Der Abriss des Berliner Jahnstadions geht los. Seit 9.30 Uhr werden bereits die Bauzäune aufgestellt. Später standen auch schon die ersten Bagger da. Doch das Vorhaben könnte auch schnell wieder beendet sein. Denn Naturschützer wollen mit einem Eilantrag vor Gericht das Vorhaben stoppen. Der Grund sind Spatzen und Fledermäuse, die im Stadion noch ihr Zuhause haben.
Offenbar haben die Senatsbauverwaltung und zuständige Behörden es versäumt, im Vorfeld der Abrissarbeiten sogenannte Ausgleichsflächen für Brutvögel und andere Tiere zu errichten, die im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion heimisch sind. So sei es aber gesetzlich vorgeschrieben, erklärt Uwe Hiksch vom Umweltverband Naturfreunde Berlin gegenüber dem KURIER. Deshalb müsse der Stadion-Abriss gestoppt werden.

In dem Moment, wo die ersten Arbeiten sichtbar beginnen, „werden wir den Eilantrag am Berliner Verwaltungsgericht einreichen“, so Hiksch. „Das fertige Schreiben liegt bereits bei unserem Anwalt zum Absenden bereit.“ Zunächst wurde aber erst ein Schreiben an die Senatsbauverwaltung geschickt. Mit der Bitte, aufgrund der offenbar unterlassenen Artenschutzmaßnahmen die Abrissarbeiten am Stadion einzustellen, so Hiksch. „Geht die Behörde darauf nicht ein, wird dann der Eilantrag an das Verwaltungsgericht geschickt.“
Der Verband und die Bürgerinitiative Jahnsportpark verweisen darauf, dass der Senatsverwaltung für Bauen und Stadtentwicklung seit 2020 ein von ihr selbst beauftragtes Artenschutz-Gutachten für den Jahn-Sportpark vor. Demnach sollte der Behörde schon seit vier Jahren bekannt sein, welche Bedeutung das Stadion, die angrenzenden Bäume und Büsche für den Schutz von Vogelarten und Fledermäuse haben, erklären die Abrissgegner.
Jahnstadion: Abriss-Stopp wegen fehlender Artenschutzmaßnahmen?
Laut dem Artenschutz-Gutachten kommen auf dem Areal bis zu 25 Brutvogelarten (neben Sperlinge auch Stare und Hausrotschwänze) und neun von 16 der in Berlin vorkommenden Fledermausarten vor. Doch im Zuge der geplanten Abrissarbeiten käme es „zum Verlust einer hohen Anzahl von Brutplätzen am Stadion, an der Westtribüne und den Nebengebäuden“, heißt es in einer Mitteilung der Bürgerinitiative Jahnsportpark.

Dazu kommt, dass etwa 4.100 Quadratmeter artenschutzrelevante Grünflächen und zirka 50 Bäume dem folgenden Stadionneubau zum Opfer fallen werden. Dabei waren laut Naturschützer Uwe Hiksch Maßnahmen geplant, um den Tieren die notwendige Umsiedlung vor Abrissbeginn zu ermöglichen. Dennoch würden derzeit 359 Nisthöhlen und Quartiere für Vögel und Fledermäuse fehlen, die rechtlich „bis spätestens 28. Februar 2024 als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen zu realisieren waren“.

Die Bürgerinitiative Jahnsportpark kann nicht nachvollziehen, weshalb die Senatsverwaltung in all den Jahren ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei. „Es wurden weder wirksame Artenschutzmaßnahmen zum Erhalt von Höhlenbrütern und Fledermäusen getroffen noch entsprechende Ausnahmegenehmigungen eingeholt, obwohl ein von der Senatsverwaltung selbst beauftragtes Gutachten dies als erforderlich ansieht“, heißt es in einer Mitteilung.
Jahnstadion: Eilantrag kann Stadionneubau in Verzug bringen
Folgt das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Bürgerinitiative und der Naturschützer, könnte der Abriss des Jahnstadions und der Neubau in einem drastischen Zeitverzug kommen. Denn für das Aufstellen von Sperlingstürmen und das Anbringen von Fledermausquartieren müsste die Senatsverwaltung erst einmal eine Ausschreibung beginnen. „Bis das alles passiert ist, kann viel Zeit vergehen“, sagt Naturschützer Hiksch.
Möglich ist daher, dass in diesem Fall der Stadionabriss erst in der ersten Hälfte des kommenden Jahres weiter gehen kann, wenn dann alle Ausweichquartiere für die jetzigen tierischen Stadionbewohner fertig sind, die bereits stehen sollten. „Sie erst nach dem Abriss aufzustellen, geht gar nicht“, sagt Hiksch.
Das hätte dann auch Folgen für den Stadionneubau. Dieser wird dann, dank der möglichen Verzögerung garantiert nicht 2027 fertig sein. Mittlerweile rechnet der Senat mit Kosten von über 200 Millionen Euro (schon jetzt teurer als geplant), die dann noch einmal kräftig nach oben gehen könnten.
„Wir verstehen nicht, wenn am Ende dann einem Spatzen oder einem anderen Tier die Schuld daran gegeben wird, dass sich das Bauen verteuert, wenn wie beim Jahn-Sportpark die Kosten in die Höhe schießen, obwohl nicht einmal relativ einfache Artenschutz-Maßnahmen umgesetzt wurden“, sagt Naturschützer Uwe Hicksch. ■