Eine Berlinerin soll die Chefin werden. Die Chefin einer Herde von Przewalski-Pferden. Tessa heißt das Tier, das als Leitstute vorgesehen ist. Mit drei Artgenossen wurde sie jetzt auf die weite Reise vom Tierpark in Berlin nach Kasachstan geschickt. Hier werden Tessa, Wespe, Umbra und Sary ausgewildert, um die weiten Steppen neu zu erobern.
Das Przewalski-Pferd gilt als letztes verbliebenes Wildpferd der Erde. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es in der Wildnis ausgerottet, nur wenige Tiere überlebten in menschlicher Obhut. Kasachstan ist nach China und der Mongolei nun das dritte Land im ehemaligen Verbreitungsgebiet, in dem wieder Przewalski-Pferde angesiedelt werden.
Militärflug mit zwei Zwischenstopps: Przewalski-Pferde in Kasachstan angekommen
Klappe auf und mutig die neue Welt erobert: Auf einem Video sieht man, dass die vier Pferdchen aus Berlin keine Scheu haben, das neue Territorium zu erkunden. Mit Schwung ging es hinaus aus der blauen Transportkiste, gefolgt von einem kurzen Galopp über die Steppe im staatlichen Naturschutzgebiet Altyn Dala. Froh, wieder raus aus der Kiste zu sein. Über 4000 Kilometer von Berlin entfernt. Erst der lange Flug, dann noch eine Fahrt auf einem Lkw.
Transportiert wurden die Pferde mit Unterstützung des tschechischen Militärs vom Flughafen BER mit zwei Zwischenstopps zu einem stillgelegten Flughafen in der Nähe der Stadt Arkalyk. Die Tiere wurden auf der Reise von der betreuenden Tierärztin sowie vom zoologischen Leiter aus dem Tierpark Berlin begleitet. Das langfristige Ziel des Gemeinschaftsprojektes „Return Of The Wild Horses“ ist es, in den nächsten fünf Jahren mindestens 40 Pferde in ihrem natürlichen Lebensraum wieder anzusiedeln.
„Wir sind erleichtert und ziemlich stolz, diesen besonderen Moment miterleben zu können. Ein großes Team hat dazu beigetragen, dass wir heute hier in der Steppe mit unseren Berliner Pferden stehen können“, erklärt Christian Kern, Zoologischer Leiter von Zoo und Tierpark Berlin. „Eine solche Aktion ist als einzelne Institution nicht umsetzbar, dies geht nur in einem Kollektiv in dem jeder seine Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeit mit einbringt.“
Die Przewalski-Pferde aus Berlin werden in Kürze auf die drei aus Prag stammende Wildpferde treffen und in den kommenden Wochen zu einer Herde zusammenwachsen. Ursprünglich sollten vier Pferde aus Prag nach Kasachstan gebracht werden, ein Tier scheute aber vor dem Abflug und musste zurückgelassen werden. Die in Berlin geborene Tessa hat sich in der Berliner Gruppe vor Abflug als Leitstute etabliert und es ist gut möglich, dass sie diese Position auch in der großen Herde beibehalten wird.

Die Altyn-Dala-Steppe erstreckt sich auf einer Fläche von 750.000 Quadratkilometern über ganz Kasachstan, von der Grenze zu Usbekistan im Süden bis nach Russland im Norden. Die Kombination aus Grasland, Halbwüste und Feuchtgebieten beherbergt eine Vielzahl an Wildtieren, darunter Steppenadler und Wölfe. Mehr als 10 Millionen Zugvögel ziehen jedes Jahr durch die Feuchtgebiete, die zum Unesco-Weltnaturerbe gehören. Bis vor 200 Jahren gehörte auch das Przewalski-Pferd zu den prägendsten Steppenbewohnern.
Im Tierpark sind zwei weitere Przewalski-Pferde geboren worden
„Dies ist ein äußerst wichtiger Moment für die Altyn-Dala-Conservation-Initiative“, erklärt Stephanie Ward von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, die als internationale Koordinatorin der Initiative das Projekt begleitet. „Wir haben lange von dem Tag geträumt, an dem sich Przewalski-Pferde der Saiga-Antilope und dem Kulan in der großen Steppenwildnis Zentral-Kasachstans anschließen würden.“ Vision sei es, voll funktionierende Steppenökosysteme in Kasachstan wiederherzustellen.
In Berlin kamen indes Ende Mai und Anfang Juni zwei Artgenossen zur Welt. Sie seien nach Angaben des Tierparks in bester Gesundheit und folgen bereits der Herde im Tierpark. Eine Herde mit rund zwei Dutzend Przewalski-Pferden lebt auch in Brandenburg in der Naturlandschaft Döberitzer Heide der Sielmann-Stiftung. Von dort hatte es bereits Auswilderungen in die Mongolei gegeben.■