Die geplante Nahverkehrstangente Ost, eine S-Bahntrasse für den Osten Berlins, soll die neuen Wohngebiete der Hauptstadt besser erschließen, vom Karower Kreuz im Norden über Springfuhl bis zum Grünauer Kreuz im Süden führen. Doch jetzt sind die Pläne gefährdet. Denn auf einer Fläche, die für die Erweiterung vorgesehen ist, wird ein Supermarkt hochgezogen, berichtet die Berliner Zeitung. „Ein krasses Verwaltungsversagen“, sagt Axel Schwipps vom Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg.
Es geht um das Grundstück Märkische Allee 59 im Bezirk Marzahn-Hellersdorf – unweit vom S-Bahnhof Springpfuhl. Ein Baukran steht, die Arbeiten laufen. Hier wird gerade ein Geschäftshaus hochgezogen, im Erdgeschoss soll ein Aldi-Supermarkt einziehen. Bauherr ist die KGG GmbH & Co KG, die zum Imperium des Berliner Möbel-Milliardärs Kurt Krieger gehört.
Die neue S-Bahn-Strecke ist wichtig für den Berliner Osten
Das Grundstück erwirbt Kurt Krieger 1996 von der Treuhand. Am 21. November 2019 wird ein Antrag auf Bauvorbescheid für die Errichtung eines Verbrauchermarktes gestellt, berichtet die Berliner Zeitung. Das Bezirksamt habe mitgeteilt, dass Aldi bewusst war, dass der Supermarkt auf einer Vorhaltetrasse für die Nahverkehrstangente Ost (NVT) entstehen wird.
Die NVT, die parallel zum Berliner Außenring im Osten der Stadt entstehen soll, ist wichtig für den Berliner Osten. Die Nord-Süd-Trasse für die S-Bahn würde die Wege enorm verkürzen, auch zum Flughafen BER. Mehrere neue Bahnhöfe sollen entstehen – Parkstadt Pankow, Biesdorf Süd, Karlshorst Nord und Dörpfeldstraße.
Seit vielen Jahren ist die NVT im Gespräch. Doch am 25. Juni 2021 stellt das Bezirksamt einen positiven Bauvorbescheid aus – und weist dabei wiederum daraufhin, dass sich das Vorhaben auf der Vorhaltetrasse für die NVT befinde, dass nach Auskunft der Senatsverkehrsverwaltung „grundsätzliche verkehrsplanerische Bedenken“ bestehen.
Am 27. Februar kommt es dann zu einem Senatsbeschluss, in dem das Land Berlin Ja zur geplanten neuen S-Bahnstrecke sagt. Trotzdem wird am 29. August 2024 eine Baugenehmigung für die Märkische Allee 59 erteilt. Um die Dauer der Genehmigung zu begrenzen, habe laut Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf eine Rechtsgrundlage gefehlt, berichtet die Berliner Zeitung. Problem: Das Planfeststellungsverfahren für die S-Bahn-Strecke hatte damals noch nicht begonnen.
„Das Grundstück befindet sich nicht (mehr) in öffentlicher Hand, und zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung gab es für die Trassenflächen der NVT noch kein begonnenes Planfeststellungsverfahren“, erklärt auch Staatssekretär Alexander Slotty, Staatssekretär in der Bauverwaltung. „Es gab demnach keine rechtliche Grundlage zur Versagung des Vorhabens.“ Diese Antwort bekam Linken-Politiker Kristian Ronneburg, Fraktionssprecher für Mobilität, auf eine Anfrage an die Bauverwaltung.
Marzahn-Hellersdorf kam seiner Mitteilungspflicht nicht nach
„Planerisch handelt es sich um eine Bahnfläche“, sagt der Linken-Politiker zur Berliner Zeitung. Hier sollte also kein Supermarkt hochgezogen werden. Das sieht auch der Senat so: „Der Flächennutzungsplan Berlin in der Fassung der Neubekanntmachung vom 7. Februar 2025 stellt für den Standort des Aldi-Marktes Märkische Allee 59 eine Bahnfläche dar“, heißt es in der Senatsantwort an Ronneburg. „Das Gebäude befindet sich vollumfänglich auf den vorgesehenen Flächen für die Nahverkehrstangente Ost.“
Was lief da komplett schief? Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf soll einen Fehler gemacht haben, sei seiner Mitteilungspflicht „nicht nachgekommen“ sein. Denn die Bezirke müssen die Senatsbauverwaltung unterrichten, wenn ein beantragtes Vorhaben dem Flächennutzungsplan widerspricht. Dann hat der Senat sechs Wochen Zeit, zu entscheiden, ob er Bedenken erhebt oder nicht. Doch das ist wohl in diesem Fall nicht passiert.

Axel Schwipps vom Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg wundert sich über das Versäumnis. „Es kann doch nicht sein, dass der Bezirk nicht mitbekommen hat, dass er eine neue S-Bahn bekommen wird“, sagt er zur Berliner Zeitung. Jetzt wäre es rechtlich nicht möglich, dass die Senatsbauverwaltung die Baugenehmigung rückabwickelt. „Der Vorgang zeigt, wie zahnlos Verkehrsplanung sein kann“, sagt Christfried Tschepe vom Fahrgastverband Igeb.
„Wenn die S-Bahn-Strecke gebaut werden sollte, werden die Grundstücke enteignet werden müssen“, folgert der Linken-Politiker Kristian Ronneburg. Und das dürfte teuer für Berlin werden ... ■