Nach der Grundgesetzänderung sprudeln Milliarden in die Rüstungsbranche. Das sorgt für Bewegung – auch in Berlin, wo Start-ups und Industrie den Schalter umlegen, um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern. Und als Ottonormalbürger muss man sich langsam fragen: Sind wir eigentlich schon im Krieg, Leute?
Eine mit Künstlicher Intelligenz gesteuerte Nahkampfdrohne, die mit 250 km/h feindliche Drohnen aus der Luft rammt, gilt als besonders erlesene Errungenschaft. Sie ist eines von mehr als 40 Vorhaben, die im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr entwickelt und bereits in der Truppe eingesetzt werden, heißt es auf rbb24.de. Diese Drohne sorge mit einer Kollision dafür, dass die feindliche Drohne dann entsprechend zum Absturz gebracht werde, erklärt Sven Weizenegger. Er ist Leiter des Hubs und sprach mit dem RBB. Eine clevere, weil kostengünstige Lösung sei das – schließlich seien Raketen zur Drohnenabwehr um ein Vielfaches teurer.
Geld spielt keine Rolle – die Rüstungsbranche boomt
Während sonst oft auf den Cent geachtet wird, gelten für die Verteidigungsindustrie gerade andere Regeln. Durch die Lockerung der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben hoffen Unternehmen und Start-ups auf einen kräftigen Geldregen – auch in Berlin. Peinlich ist ihnen das nicht.
In Berlin hat sich der Cyber Innovation Hub darum als Brücke zwischen Bundeswehr, Technologieunternehmen und Start-ups etabliert. Weizenegger beschreibt die Mission so: „Wir treten an das Start-up heran und agieren als Bindeglied zwischen der militärischen und der zivilen Welt, denn es ist unsere Aufgabe, das zu steuern und dann das Projekt auch gemeinsam umzusetzen.“
Rüstungsbranche zieht Berliner Wirtschaft mit
Und die Hauptstadt ist dabei kein unbeschriebenes Blatt: Von Satellitenentwicklern, die mit Quantentechnologie sichere Kommunikation ermöglichen, bis hin zu Raumfahrt-Start-ups, die illegale Regenwaldabholzung aufspüren und ganz nebenbei die Nato mit hochauflösenden Bildern versorgen – hier findet man fast alles.
Dass Hightech-Start-ups nicht nur für den zivilen, sondern auch für den militärischen Bereich entwickeln, ist kein Geheimnis. Die Frage ist nur, wieso wussten wir das bisher nicht umfassend, und warum stößt sich eigentlich kaum einer daran? Immerhin geht es hier auch um Vernichtungswaffen.
Berlin Partner zählt inzwischen rund 50 Unternehmen, die sich in diesem Spannungsfeld bewegen. Viele kommen aus der Optik- und Photonikbranche oder aus der Medizintechnik – und das werde jetzt natürlich immer mehr, sagt Geschäftsführer Stefan Franzke. Der Grund liegt auf der Hand: Europa muss seine Verteidigung selbst in die Hand nehmen – und das spürt auch die Wirtschaft.

Sogar die kriselnde Autoindustrie springt auf den Zug auf. Der Automobilzulieferer Pierburg, ein Tochterunternehmen des Rüstungsgroßkonzerns Rheinmetall, kündigt an: In Berlin-Gesundbrunnen sollen künftig verstärkt mechanische Komponenten für den militärischen Bedarf gefertigt werden. Was genau dort entstehen soll? Das bleibt vorerst geheim.
Klar ist nur: Berlin hat für Rheinmetall eine strategische Bedeutung – nicht zuletzt wegen der Nähe zur Bundesregierung und zur Bundeswehr. Natürlich auch wegen der geografischen Nähe zur Ukraine und zu Russland. Aber darüber redet man nicht so gern.
Proteste gegen Aufrüstung – doch die Industrie bleibt gelassen
Milliarden für Rüstung – für Unternehmen ein verlockendes Geschäft. Nicht alle in Berlin jubeln über diese erstaunliche Entwicklung. Am Wochenende gingen rund 1000 Menschen am Brandenburger Tor auf die Straße, um gegen die Militarisierung zu protestieren. Die Menschen fürchten, dass mehr Waffen am Ende auch zu mehr kriegerischen Konflikten führen.

Rheinmetall zeigt sich davon unbeeindruckt. Verständlicherweise. Das Unternehmen wird seinen Aktienkurs seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine bald verzwanzigfacht haben. Es wäre interessant zu wissen, welche Leute, die die Ukraine ständig weiter aufrüsten wollen, an dieser Kursexplosion mitverdienen. Der Autor dieser Zeilen findet: Auch Politiker sollten in dieser Hinsicht Transparenz an den Tag legen.
Laut Umfragen sei eine Mehrheit der Deutschen überzeugt, dass das Land mehr für seine äußere Sicherheit tun müsse, erklärt ein Rheinmetall-Sprecher. „Dies ist das vorrangige Ziel unserer Aktivitäten.“
Auch die IG Metall distanziert sich von den Protestierenden. Keiner wolle Krieg. Aber wenn wir eine Bundeswehr wollen, die schützt, abschreckt und hilft, dann braucht sie Ausrüstung, sagt Jan Otto von der IG Metall Berlin. Und er wird im RBB noch deutlicher: „Alle aktuellen Umfragen belegen doch: Wenn wir den Scheiß bauen müssen, dann bauen wir ihn lieber hier in Deutschland.“
Wenn …, dann … Im Grundkurs Philosophie wäre Otto mit dieser Argumentationsschleife ein Rohrkrepierer. So viel ist sicher. ■