Nur noch zwei Exemplare

Tierpark Berlin rettet Nashorn vor dem sicheren Arten-Tod

Das Nördliche Breitmaulnashorn ist vom Aussterben bedroht. In einer Station in Friedrichsfelde soll verhindert werden, dass dieses Tier ganz verschwindet.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Letzten ihrer Art: Die Nördlichen-Breitmaulnashorn-Weibchen Najin und Fatu in Kenia. Im Tierpark Berlin soll nun das Aussterben dieser Dickhäuter verhindert werden.
Die Letzten ihrer Art: Die Nördlichen-Breitmaulnashorn-Weibchen Najin und Fatu in Kenia. Im Tierpark Berlin soll nun das Aussterben dieser Dickhäuter verhindert werden.Tierpark Berlin/Jan Zwilling

Die Vielfalt der Tierwelt zeigen, gehört zu den Aufgaben von Zoos. Bedrohte Arten vor dem Aussterben zu retten, ist für sie jedoch Neuland. Aber genau das soll jetzt im Tierpark Berlin passieren.

Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) wird auf dem Areal in Friedrichsfelde eine Forschungsstation gebaut, in der Wissenschaftler den sicheren Tod des Nördlichen Breitmaulnashorns verhindern wollen. Von diesen Dickhäutern gibt es nur noch zwei Exemplare auf der Welt, die in Kenia leben. Zwei Weibchen sind die Letzten ihrer Art.

Nur ein Wunder kann helfen, das in Berlin vollbracht werden soll. Und ein Mann, der sich nicht nur darum kümmert, dass es bei den Berliner Zoo-Pandas in diesem Jahr wieder Nachwuchs gibt – IZW-Reproduktionsmediziner Prof. Thomas Hildebrandt, der seit Jahren das internationale Projekt Bio Rescue leitet, das gegen den sicheren Artentod des Nördlichen Breitmaulnashorns ankämpft. Nun wurde bei der Rettungsmission auch der Tierpark ins Boot geholt.

IZW-Spezialist Thomas Hildebrandt entnimmt in Kenia einem Nashorn-Weibchen die Eizellen. 
IZW-Spezialist Thomas Hildebrandt entnimmt in Kenia einem Nashorn-Weibchen die Eizellen. Tierpark Berlin/Jan Zwilling

Im Tierpark Berlin sollen Nashorn-Babys ihre Art retten

Das IZW und der Tierpark sind Nachbarn in Friedrichsfelde. Was bot sich da besser an, als auf dem dortigen Areal, nahe dem Affenhaus, eine Forschungsstation zu errichten, in der künftig mit viel Hightech eine neue Generation von Breitmaulnashörnern „herangezüchtet“ werden soll. IZW-Forscher Hildebrandt ist sich ganz sicher, dass dies klappen wird. „Wir sind zuversichtlich, dass auf diesem Wege kleine Nashörner das Licht der Welt erblicken werden und somit diese Unterart bewahrt wird“, sagt er.

Tierpark-Direktor Dr. Andreas Knieriem stimmt ihm da zu. „Da wir Menschen dieses Nashorn mit unseren Handlungen erst in diese aussichtslose Lage gebracht haben, liegt es nun auch an uns, mit allen uns verfügbaren Mitteln zu verhindern, dass dieses Tier von unserer Erde verschwindet“, sagt er. „Man kann nicht nur darüber reden, man muss auch handeln. Und das machen wir jetzt.“

Wegen seines Hornes wurden die Nashörner von Wilddieben gejagt.
Wegen seines Hornes wurden die Nashörner von Wilddieben gejagt.Tierpark Berlin/Jan Zwilling

Nördliches Breitmaulnashorn: Ihr Horn war ihr Todesurteil

Dass es von den Nördlichen Breitmaulnashörnern nur noch zwei Tiere gibt, ist das Ergebnis einer der größten Sünden der Menschheitsgeschichte. Einst lebten diese Dickhäuter, deren Markenzeichen unter anderem ein breites Maul und die zwei Hörner sind, zahlreich in den Sumpflandschaften Zentralafrikas. Doch die Wilderei ließ den Bestand dramatisch schrumpfen. Nashörner aller Arten werden vor allem wegen ihres Hornes gejagt. Es gilt bei vielen Menschen auch heute noch als Wunderheilmittel und prestigeträchtiges Luxusprodukt.

Sudan, der letzte Bulle der Nördlichen Breitmaulnashörner, starb 2018 in einem Reservat in Kenia. Najin und ihre Tochter Fatu, die 2009 im tschechischen Zoo Dvur Králové geboren und in das Ol Pejeta Conservancy-Resevat umgesiedelt wurden, sind nun die Letzten dieser Art.

 Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn Sudan starb 2018. 
Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn Sudan starb 2018. Str/dpa

Dank der modernen Wissenschaft und vor allem dank eines Zufalls gibt es jetzt die Möglichkeit, diesen Dickhäutern eine Überlebenschance zu geben. „Vor 30 Jahren haben wir bei mehreren Nashorn-Bullen dieser Art, die in Zoos lebten und leider schon verstorben sind, Spermien entnommen und im Labor eingefroren, weil wir zeigen wollten, dass man aus ihnen Embryonen auf künstlichen Weg erzeugen kann. Keiner ahnte damals, wie überlebenswichtig dieser Plan eines Tages werden könnte“, sagt „Nashorn-Retter“ Hildebrandt.

