Ost-Länder einig

Mehr als ein DDR-Moped: Tempo 60 soll für alle Simsons gelten!

Die ostdeutschen Bundesländer wollen die Sonderregel für die DDR-Zweiräder ausweiten. Es geht den Parteien um die Mopeds – und auch ums Prinzip!

Author - Stefan Doerr
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Die Brandenburger Landtagsabgeordneten Nadine Graßmel (l.) und Wolfgang Roick (beide SPD) fahren mit ihren Simson-Mopeds auf dem Alten Markt vor dem Landtag vor.
Die Brandenburger Landtagsabgeordneten Nadine Graßmel (l.) und Wolfgang Roick (beide SPD) fahren mit ihren Simson-Mopeds auf dem Alten Markt vor dem Landtag vor.Jens Kalaene/dpa

Schwalbe, Star, Sperber, S50 und S51: Zu DDR-Zeiten wurden sie in Suhl in Thüringen millionenfach produziert. Das Zweitaktknattern der Simsons ist unverwechselbar und bis heute ist das DDR-Moped absoluter Kult – und sogar politisches Streitthema. Denn die Zweiräder sollen künftig generell 60 Stundenkilometer schnell flitzen dürfen, hoffen Brandenburger Politiker.

„Unverwechselbares Zweitaktknattern“ der DDR-Mopeds

Wegen einer Sonderklausel im Einigungsvertrag von 1990 dürfen Simsons Tempo 60 fahren statt nur 45 km/h, wie es für Mopeds anderer Marken in derselben Klasse gilt. Diese Sonderregel gilt allerdings nur für Simsons, wenn sie vor Ende Februar 1992 auf deutschen Straßen unterwegs waren. Doch was ist mit Simsons, die zu DDR-Zeiten exportiert wurden und nun zurück nach Deutschland geholt, also reimportiert werden? Im Brandenburger Landtag wurden zwei Anträge gestellt, dass auch für diese Mopeds die Tempo-60-Regel gelten soll.

Rednerinnen und Redner aller Parteien betonten den hohen kulturellen Wert der DDR-Zweiräder und ihres „unverwechselbaren Zweitaktknatterns“, wie es die SPD-Politikerin Martina Maxi Schmidt ausdrückte. Der AfD-Politiker Daniel Münschke sagte: „Die Simson ist ein ostdeutsches Symbol. Sie steht für Mut, Pragmatismus, Gemeinschaft und dafür, aus wenig viel zu machen.“

Die ehemalige DDR-Marke Simson ist absoluter Kult. Die Mopeds werden aus dem Ausland reimportiert.
Die ehemalige DDR-Marke Simson ist absoluter Kult. Die Mopeds werden aus dem Ausland reimportiert.Patrick Pleul/dpa

Ost-Bundesländer kämpfen für die Simson-Sonderregel

Die ostdeutschen Bundesländer wollen deshalb mithilfe der Bundesregierung auf EU-Ebene durchsetzen, dass auch reimportierte Simson-Mopeds aus DDR-Produktion künftig in Deutschland mit Tempo 60 fahren können. Den Landtag in Sachsen beschäftigte das DDR-Kultobjekt im Oktober, das Kabinett in Mecklenburg-Vorpommern Anfang November. In Sachsen-Anhalt legte die CDU vor wenigen Tagen einen „wegweisenden Antrag“ dazu vor. Und in Brandenburg fasste der Landtag am Freitag, 21. November, den Beschluss zugunsten der Simon – und zwar einstimmig.

Als Erste war die AfD auf das Simson-Thema aufgesprungen und formulierte einen Antrag zur Ausweitung der Sonderregel. Die in Brandenburg regierenden Parteien SPD und BSW konterten zusammen mit der CDU mit einem eigenen, inhaltlich recht ähnlichen Antrag. Während der AfD-Antrag durchfiel, ging die zweite Vorlage einstimmig durch – also auch mit den Stimmen der AfD.

Politik vereinnahmt DDR-Kult für sich

Im Beschluss ist festgehalten, dass sich die Landesregierung dafür starkmacht, die Ausweitung der Tempo-60-Regel voranzutreiben und sich beim Bund dafür einzusetzen. Letztlich muss der Bund die EU-Kommission von der Simson-Sonderregel überzeugen. Doch politisch geht es auch darum, der AfD nicht das Thema zu überlassen. Nur allzu gern nutzen die Rechtspopulisten DDR-Themen für sich, um die Entfremdung zwischen West und Ost voranzutreiben.

Es ärgere sie, „wenn die Simson von westdeutschen Populisten und Extremisten vereinnahmt wird, die dann damit plakativ unterwegs sind, sich aber sonst für die besonderen Erfahrungen der Ostdeutschen überhaupt nicht interessieren“, sagt die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser. „Für mich steht die Simson nicht für Ostalgie, sondern dafür, dass ostdeutsche Ingenieurskunst immer noch das gesamte Land bereichert, inzwischen sogar als E-Schwalbe mit Elektromotor.“