Zu teuer, zu riskant

Jahnsportpark: Verhindert DIESE Pankowerin den Abriss des DDR-Stadions?

Im Oktober sollen die Bagger anrollen. Doch Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) stellt das Millionen-Projekt infrage, das sich der Senat in Wahrheit nicht leisten kann.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Das große Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark soll im Oktober abgerissen und durch einen teuren Neubau ersetzt werden.  
Das große Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark soll im Oktober abgerissen und durch einen teuren Neubau ersetzt werden. Schöning/imago

Das Ende einer DDR-Legende rückt näher. Die Rede ist vom großen Jahnstadion im Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg. Am 18. August wird dort zum letzten Mal Fußball gespielt, wenn im DFB-Pokal der FC Viktoria Berlin gegen den FC Augsburg antritt. Im Oktober rollen dann die Bagger an, die das mehrfach umgebaute DDR-Stadion 73 Jahre nach seiner Errichtung dem Erdboden gleich machen sollen. Mit mahnenden Worten stellt sich nun Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) den Abriss-Plänen des Senats entgegen. Ob sie damit das Vorhaben noch stoppen kann?

Das Kult-Stadion im Osten Berlins: Es war die Heimat des BFC Dynamo. Zehnmal feierte der Verein dort die DDR-Fußballmeisterschaft. Auf der Tribüne saß jubelnd Stasi- und Dynamo-Chef Erich Mielke. Seit über zehn Jahren wird nun über den Abriss der Arena debattiert. Kritiker haben stets die Sanierung des Stadions im Friedrich-Ludwig-Jahn gefordert. Dies sei kostengünstiger, als die Arena durch einen millionenschweren Neubau zu ersetzen. Doch der Senat hat den Abriss beschlossen.

Berlin muss über 5 Milliarden Euro sparen: Teurer Abriss des Jahnstadions muss auf den Prüfstand

Pankows Bezirksbürgermeister Cordelia Koch (Grüne): Sie stellt den Abriss des Jahnstadions infrage. Kann die Politikerin ihn noch stoppen?
Pankows Bezirksbürgermeister Cordelia Koch (Grüne): Sie stellt den Abriss des Jahnstadions infrage. Kann die Politikerin ihn noch stoppen?Paulus Ponizak/Berliner KURIER

In die Kosten-Kerbe haut auch Pankows Bezirksbürgermeisterin Koch. Mit Blick auf die derzeitige Haushaltslage stellt die Grüne-Politikerin den Abriss des Jahnstadions infrage. Da das Land Berlin über fünf Milliarden Euro einsparen muss, Finanzsenator Stefan Evers (CDU) daher auch schon das  29-Euro-Ticket und die jahrelange kostenlose Schulspeisung auf den Prüfstand stellt, stehe für Koch jetzt alles zur Debatte – auch der Abriss und Neubau des Jahnstadions. Es sei „ziemlich fraglich, ob das der richtige Zeitpunkt für den Abriss ist“, sagte die Bezirksbürgermeisterin dem RBB.

Mit diesen Worten erhofft sich die Grüne-Politikerin ein Umdenken im Senat, noch bevor die Bagger anrollen. Denn der Neubau der Arena, der Ende 2027 stehen soll, wird mehr Millionen als geplant verschlingen.

Neubau Jahnstadion: Baukosten stiegen um 70 Prozent

Laut einer aktuellen Kostenanalyse, die im Mai öffentlich wurde, wird der Bau des Stadions, das mit 20.000 Plätzen das drittgrößte in Berlin werden soll, um satte 70 Prozent teurer. 2019 ging der Senat noch von nur 97 Millionen Euro aus. Jetzt liegen die Baukosten bei 168 Millionen Euro!

In dem Senatsbericht wird die Kostenexplosion vor allem als Folge einer „Indexsteigerung der Baupreise im entsprechenden Zeitraum“ begründet. Außerdem hätte die „konkrete Vorplanung und die notwendigen geplanten Verkehrs- und Versorgungsflächen“ ebenfalls zu zusätzlichen Kosten geführt.

Doch bei den 168 Millionen Euro bleibt es nicht. Zu diesen Kosten müssen auch noch die 14 Millionen Euro mit eingerechnet werden, die für den Abriss des jetzigen Stadions gezahlt werden.

