Die Gesobau lässt in den grünen Höfen an der Pankower Ossietzkystraße Tatsachen schaffen. Am Donnerstagvormittag rodeten Arbeiter Hecken und Sträucher, kappten sie knapp über der Erde. Obwohl die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau sich verpflichtet hatte, bis Sonntag keine Vegetation zu entnehmen, kreischen bereits heute die Kettensägen.
Gesobau veranlasst Fäll-Vorbereitungen
„Das sind fällvorbereitende Maßnahmen“, sagt Britta Krehl, Sprecherin der Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow, „keine artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen.“
Umweltverbände kritisieren weiter scharf, dass die Gesobau tätig werden könnte, bevor ein artenschutzrechtliches Ausnahmeverfahren abgeschlossen ist. So ein Verfahren wäre nötig, weil die Gesobau „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nicht oder nicht funktional erbracht hat“.
Die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin), Naturfreunde Berlin sowie die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) haben deswegen erneut einen Eilantrag am Verwaltungsgericht Berlin gestellt.
„Sie möchten in der Sache, dass das Gericht der Gesobau untersagt oder das Bezirksamt dazu verpflichtet, der Gesobau zu untersagen, bestimmte zusammenhängende Habitatstrukturen (Lebensräume) geschützter Vögel – hier: Bäume und Sträucher in bestimmten Bereichen des Areals – zu beseitigen. Dabei machen sie geltend, dass ‚geänderte Umstände‘ vorlägen und beziehen sich auf eine neue naturschutzfachliche Ausarbeitung“, heißt es erklärend vom Verwaltungsgericht Berlin.
Aus dem Rechtsamt Pankow heißt es: „Die Baumfällungen und die Beseitigung weiterer Vegetationsstrukturen kann durch die Gesobau erst nach Umsetzung und Abnahme der festgelegten CEF-Maßnahmen (vorgezogene, im räumlichen Zusammenhang durchzuführende Artenschutzmaßnahmen) durch die untere Naturschutzbehörde erfolgen.“ Dies ist bislang nicht der Fall.
Begeht die Gesobau in den grünen Höfen einen Rechtsbruch?
„Wir hoffen sehr, dass niemand die Absicht hat, einen offenen Rechtsbruch zu begehen und die Bäume an der Ossietzkystraße vor einer abschließenden Klärung des Artenschutzes fällen zu lassen. Die Erfüllung artenschutzrechtlicher Anforderungen ist Voraussetzung für jede Baumaßnahme, ob dabei nun Wohnungen, Unterkünfte oder Industriegebäude errichtet werden sollen. Seit mindestens fünf Jahren wird an dieser Baustelle geplant und es wäre ausreichend Zeit gewesen, die Regelungen zu berücksichtigen und einen Baustopp zu vermeiden. Sonderbaurecht ist kein Freifahrtschein, um alle Vorschriften ignorieren zu können“, so der BUND Berlin in einer Mitteilung Ende Januar.
Durch die Rodungen der 60 Bäume und aller Büsche würden 25 Brutreviere von Baum- und Freibrütern, die Ruhestätten von 70 Gebäudebrütern in Hecken und Sträuchern sowie ein Großteil der Nahrungsflächen für alle Arten zerstört oder mindestens erheblich beschädigt werden.
Eine von den Berliner Naturfreunden angelegte umfangreiche Dokumentation zeigt auf, dass die angegebenen Ausweich-Habitate zu großen Teilen die erforderlichen Funktionen nicht erfüllen können. „Die Ausweichflächen weisen nur spärliche Vegetation auf und viele der Flächen liegen direkt an der Baustelle. Brutvögel werden dort durch Baulärm und Schwerlastverkehr gestört und solche Flächen aller Voraussicht nicht annehmen.“
Dass die Gesobau trotz fehlender Genehmigung nun mit Arbeiten beginnt, könnte daran liegen, dass weitere Verzögerung bei dem Projekt droht. Die gesetzliche Schutzfrist für Bäume beginnt am 1. März. Sollte bis dahin keine behördliche Genehmigung vorliegen, könnte die Gesobau womöglich erst nach Ende der Schutzfrist im Oktober mit den Rodungen beginnen, heißt es in einem Bericht des Tagesspiegels.

Was plant die Gesobau in den Pankower Höfen?
Die landeseigene Gesobau will in zwei Innenhöfen einer Wohnanlage aus den 1950er-Jahren zwei Häuser mit 99 Wohnungen errichten, die die Bestandsbauten überragen und viel Grün vernichten. Gegen die massive Bebauung regt sich seit vielen Jahren Protest, in einem demokratischen Prozess wurde ein Kompromissvorschlag zu einer verträglicheren Bebauung entwickelt. Um jedoch die ursprünglichen Pläne zu verwirklichen, wurden die Häuser von Gesobau und Senatsbauverwaltung kurzerhand als Geflüchtetenunterkünfte deklariert, die nach dem Sonderbaurecht am Bezirk vorbei errichtet werden können. In der Mitteilung des BUND heißt es dazu:
„Es gibt keinen grundlegenden Konflikt um die Schaffung von Wohnraum an dieser Stelle. Es geht ausschließlich darum, dass eine übermäßig verdichtete Bebauung durchgesetzt werden soll, die deutlich über das Maß der Bebauung in dieser Gegend hinausgeht. Es könnte der Verdacht entstehen, dass das Sonderbaurecht für Flüchtlingsunterkünfte hier genutzt werden soll, um eine ansonsten unzulässige Bebauung durchzusetzen.“
Das Pankower Umwelt- und Naturschutzamt hatte der Gesobau die Rodung von Bäumen und Sträuchern untersagt, bis nicht Ausgleichsmaßnahmen für geschützte Vogel- und Fledermausarten verwirklicht sind. Diese Untersagung kassierten Berliner Gerichte. Trotz des Erfolgs vor Gericht darf die Gesobau aber weiterhin nicht fällen.