Und so reiste er nach Kenia, um mit einem Team vor Ort den Nashorn-Weibchen Najin und Fatu Eizellen zu entnehmen. Mehrmals geschah das seit 2019. Die gewonnenen Eizellen wurden im Labor künstlich im Reagenzglas befruchtet. 30 Embryonen entstanden, die nun tiefgekühlt bei minus 196 Grad Celsius in Biobanken in Berlin und im süditalienischen Cremona lagern und auf ihren Einsatz warten.

Nashorn-Rettung im Tierpark Berlin: 30 eingefrorene Embryonen kommen zum Einsatz

„Diese sollen dann bei Nashorn-Leihmüttern eingepflanzt werden, die dann die Babys austragen werden“, erklärt Hildebrandt. Als Leihmütter sollen Weibchen der Südlichen Breitmaulnashörnern dienen, die mit der vom Aussterben bedrohten Nashornart verwandt sind.

Dass dies funktionieren könnte, haben die Forscher in einem Test bewiesen. Aus den Spermien und Eizellen von Südlichen Breitmaulnashörnern hatten sie im vergangenen Jahr ein Embryo gezüchtet und erfolgreich eingepflanzt. Jedoch kam dieses Südliche-Breitmaulnashorn-Baby nie zur Welt.

Eines der Nashorn-Embryonen, die im Labor gezüchtet wurden.
Eines der Nashorn-Embryonen, die im Labor gezüchtet wurden.Tierpark Berlin/Jan Zwilling

„Eine Naturkatastrophe, die zu Überschwemmungen in Afrika führten, verhinderten es“, sagt Hildebrandt. „Mit der Flut kamen Bakterien hoch, mit denen sich die trächtige Leihmutter infizierte und daran starb. Aber wir wissen, dass dieser Embryonen-Transfer, der nie zuvor durchgeführt wurde, klappen kann.“

Nashorn-Rettung im Tierpark Berlin: Verwandte Art soll helfen

Und so sollen nun die bereits vorhandenen Nördlichen-Breitmaulnashorn-Embryonen in der Forschungsstation im Tierpark zum Einsatz kommen, wenn diese Anfang 2026 fertig sein wird. Dann werden dort auch sechs weibliche Südliche-Breitmaulnashörner als Leihmütter auf einer neuen Nashornanlage einziehen. Die Tiere werden aus verschiedenen europäischen Zoos kommen.

IZW-Forscher Thomas Hildebrandt bei der Untersuchung eines Embryos.
IZW-Forscher Thomas Hildebrandt bei der Untersuchung eines Embryos.Tierpark Berlin/Jan Zwilling

Nach dem Einpflanzen der Embryonen müssen Hildebrandt und seine Kollegen allerdings 16 Monate warten, bis die ersten Babys der neuen Generation der Nördlichen Breitmaulnashörner im Tierpark auf die Welt kommen. So lange dauert die Tragezeit bei diesen Tieren. Klappt alles, kann diese Population das Überleben ihrer Art sichern. Auf ihr späteres Leben in der afrikanischen Wildnis soll der Nachwuchs unter anderem mithilfe von Künstlicher Intelligenz vorbereitet werden, etwa durch Geräuschsimulationen.

Die Lageskizze der neuen Nashornanlage im Tierpark, auf der sich auch die Forschungstation befindet.
Die Lageskizze der neuen Nashornanlage im Tierpark, auf der sich auch die Forschungstation befindet.Tierpark Berlin

Dort, wo die Forschungsstation ab dem Herbst errichtet werden soll, steht bereits eine Nashorn-Skulptur aus Altmetallteilen, die ein afrikanischer Künstler geschaffen hat. Der Bau der neuen, knapp drei Hektar großen Nashornanlage nebst Station wird fünf Millionen Euro kosten. Etwa drei Millionen Euro kommen vom Land Berlin.

Forschungsstation: Noch weitere Arten sollen im Tierpark gerettet werden

„Auch wenn die Stadt sparen muss, müssen wir wichtige Projekte unterstützen“, sagt Finanzsenator Stefan Evers (CDU). „Forschung, Wissenschaft, Innovationen – das macht Berlin aus.“ Dazu gehöre auch das Nashorn-Rettungsprojekt des Tierparks, das mit Sicherheit weltweit Beachtung finden wird.

Denn in der Forschungsstation geht es „um weitaus mehr als nur um das Nördliche Breitmaulnashorn“, sagt IZW-Forscher Hildebrandt. „Dieses Projekt könnte der erste Schritt für viele weitere Rettungsaktionen sein. Wenn es uns gelingt, dieses Nashorn so vor der Ausrottung zu retten, profitieren direkt und indirekt Hunderte von anderen Arten.“

Die nächsten Kandidaten warten schon, erklärt Hildebrandt. „Wir haben bereits Nachfragen aus Indonesien, wo das Sumatra-Nashorn und das Java-Nashorn vom Aussterben bedroht sind.“ ■