosion immer wieder ein. Und deklarierte die Finanzierung als „völlig gesetzeswidrig“. Kredite wurden mit Strafzinsen belegt. Walter Ulbricht und Co. wollten die wahren Kosten immer wieder vertuschen. Das führte auch dazu, dass es keine offizielle Grundsteinsteinlegung gab.
Bei der Eröffnungsfeier am 7. Oktober 1969, dem 20.Jahrestag der DDR weihte Ulbricht seinen Turm höchstpersönlich ein. Die Bauzeit war rekordverdächtig, doch die Kosten auch. Am Ende waren es 132 Millionen Mark, viermal so hoch wie geplant. Im Nachhinein kann man den Fernsehturm mit seinen 365 Metern (jetzt sind es wegen eines Antennenumbaus 368 Meter) auch als den größten Sargnagel der DDR bezeichnen.
Nichtsdestotrotz wurde der Fernsehturm zunächst ein Wahrzeichen der DDR und nach der Wiedervereinigung eine Touristenattraktion von Gesamt-Berlin. Eigentümer ist heute die Deutsche Telekom, die den Telespargel von der DDR-Post 1990 übernahm. Renovierungsarbeiten in den 90er Jahren kosteten weitere 50 Millionen D-Mark.






