Wann ruft man schon mal einen Kammerjäger, aber ab und zu kommt es vor. In Berlin übrigens immer öfter. Und das hat seinen Grund. Der Einsatz begann mit einem seltsamen Hinweis: Fliegen krabbelten aus den Wänden eines Wohnhauses. Hausbewohner vermuteten ein verendetes Tier, vielleicht ein Marder im Heizungsrohr. Ein Kammerjäger wurde gerufen – und stieß stattdessen auf eine Leiche.
Der Mann, hoch verschuldet und offenbar von seiner Frau verlassen, hatte sich im Heizungskeller erhängt. Sein Körper war bereits so stark verwest, dass sich schwarze Flecken auf der Kleidung abzeichneten. Eine Szene, die selbst einem erfahrenen Schädlingsbekämpfer im Gedächtnis bleibt.
Mario Heising kennt den Umgang mit Tierkadavern und Parasiten, doch dieser Fund übertraf alles, was er bisher erlebt hatte, schreibt die Berliner Zeitung in ihrem Porträt über den Kammerjäger.
Als Fachmann für Schädlingsbekämpfung rückt er regelmäßig in Berliner Wohnhäuser und auf öffentliche Plätze aus, nicht nur, um Ratten, Mäuse oder Insekten zu vernichten, sondern auch, um deren Ursprung zu finden. Und der ist nicht selten menschlicher Natur.
Wo das Gift des Kammerjägers nicht reicht, ist Aufklärung bitter nötig
Vor allem am Kottbusser Tor im Bezirk Kreuzberg ist Heising regelmäßig im Einsatz. Der Bereich rund um die viel kritisierte Öko-Toilette ist längst zu einem Brennpunkt der städtischen Schädlingsplage geworden.
Der allgegenwärtige Gestank nach Kot und Urin, Taubenfutter unter der Brücke und Obdachlose am Zaun bilden ein Milieu, das Ratten geradezu anzieht. Heising installiert dort Giftköder in gesicherten Boxen, umgeben von Bauzäunen. Der Zugang ist strikt geregelt, doch selbst das sorgt regelmäßig für Diskussionen mit Passanten – besonders mit besorgten Eltern.
Der Umgang mit Ratten hat ihm nicht nur berufliche Routine, sondern auch reichlich Konflikte eingebracht. Auf einem Spielplatz wurde ihm vorgeworfen, ein Kind vergiftet zu haben – ein Vorwurf, der ihn dazu brachte, das Bezirksamt zum Einschreiten zu bewegen.
Wenn Taubenfüttern zur Stadtplage wird, ist der Kammerjäger zur Stelle
Dabei gehe es nicht um blinde Tötung, sondern um Gesundheitsvorsorge, heißt es in der Berliner Zeitung. Ratten gelten als Überträger gefährlicher Krankheiten, von Salmonellen über Milzbrand bis hin zu Leptospirose. Ihre Ausscheidungen im Sandkasten sind ein unterschätztes Risiko.
Trotz aller Maßnahmen lässt sich der Anstieg der Rattenpopulation kaum aufhalten. Eine Studie, veröffentlicht im Januar 2025 im Fachjournal Science Advances, bestätigt, dass in zahlreichen Großstädten weltweit die Beschwerden über Ratten deutlich zugenommen haben. Mitverantwortlich dafür: Klimawandel, Verstädterung und eine wachsende Bevölkerungsdichte. Auch Berlin verzeichnete allein 2022 mehr als 8000 gemeldete Fälle.

Aber nicht nur Ratten machen der Hauptstadt zu schaffen. Auch Mäuse und Bettwanzen fordern Heising regelmäßig heraus. In einem Haus in Prenzlauer Berg deuteten Krümelspuren und angeknabberte Köder auf einen Befall hin. Heising vermutet, dass ein älterer, zurückgezogen lebender Bewohner durch Unachtsamkeit den Mäusen Nahrung bietet. Seine Vermutungen stützt er nicht auf Hörensagen, sondern auf jahrzehntelange Erfahrung.
Ein anderes Kapitel betrifft die Bettwanzen. Besonders in Hostels und Ferienunterkünften sind sie ein wachsendes Problem. In Deutschland gilt eine Null-Toleranz-Politik – hundertprozentige Tilgung ist vorgeschrieben. Anders war das in der DDR, wo Schaben und Bettwanzen teils präventiv bekämpft wurden. Mit dem Mauerfall kam nicht nur die Reisefreiheit, sondern offenbar auch eine Rückkehr dieser Plagegeister.
Und dann sind da noch die Tauben. Für Heising ein unterschätzter Auslöser von Schädlingsproblemen. Übermäßiges Füttern führt zu Futterresten – ein gefundenes Fressen für Ratten. Selbst Katzenhäuser in Marzahn-Hellersdorf konnten das Problem nicht lösen, weil Ratten sich an den Futtervorräten der Samtpfoten bedienten.
Tierschützer widersprechen solchen Darstellungen und werfen der Branche Panikmache vor. Heising sieht das anders, so die Berliner Zeitung: Für ihn sind organisierte Taubenfütterer Teil des Problems, nicht der Lösung.
Ob am Kotti, im Altbau oder auf dem Spielplatz – der Beruf des Kammerjägers verlangt nicht nur Fachwissen, sondern auch Geduld und ein dickes Fell. Zwischen Gesundheitsrisiken, Vorurteilen und absurden Situationen navigiert Heising durch eine Stadt, in der Mensch und Tier auf engstem Raum nebeneinander leben – mit allen Konsequenzen.
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