Wochenlang wurde bei der BVG um mehr Geld für die 16.600 Beschäftigten gestritten. Nun sollen vor allem die Fahrer von Bussen, Straßen- und U-Bahnen mehr Geld bekommen. Die Gefahr eines Dauerstreiks scheint damit beendet. Doch das Chaos auf den BVG-Schienen nimmt kein Ende. Zu wenig U-Bahn-Züge, Wartezeiten über 20 Minuten – die Verkehrsbetriebe scheinen immer mehr als nur ein wenig aus dem Takt zu geraten.
Normalerweise kümmert sich der BUND um ganz andere Dinge. Der Schutz von Pflanzen und Tieren in der Hauptstadt gehört etwa zu den großen Anliegen des Naturvereins. Doch wenn deren Berliner Geschäftsführerin Gabi Jung sich jetzt über die Zustände bei der BVG im Untergrund aufregt, ist das schon ein alarmierendes Zeichen, wie schlimm es um die U-Bahn in der Hauptstadt bestellt ist.
Wie gesagt, der BUND ist ein Natur- und Umweltverein. Und deren Berliner Chefin ist auch keine Verkehrsexpertin. Doch sie und ihre Mitarbeiter gehören zu den vielen Berlinern, die mit der BVG durch die Stadt fahren (müssen), wenn sie dann mal fährt.
Denn seit Wochen herrscht heilloses Chaos. Vor allem die U-Bahn-Linien U1, U2, U3, U4 und U12 scheinen brutal aus dem Takt geraten zu sein, wie die Naturschützer jetzt öffentlich in einer Mitteilung anprangern. Und sie nennen Beispiele.
BVG nach Streit um Streik: Auf DIESEN U-Bahnlinien tobt das Chaos
„Tag für Tag gibt es auf der derzeit baubedingt zwischen Warschauer Straße und Ruhleben fahrenden U12 statt eines geplanten 5-Minuten-Takts massive Ausfälle mit Lücken bis zu 20 Minuten und mehr“, heißt es. „Da nur jeder zweite Zug planmäßig über Theodor-Heuss-Platz hinaus bis Ruhleben fährt, vergeht zwischen zwei Fahrten in diesem Abschnitt öfter auch eine halbe Stunde.“
Weitere Probleme (nicht nur wegen der Bauarbeiten) stellt der BUND auf der restlichen U2-Strecke zwischen Gleisdreieck und Pankow fest. Dort würden regelmäßig nur Kurzzüge mit nur vier statt geplant acht Wagen fahren.

Nicht einmal auf der Mini-Linie U4 zwischen Nollendorfplatz und Innsbrucker Platz läuft alles wie geschmiert. Regelmäßig würde nur ein 20-Minuten-Takt angeboten, so der BUND. „Zwei von drei Fahrten fallen aus. Und die Stummel-U1 zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße wird regelmäßig stundenlang komplett eingestellt.“
Der offenbar vermehrte Einsatz von Kurzzügen mit nur vier Wagen zerstört die Regelmäßigkeit des Zug-Angebots komplett. „Da sich viel zu viele Leute in die Kurzzüge quetschen, müssen sie viel länger als geplant zum Ein- und Aussteigen an den Bahnhöfen halten. Hinter ihnen stauen sich dann die Folgezüge.“
Aber nicht nur das sorge für noch mehr Durcheinander. „Da auch in der Leitstelle Personalmangel herrscht, wird nicht im erforderlichen Ausmaß in den Betrieb eingegriffen, um den Fahrplan zu stabilisieren. Ein einmal zerstörtes Taktgefüge wird über Stunden nicht behoben“, klagt der BUND.
