Berlins neue Fußball-Bewegung

Champions-League-Traum: Viktoria will den Frauenfußball verändern

Der FC Viktoria will in die Frauen-Bundesliga und träumt von der Königsklasse. Mitgründerin Tanja Wielgoß erklärt der Weg der Berlinerinnen.

Author - Sebastian Karkos
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Bei Viktoria ist in den vergangenen Jahren eine Fan-Kultur entstanden. Der Zuschauerschnitt im Stadion Lichterfelde liegt bei rund 650.
Bei Viktoria ist in den vergangenen Jahren eine Fan-Kultur entstanden. Der Zuschauerschnitt im Stadion Lichterfelde liegt bei rund 650.Matthias Koch/Imago

Dieses Projekt ist in Deutschland einmalig. 2022 übernahmen sechs Frauen die Führung des Frauen-Teams von Viktoria Berlin. Ein Verein als Start-up. Im November präsentierte der Zweitligist auch noch einen Investor aus den USA. Das Ziel Viktorias ist klar formuliert: Bundesliga-Aufstieg bis 2027. Tanja Wielgoß (53) gehört zu den Gründerinnen. Die erfahrene Managerin (u.a. BSR und Vattenfall) hat im Interview mit dem KURIER klare Vorstellungen über den Weg Viktorias.

2022 startete das Projekt Viktoria. Wo steht es heute tatsächlich?
Zunächst: Wir sind kein Projekt. Wir sind eine Bewegung. Und zwar für mehr Sichtbarkeit von Frauen im Sport, für mehr Chancengleichheit und neues Management. Dass wir drei Jahre nach Ausgründung den Sprung in die 2. Bundesliga geschafft haben und jetzt auch von großen internationalen Investorinnen unterstützt werden, gibt uns großen Auftrieb.

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft sorgt inzwischen für gute Quoten.
Ja, die EM im Sommer in der Schweiz war ein Quantensprung. Es bewegt sich viel. Frühere Hypes sind schnell verpufft. Heute gibt es viele neue Kräfte, wie auch uns mit dem FC Viktoria, die zwischen den Großevents neue Strukturen einfordern und auch schaffen. Dies unterstreicht das Potenzial des Frauenfußballs.

In Berlin boomt der Frauenfußball. Union spielt vor durchschnittlich über 8000 Fans. Können Sie davon auch profitieren?
Wir profitieren von allen, die Gas geben – gerade in Berlin. Union hat eine Hammer-Fangemeinde, das hilft der Wahrnehmung insgesamt.

Der 1. FC Union und der Frauenfußball – das ist bislang eine Erfolgsstory. Wann kann Viktoria nachziehen?
Der 1. FC Union und der Frauenfußball – das ist bislang eine Erfolgsstory. Wann kann Viktoria nachziehen?Engler/nordphoto GmbH/IMAGO

Mit Hertha will noch ein dritter Klub aus Berlin nach oben.
Lokalderbys sind in einer großen Stadt immer gut. Und trotzdem wollen wir der Hauptstadtverein sein. Unser Ziel und auch die Anforderung des DFB ist es, in der ersten Liga dann auch in einem größeren Stadion zu spielen.

Derzeit kicken Sie im Stadion Lichterfelde. Wo soll es in der Bundesliga hingehen?
In den Jahnsportpark. Wir haben bereits Gespräche geführt. Das Land Berlin setzt sich mit uns dafür ein, dass es hier ein starkes Team gibt, das die Menschen anzieht. Es wäre ein perfekter Ort, um Fans aus ganz Berlin anzuziehen.

Aber erstmal muss Jahnsportpark mal fertig werden ...
Ja, wir könnten schneller aufsteigen, als der Jahnsportpark fertig ist. Daher denken wir auch schon über Ausweichmöglichkeiten nach. So wie Union auch, wenn ihr Stadion umgebaut wird. Sie wissen, wo sie hinwollen: ins Zoschke-Stadion. Wir reden über das Mommsenstadion.

Tanja Wielgoß (r.) arbeitet für die Beratungsfirma Stella Circle. Fußball ist ihr großes Hobby. Links: Mitgründerin Lisa Währer. In der Mitte: Maskottchen Viki.
Tanja Wielgoß (r.) arbeitet für die Beratungsfirma Stella Circle. Fußball ist ihr großes Hobby. Links: Mitgründerin Lisa Währer. In der Mitte: Maskottchen Viki.ZVG

Wie würden Sie Ihre Zuschauer beschreiben?
Unsere Community ist bunt: viele Familien, lockere Atmosphäre – fast wie ein amerikanisches Sportfest.