Die Spieler vom BFC Dynamo und dem FC Viktoria Berlin bei einem Lokalderby im Jahnstadion: Die Arena war ihre sportliche Heimat.
Die Spieler vom BFC Dynamo und dem FC Viktoria Berlin bei einem Lokalderby im Jahnstadion: Die Arena war ihre sportliche Heimat.Matthias Koch

Die Frage des Stadions müsse hinten angestellt werden, „und das, was wir am meisten brauchen, muss auch zuerst kommen“, sagt Pankows Bezirksbürgermeisterin.Was Koch damit meint, ist der Umbau des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks, der nach dem Stadion-Projekt folgen soll. Dort sollen Sportflächen entstehen oder bestehende saniert und ausgebaut werden, die dringend für den Berliner Breiten- und Schulsport gebraucht werden.

Platzt wegen teuren Stadion-Neubau der Umbau des Jahnsportparks?

Erst Stadion, dann Sportpark: Diese Reihenfolge sei zwar logisch, sagte Koch. Aber es sei „unklug, wenn man etwas abreißt und nicht weiß, ob das gesamte Konzept funktionieren kann“. Denn auch der Sportpark-Umbau verschlingt Millionen. Und es sei möglich, dass wegen der hohen Stadion-Kosten die Pläne für den Breitensport zu kurz kommen.

Das befürchten nicht nur die Berliner Grünen, sondern auch die Linkspartei. „Wir sind der Auffassung, dass erst der Sportpark umgebaut werden muss“, sagt der sportpolitische Sprecher der Linken, Kristian Ronneburg, dem KURIER. Denn auch für ihn gilt es nicht als sicher, dass nach dem Stadion-Bau auch noch genug Geld für Anlagen für den Breiten-, Vereins- und Schulsport übrig bleibt.

Ronneburg erklärt, dass eine Ertüchtigung des maroden Jahnstadions wichtig ist. „Es muss was getan werden, auch dass man die Arena in allen Bereichen für Menschen mit Handicap zugänglich macht“, sagt er. Eine Ertüchtigung, sprich Sanierung des bestehenden Stadions, würde auch dazu beitragen, und auch, dass die einzigartige DDR-Architektur der Arena erhalten bleibt, erklärt der Abgeordnete.

Über 20.000 Plätze, 168 Millionen Euro teuer: So soll das neue Jahnstadion aussehen, das sich das Land Berlin momentan nicht leisten kann.
Über 20.000 Plätze, 168 Millionen Euro teuer: So soll das neue Jahnstadion aussehen, das sich das Land Berlin momentan nicht leisten kann.O+M Architekten GmbH

Laut den Entwürfen entsteht jedoch ein Stadion mit einer völlig anderen Anmutung. Mit der neuen Arena will das Land Berlin nun endlich seine Vorzeige-Sportstätte bekommen. „Wir haben immer gesagt, dass dieses Projekt ziemlich teuer ist“, sagt Ronneburg. Es sei fraglich, ob im Zusammenhang mit dem Sportpark-Umbau „alles unter einem Hut gebracht werden kann“.

Neubau Jahnstadion: Eine weitere Großbaustelle kommt noch dazu, die Anwohner nerven wird

Und Ronneburg sieht noch andere Probleme, die während der Abriss- und Bauarbeiten vor allem auf die Anwohner zukommen werden. Da geht es nicht nur um die Tausende Lkw, die mit Abrissschutt dann durch den nahen Kiez donnern werden, von denen sich die stadionkritische Bürgerinitiative Jahnsportpark fürchtet. Es geht auch darum, dass der Stadionbau fast zeitgleich mit einer weiteren Großbaustelle zusammenfällt, wie Ronneburg erklärt.

So soll das neue Jahnstadion im Innern aussehen.
So soll das neue Jahnstadion im Innern aussehen.O+M Architekten GmbH

Denn in den nächsten zwei Jahren soll am Bahnhof Schönhauser Allee die Brücke über den Ringbahngleisen abgerissen und neu gebaut werden. Zusammen mit den nahen Bauaktivitäten im Jahnsportpark wird dies eine enorme Herausforderung an dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt Schönhauser Allee. Lärm, Staus – dies wird eine hohe Belastung für die Anwohner, ist sich Ronneburg sicher.

Ob diese Probleme und die aktuellen Bedenken der Pankower Bürgermeisterin doch noch zu einem Stadion-Abrissstopp führen? So wie es aussieht, wird der Senat an seinem Plan festhalten, obwohl sich das Land Berlin den 168 Millionen Euro teuren Neubau momentan nicht leisten kann.