Es wäre nun endlich einmal an der Zeit, dass BVG und auch die Senatsverkehrsverwaltung von unter Senatorin Ute Bonde (CDU) schonungslos öffentlich machen, wie schlimm es derzeit wirklich um den Fahrzeug- und dem Personalbestand bei den Fahrern steht. „Den über 200.000 Fahrgästen täglich ein Angebotsversprechen zu machen, das nicht einmal ansatzweise eingehalten werden kann – so dürfe es nicht weiter gehen.“
Der BUND fordert: Die BVG und Senat müssen „über die nochmalige Verschärfung der Fahrzeug- und Personalkrise informieren und einen verlässlichen Notfahrplan aufstellen, der unter den aktuellen Bedingungen gefahren werden kann“.
Dabei müsse der Fokus vor allem auf die Hauptlinien U2, U3 und U12 liegen. Der Vorschlag des BUND: Dort sollten Züge „lieber etwas seltener in diesem Grundfahrplan fahren, dafür alle Fahrten zuverlässig und in maximaler Zuglänge von acht Wagen. Wenn mehr Personal und Fahrzeuge als dafür nötig zur Verfügung stehen, kann dieses verlässliche Notangebot weiter verdichtet werden.“
Ausgerechnet Naturschützer sagen, was bei der BVG schief läuft
Um ein Fahrangebot auf diesen Linien zu stabilisieren, „muss auch darüber nachgedacht werden, den Betrieb auf der Rest-U1 sowie die U4 bis zu einer Stabilisierung der Fahrzeug- und Personallage vorläufig ganz einzustellen“.
Begründung: „Beide Linien haben wenig Fahrgäste und ein paralleles Busangebot. So fahren zahlreiche Buslinien im dichten Takt entlang des Kurfürstendamms über der U1, mit der Buslinie M46 gibt es auch ein Parallelangebot zur U4.“
Man staunt, wie sich die BUND-Naturschützer plötzlich zu Verkehrsexperten mausern. Das BVG-Chaos ist schuld – und dass keiner etwas dagegen ernsthaft macht.
„Seit Wochen inszeniert sich CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde als tatkräftige Krisenmanagerin rund um die Brückenprobleme am Dreieck Funkturm“, sagt BUND-Chefin Gabi Jung. „Doch die nicht minder schwerwiegende Krise im U-Bahn-Netz, die große Teile der Stadt betreffen, scheint ihr kein öffentliches Engagement wert.“
Jung fordert: „Es braucht ein Krisenmanagement, um ein verlässliches Grundangebot sicherzustellen. In den Hochzeiten der S-Bahn-Krise im Jahr 2009 wurde auch nicht wahllos irgendwo oder irgendwann gefahren, sondern der verfügbare Wagenpark ist dort eingesetzt worden, wo die S-Bahn am dringendsten benötigt wurden. So einen strukturierten Umgang müssen Senat und BVG jetzt auch bei der U-Bahn umsetzen.“
Chaos-Vorwürfe: DAS sagt die BVG dazu
Und was sagt die BVG dazu? „Die Situation, insbesondere auf den Linien U1 bis U4, ist hinlänglich bekannt und ständig – auch selbstkritisch – im Blick der Fachleute“, sagt ein Sprecher der BVG dem KURIER. Die Berliner Verkehrsbetriebe hätten dazu „bereits seit dem vergangenen Jahr transparent kommuniziert und Maßnahmen für mehr Zuverlässigkeit umgesetzt“.
Das Unternehmen sei auf dem Weg, der aus dem Chaos herausführen soll. Die BVG habe „die Weichen gestellt, um dauerhaft die Qualität des Angebots zu stabilisieren. Daran arbeitet das gesamte Unternehmen mit vollem Einsatz“, sagt der Sprecher.
Und er kündet an: Auf den Linien U1 bis U4 rolle es bald wieder zügiger. „Nach den Sommerferien sollen dort die ersten U-Bahnen der neuen Generation in den Fahrgastbetrieb gehen“, sagt der Sprecher. Dass es dennoch „kurzfristig zu Engpässen bei Personal (z.B. durch Krankheitswellen) und Technik kommen kann, ist aber leider nicht immer vermeidbar“.
Liebe Leser, hat der BUND recht? Welche Chaos-Geschichten erleben Sie gerade mit der BVG? Oder ist alles nur halb so schlimm? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com ! ■