Apropos USA. Mit Monarch Collective ist gerade ein Investor bei Ihnen eingestiegen. Wie macht sich das bemerkbar bei Ihnen?
Wir hören oft, ein Investor nehme uns die Unabhängigkeit. Aber sind die Bayern-Frauen unabhängig? Wir arbeiten eigenständig, weil wir sorgfältig ausgewählt haben. Monarch Collective ist ein Fonds, der von zwei Frauen gegründet und geführt wird und ausschließlich in den Frauen-Fußballbereich investiert und an Teams wie Angel City FC aus Los Angeles, San Diego Wave FC und Boston Legacy FC beteiligt ist. Mit FC Viktoria jetzt auch erstmals in Europa.

Schauen Sie in die USA?
Ja, dort ist Sport anders organisiert. Spannung bis zum letzten Spiel, Salary Cap – das sind gute Impulse für uns.

Der Salary Cap ist eine Gehaltsobergrenze, die unter anderem den sportlichen Wettbewerb ausgleichen soll.
Spricht man über den Salary Cap, muss man europäisch denken. Macht man das nur in Deutschland, gehen halt alle nach Frankreich oder England. Das macht keinen Sinn. Wir müssen Systeme aufbrechen und europäisch denken.

Wir wollen Familien-Events wie in den USA

Tanja Wielgoß

Was kann Viktoria dem deutschen Fußball geben?
Wir denken wirtschaftlich und setzen auch auf Entertainment. Männerfußball meidet das oft. Wir wollen Familien-Events wie in den USA.

Wer soll denn mal bei Ihnen auftreten?
Felicia Mutterer ist bei uns als Mitgründerin die Ideengeberin. Und sie denkt immer in großen Formaten und Konzepten. Also da kann man sich durchaus einen US-Star vorstellen ...

Nina Ehegötz (r.) gehört zu den bekanntesten Spielerinnen bei Viktoria. Derzeit steht das Team auf Platz 6 in der 2. Liga. Links: Sarah Abu.
Nina Ehegötz (r.) gehört zu den bekanntesten Spielerinnen bei Viktoria. Derzeit steht das Team auf Platz 6 in der 2. Liga. Links: Sarah Abu.Sebastian Räppold/Matthias Koch/IMAGO

Wann ist Viktoria wirtschaftlich eigenständig?
Nach ein, zwei Jahren Bundesliga sollte es klappen. Deshalb müssen wir aufsteigen.

So gut wie alle Frauen-Bundesligisten sind im Prinzip Ableger von Männer-Klubs. Dieser Background fehlt Viktoria, vor allem finanziell. Ein Nachteil?
Frauenfußball ist noch ein Riesensubventionsgeschäft. Bei uns darf es kein schwarzes Loch geben. Und das ist schon ein Thema. Wie bekomme ich eine eigenständige Identität? In großen Vereinen sind Etats von zehn Millionen Euro vielleicht kein Problem, aber Frauen hängen oft am Tropf der Männer. Wir wollen beweisen, dass unser Modell funktioniert.

Wie würden Sie die Bundesliga angehen?
Wir sind immer offensiv, sowohl auf dem Platz als auch in der Wirtschaft. Und wir hoffen schon, dass einfach mehr mit den TV-Einnahmen passieren wird. Spätestens 2027 (ab 2027 werden die Bundesliga-Rechte neu verteilt - d. Red.).

Wie lang ist der Atem des Investors?
Lang. Es ist ihr erstes Investment in Europa. Sie wissen, wir stehen am Anfang.

Der Investor verdient erst Geld, wenn ...
… sich der Markt entwickelt. Über TV-Einnahmen. Je höher wir spielen, desto interessanter wird es.

Welche Vision haben Sie mit Viktoria?
Meine Vision ist die Champions League. 2029 haben wir die EM bei uns in Deutschland. Ich habe in diesem Jahr zur EM ein Sticker-Heft komplett gefüllt mit meinen Kindern. 2029 wünsche ich mir vier Viktoria-Spielerinnen dort drin.

Fans von Viktoria im Stadion Lichterfelde. In der Bundesliga soll es in ein größeres Stadion gehen.
Fans von Viktoria im Stadion Lichterfelde. In der Bundesliga soll es in ein größeres Stadion gehen.Matthias Koch/IMAGO

Sie denken groß!
Ja, das macht Sinn bei der Gründung eines Unternehmens. Und wirkt sich natürlich auch aus auf die eigene Motivation.

Sie sprachen zu Beginn von einer Bewegung. Wo soll sie enden?
Die Professionalisierung der letzten Jahre ist schon der Wahnsinn. Es macht jetzt viel mehr Spaß, Frauenfußball anzuschauen. Wir sind aber immer noch am Anfang! Nur 15 Prozent Sendezeit im Sport im TV ist Frauensport: Das ist zu wenig und muss nach oben gehen.

Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Haben Sie Ideen oder Informationen für die Redaktion? Bitte schreiben Sie uns:leser-bk@berlinerverlag.com