Gegen unkontrollierte Vermehrung

Berliner Tauben kriegen jetzt die Pille

Ein in Italien zugelassenes Medikament sorgt bei Tauben für Unfruchtbarkeit. Die Deutsche Bahn testet das Mittel nun am Bahnhof Südkreuz.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Ein Bus der BVG fährt an mehreren Tauben vorbei. Am Bahnhof Südkreuz werden Tauben ab März mit Anti-Fruchtbarkeitsmitteln gefüttert.
Ein Bus der BVG fährt an mehreren Tauben vorbei. Am Bahnhof Südkreuz werden Tauben ab März mit Anti-Fruchtbarkeitsmitteln gefüttert.Helena Dolderer/dpa

Berlin und seine Tauben, eine Hassliebe, die die einen über vollgeschissene Fahrräder und Gehwege meckern lässt und andere dazu bewegt, liebevoll Futterplätze einzurichten. Die Zahl der Berliner Tauben ist ungewiss. Schätzungen gehen von mindestens 10.000 Tieren aus, so der Tierschutzverein Berlin. An belebten Orten leben Schwärme von mehreren hundert Tieren, hauptsächlich Stadttauben. Sie sind Nachfahren von Zucht-, Rasse- und Brieftauben, brüten aufgrund angezüchteten Brutverhaltens mitunter das ganze Jahr.

Der Streit um eine verträgliche Population bewegt die Gemüter. Wann sind es z viele Tauben? Wie kann man die Population in einem verträglichen Maß halten? Die mittlerweile frei gestellte Tierschutzbeauftragte Berlins lehnte den Einsatz von Verhütungspillen bei Tauben strikt ab. Nun aber kommt die Pille für Tauben schon im März: am Bahnhof Südkreuz, verabreicht auf Betreiben der Deutschen Bahn.

Drei Jahre Anti-Tauben Pille am Südkreuz

„Die Deutsche Bahn plant einen auf 3 Jahre befristeten Einsatz des Medikaments am Bahnhof Südkreuz im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ab März 2025, heißt es dazu in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Tamara Lüdke, SPD.

Die Tauben werden in dem Projekt, um sie unfruchtbar zu machen, mit Maiskörnern gefüttert, die mit dem Medikament „Ovistop“ überzogen sind. In Italien ist das Medikament bereits zugelassen, sodass auch der Einsatz in anderen EU-Ländern möglich ist.

Zuerst sollen die Tauben an die tägliche Gabe des neuen Futtermittels gewöhnt werden, danach werden sie einmal täglich mit der nach Schwarmzahl kalkulierten und verschriebenen Menge des Medikaments gefüttert. Nach 15-30 Minuten werden noch nicht verzehrte Reste des Futtermittels entfernt und unschädlich beseitigt.

Die Anwendung muss an mindestens 5 Tagen einer Woche erfolgen, um eine wirksame Gewebekonzentration zu erreichen, heißt es in der Antwort weiter. Die Wirksamkeit des Medikaments sei reversibel, 5 bis 7 Tage nachdem es abgesetzt wird, sind die Taubeneier wieder fruchtbar. Da die Tauben ganzjährig brüten, dieses Verhalten wurde einst vom Menschen angezüchtet, muss die Gabe des Medikaments für mindestens 9 Monate erfolgen.

Viele Tauben in der Stadt,nicht alle leben gern mit den Tauben zusammen.
Viele Tauben in der Stadt,nicht alle leben gern mit den Tauben zusammen.Sabine Gudath

Eine direkte wissenschaftliche Begleitung der geplanten Anwendung ist nicht geplant.  Tauben leben in Berlin in einem Ökosystem. Sie sind Beute von Greifvögeln wie Falken und Füchsen. Ein Eingriff in die Population hat auch für sie Folgen.

Konkret ist die Pille für Tauben für andere Vögel nach Angaben des Senats aber ungefährlich: Krähen werden durch Menschen bei der Fütterung abgeschreckt, für kleinere Vögel sind die Körner zu groß. Und Greifvögel müssten enorm viele Tauben fressen, damit eine Wirkung eintritt, das habe eine Studie in Pisa untersucht.

Die Deutsche Bahn setzt das Medikament Ovistop auch in verschiedenen Liegenschaften außerhalb von Berlin ein. Nach Kenntnis des Senats wird dieser Einsatz von der Universität Gießen begleitet, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Das Projekt in Berlin ist zunächst auf drei Jahre befristet, die Kosten trägt die Deutsche Bahn. Diskutiert wird auch der Einsatz an weiteren Bahnhöfen in Berlin. ■